KINDERBUCH-BLOCK 1   Teil 1-10

    Kinderbuchblock Nummer:
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    1 - Sonntag, 4. Mai 2008
    Meine letzte Lesung war mit sieben Erwachsenen und zwei Kindern nicht besonders gut besucht. War nicht schlimm, hat trotzdem allen viel Spaß gemacht und bleibt wegen der schönen Atmosphäre in sehr guter Erinnerung, aber lange Warteschlangen vor Büchereien sehen anders aus. Zufällig lese ich zwei Tage später ein Buch mit Briefen von Erich Kästner an seine Mutter. Im November 1931 war “Emil und die Detektive” seit zwei Jahren erfolgreich auf dem Markt, wurde schon in andere Sprachen übersetzt und Erich Kästner stand unmittelbar vor der Veröffentlichung seines zweiten Kinderbuches “Pünktchen und Anton”.  Zitat aus seinem Brief: “... Ich sitze jeden Nachmittag stundenlang in den Buchhandlungen und teile Autogramme aus. Aber es kommen fast gar keine Leute. Wir sitzen da wie die Affen. Gestern während zwei (2) Stunden ein einziges Buch verkauft! ... Die Geschäfte dachten, wenn Autoren im Laden stehen und ihren Namen in die Bücher schreiben, kaufen die Leute mehr als sonst. Nun, am Dienstag wurde ein  Buch von mir gekauft. Es war sehr ermüdend.”

    Ich lese den Kästner-Brief und freue mich. Da wandel ich ja vielversprechend auf seinen Spuren! Leere Buchhandlungen und überschaubar besuchte Lesungen am Anfang der Karriere sind sich nicht unähnlich. Und ich hatte bei der letzten Lesung ja sogar 9 Leute und 2 verkaufte Bücher. Im Vergleich zu ihm dann doch ziemlich erfolgreich. Na, da kann ich ja gespannt sein, was noch kommt. (Einer meiner Tricks, viele Dinge sehr positiv zu sehen, ist, dass ich alles so drehe und wende, dass ich nur noch die Vorteile sehen kann. Ganz praktisch und sehr motivierend.)

    Bodo Wartke und Sven Schütze, der Panther und der Affenonkel auf der Hör-CD, die nebenbei auch noch ein wenig Musikkabarett machen und Schauspiel und Regie und Hörspiele und Design, stellen das Giraffenbuch in einer Sonderaktion in Bodos Newsletter und auf seiner Homepage vor. Unter dem Motto “Bodo empfiehlt...” sollen dort alle zwei Monate neue Sachen präsentiert werden und die erste im Mai 2008 wird das Buch der kleinen Giraffe sein.   www.bodowartke.de


    Wer also sowieso ein Giraffenbuch von mir und ein Notenbuch oder eine CD von Bodo haben will, kann das in den beiden nächsten Monaten zusammen auf Bodos Homepage im Shop bestellen. Klasse, oder? Wer will, kann auch einen Kommentar zum Buch in Bodos Shop abgeben. Ein positiver wäre mir dabei lieber als “Mir sind die Affen zu laut!”. Aber egal. Wem sie zu laut sind, der kann das natürlich gerne schreiben.

    Sven, Bodo und ich haben sogar was gemeinsam: Bodo und Sven sprechen auf meiner Giraffen-CD, und Sven und ich hören die Bodo-CDs, und ich habe Bodo bei einem Auftritt gefilmt, bei dem Sven Regie gemacht hat, und Bodo hat auf einer Hör-CD von Sven, die ich angehört habe, Musik gemacht. Das nennt man ein künstlerisches Geflecht. Oder Wirrwarr. Oder Anettes seltsame Logik. 

    In der nächsten Woche werde ich auf einer längeren Bahnfahrt mit den konkreten Überlegungen zu “Prinz Ferdinand König”, meinem nächsten Kinderbuch, beginnen. Das grobe Konzept ist mir schon klar, aber ich muss mal mehrere Stunden lang überlegen, wie alles genau zusammenhängt und wie es enden soll. Die Aufteilung des Textes und der Bilder wird etwas unüblich sein und da muss ich die perfekte Lösung noch finden. Ich hoffe, es gibt sie.



    2 - Sonntag 11. Mai 2008
    Die Originalausgabe der kleinen Giraffe nähert sich ihrem Ende. Nur noch wenige Exemplare, dann geht es an die zweite Auflage und der Bücherberg in meinem Wohnzimmer wird zentimeterweise abgebaut. Je nach Tempo könnte das Jahre dauern. Im Shop von Bodo Wartke gibt es übrigens schon Bücher der zweiten Auflage, weil es sich nicht mehr lohnte, dafür noch die erste einzupacken. Allerdings gibt es bei mir noch einige frühe Originalausgabe- Nummern, die als kleine Reste aus Schulbeständen zurückkamen. Wenn ich die in einigen Jahren mal anbiete, werden sie sicher heiß begehrt sein. “Waaas? Eine Nummer 545? Dass es sowas noch gibt!!”

    Und: Taraaaa!  - Prinz Ferdinand König hat das Licht der Welt erblickt! Ich nutze einen Kurzurlaub, um auf der Hinfahrt in der Bahn, vor Ort morgens im Garten bei Ostfriesentee und am Strand mit Blick auf das Meer an der Geschichte zu arbeiten. Weil ich den Laptop, auf dem ich Texte sehr gerne schreibe, nicht mitschleppen will (und weil der feine Strandsand in der Tastatur beim Tippen knirschen könnte), schreibe ich die erste Grobfassung der Geschichte mit einem Kugelschreiber in ein Heft. Das altertümliche Schreibheft hat den großen Vorteil, dass ich es nicht versehentlich löschen kann. Dafür allerdings irgendwo liegenlassen. Ist mir zum Glück bisher aber nicht passiert.

    Nachteilig am Heft ist, dass ich bei meinen handschriftlichen, durchgestrichenen, ergänzten und zum Teil unentzifferbaren Notizen nicht immer erkennen kann, was ich damit gemeint habe, bzw. was davon die letzte Fassung sein könnte. Aber egal, da komme ich bei der Nachbearbeitung schon irgendwie durch. Wichtig ist, dass die Handlung ungefähr steht und ich weiß, wer alles mitspielt. Vermutlich wird dann alles noch ganz anders werden, wenn ich in meinem diesjähringen Urlaubsmonat Juli (nein, ich weiß noch nicht, wo ich den verbringen werde!) die Geschichte komplett fertig schreibe, weil die Figuren wieder ein Eigenleben führen und ich nur noch aufschreibe, was passiert. Aber es ist beruhigend, dass ich ein nettes Ende vorschlagen könnte, falls ihnen keins einfällt. Kinderbücher müssen nach meiner Vorstellung übrigens  immer ein richtiges Ende haben. Es darf Ziele für die Zukunft geben, aber am Ende der Geschichte müssen Probleme gelöst sein und alle beruhigt schlafen können. “Offenes Ende” ist sowieso ein ziemlich blöder Begriff. Entweder offen oder Ende.



    3 - Sonntag, 18. Mai 2008
    Mit der kleinen Giraffe habe ich mich kurzentschlossen und ohne langes Nachdenken für einen Kinder- und Jugendbuchpreis einer Stadt beworben. Nach Durchsicht der letztjährigen Preisträgerbücher sah ich zwar keine Chance für einen Gewinn, weil es da doch meistens um Probleme von Jugendlichen ging und nicht um Tiere mit Fellproblemen, aber ich hatte auf einmal Lust, einfach mal mitzumachen. Vor allem ist der Hauptpreis nicht, wie oft bei solchen Wettbewerben, ein Verlagsvertrag. Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren reizt mich das ja überhaupt nicht. Es gibt einen Geldpreis, aber da ich nicht mit einem Gewinn rechne, ist das auch egal. Ich habe nur das Gefühl, dass das Einsenden des Buches später mal irgendwelche Auswirkungen haben könnte, und da ich gerne spontan nach Gefühl reagiere, schicke ich die Post einfach los. Die Voraussetzungen, dass es mein Erstlingwerk ist, dass es nach dem 15. Juni 2007 erschienen ist und dass Autorin und Illustratorin noch leben, erfülle ich.

    Das Ganze ist aber nicht ohne Risiko, denn in der Vergangenheit gab es durchaus Wettbewerbsjahre, in denen kein Preis vergeben wurde, weil “der Jury keines der eingereichten Bücher als preiswürdig erschien”. Das ist natürlich der Hammer. Solange man sich hinter dem Sieger und dem Geschmack der Jury verstecken kann, ist alles in Ordnung, aber wenn kein Buch gut genug war und das eigene bei der Auswahl dabei war, ist es ganz schön blöd. Ich hoffe in diesem Jahr also fest darauf, dass es einen Gewinner gibt und der muss nicht ich sein. Irgendeiner reicht. Die Entscheidung fällt erst zum Ende des Jahres und ich werde melden, wie es ausgegangen ist.

    Außerdem geht es bei mir wie im Film zu. Ich spiele mit und wunder mich über das Drehbuch, weil es ein wenig unglaubwürdig ist. Eine Buchhandlung ruft nämlich bei mir an, weil mehrere Kunden das Giraffenbuch haben möchten. Mein Name steht in ihrer Kundenkartei und sie fragen zögerlich, ob ich etwas damit zu tun habe. Nach kurzem Gespräch möchten sie gerne 20 Bücher haben, die sie zum Verkauf in den Laden stellen wollen. Ich bringe sie ihnen natürlich sofort vorbei. Als ich am nächsten Tag am Geschäft vorbeikomme, sehe ich mitten im Verkaufsraum einen Tisch, auf dem viele Kleine-Giraffe-Bücher ordentlich ausgelegt sind und mit ihren blau-gelben Farben die Kunden anlachen. Wer dort vorbei kommt, ohne die Bücher zu bemerken, darf einen Blindenhund besitzen.

    Nun hat die Giraffe es also auch ohne Verlag und ohne ISBN-Nummer als Blickfang mitten in eine Buchhandlung geschafft. Übrigens gilt das Buch dort als lokales Produkt. Die Giraffe ist quasi ein Heimatbuch. Oder ich bin eine Heimatautorin. Auf einem Zettel am Buchtisch steht groß “Erftstädter Autorin”, wohl um die Heimatnähe zu zeigen. Ich sehe es und weiss, dass sich etwas ändern muss. In zwei Jahren soll dort “Anette Dewitz” stehen. Hört sich vielleicht eingebildet an, aber nicht die “Erftstädter Autorin” soll die Bezeichnung der Marke sein, sondern “Anette Dewitz”. Ich kauf mir ja auch nicht die CD von Robbie Williams, weil “englischer Sänger” draufsteht.

    Wenn das mal keine kitschige Erfolgsstory ist: Hausfrau schreibt und malt am Küchentisch ein Kinderbuch, lässt es drucken, verkauft 1000 Exemplare in vier Monaten, macht Lesungen, wird von Zeitungen und Rundfunk um Gespräche gebeten und von Buchhandlungen um Verkaufsexemplare gefragt. In einer Talkshow verliebt sich ein Millionär in sie, den sie allerdings abweist. In der gleichen Show wird auch ihr Talent als Sängerin entdeckt, als sie mit dem Talkmaster spontan ein Duett singt und sie bekommt einen Showvertrag am Broadway. Dort spielt sie jeden Abend eine singende Hausfrau, die am heimischen Küchentisch ein Buch schreibt und dort einen jungen, sehr gut aussehenden Millionär trifft, der sich in der Haustür vertan hat. Hinreißende Sing- und Steppszenen, dann Oscar, Bambi, Salzburger Stier und die Goldene Kamera. Rückbesinnung auf das Wesentliche und Rückkehr an den heimischen Küchentisch, um in dörflicher Atmosphäre ein weiteres Buch zu schreiben. Übrigens, auf die Frage, woher ich meine Ideen bekomme, kann ich nur sagen: Gnadenlose Phantasie, die eher gebremst, als gefördert werden muss.

    Der kleine Prinz Ferdinand König steckt bis jetzt noch in seinem Grobkonzept und bekommt hin und wieder eine kurze Notiz dazu gekritzelt. Zufällig finde ich einige Zettel mit Skizzen, die ich vor einigen Wochen schon gemacht, aber so gut weggelegt hatte, dass ich sie nicht mehr finden konnte. Bei der Suche nach einem Reisepass fanden sie sich in einem Karton, in den weder sie noch ein Reisepass gehörte. War aber beides drin. Mein Leben bleibt überraschend!



    4 - Sonntag, 25. Mai 2008
    Das ausgeklügelte Marketingkonzept geht weiter. Die A3-Giraffen-Plakate sind da und können wahlweise zum Ankündigen von Lesungen, für Grußworte und Autogramme, als Wandbilder und zum Einwickeln von Salat verwendet werden. Macht ja doch mehr her, als wenn es privat ausgedruckte A4-Blätter sind. Besonders beim Salat.

    Außerdem ist die Originalauflage der kleinen Giraffe weg. Ab jetzt gibt es die zweite Auflage. In einem Karton habe ich noch vereinzelte Restnummern der ersten Auflage, die ich auf direkte Anfrage abgeben kann und ansonsten als Wertsteigerungsobjekte in den Safe lege. Wobei der Safe in diesem Fall ein brauner Pappkarton ist. Manchmal kann ich es noch nicht fassen, dass die erste Auflage so schnell weg war. Hatte ich nicht vor einigen Monaten noch lange überlegt, ob ich 300 oder dann doch wahnsinnige 500 Exemplare drucken lassen soll? Am Ende habe ich mich dann zwar grinsend, weil es so verrückt war, aber doch unsicher, ob so eine gewaltige Menge nicht viel zu viel ist, für 1000 Exemplare entschieden. Tja, und die sind jetzt weg. Und die ersten 80 Bücher der zweiten Auflage auch schon.

    Die zweite Auflage unterscheidet sich von der ersten, weil nicht mehr “Originalausgabe” drin steht und weil die Farben nicht mehr ganz so kräftig sind. Bei der ersten Version sind die Illus in der Druckerei einen Tick zu bunt geraten, was nun korrigiert wurde und damit den Originalbildern ähnlicher ist. Mir gefällt das etwas besser, aber die erste Version ist auch OK. Außerdem gibt es an einer Textstelle einen passenden Punkt mehr und an einer anderen einen unpassenden weniger. Und die Bücher sind etwa einen Millimeter schmaler geschnitten, damit sie besser in die gepolsterten Postumschläge passen. Vorbei die Zeiten, in denen ein Buch mit Luftanhalten und Baucheinziehen (von mir und dem Buch) in den Umschlag gequetscht wurde und nur durch vorsichtiges Umgehen mit einer Schere und brutaler Zerstörung der Verpackung wieder befreit werden konnte.

    Auf was man als Schriftstellerin alles achten muss! Passen die Bücher zum Verschicken in einen Norm-Umschlag? Mit wie viel Gewicht darf mein Wohnzimmerboden beim Stapeln der Bücher belastet werden? Wie erkläre ich Freunden und Familie, dass sie in meinem Wohnzimmer für die nächsten Jahre keinen Platz mehr haben? Es geht sowieso viel Zeit für den aufwändigen Nebenkram drauf. Aber andererseits machen gerade die Mailkontakte, die vielen Reaktionen auf das Buch und sogar das blitzschnelle Fertigstellen von Eilbestellungen viel Spaß. Wer noch nie mit Blick auf die Uhr, weil die Post in 30 Minuten schließt, am Küchentisch zwanzig Bücher aus der Folie gerissen, mit Klebetasche und CD bestückt hat, die Buchnummern sorgfältig reingeschrieben und nebenbei einen Lieferschein ausgedruckt, alles in Karton und Packpapier gewickelt, mit Adresse und Absenderstempel versehen hat und dann tatsächlich 3 Minuten vor Dienstschluß am Postschalter stand, weiß gar nicht, wie sehr man sich freuen kann.

    Am Ende der Woche gehe ich in der Buchhandlung vorbei, um mal zu fragen, ob überhaupt Bücher verkauft werden. “Die gehen weg wie geschnitten Brot!”, freut sich die Buchhändlerin und zeigt auf den Tisch, auf dem unter dem Schild “Erftstädter Autorin” nur noch fünf einsame Giraffenbücher liegen. “Wir brauchen Nachschub!”


    5 - Sonntag, 1. Juni 2008
    Als ich auf Nachfrage der Buchhandlung weitere Bücher ins Geschäft bringe, sehe ich, dass mein Giraffenbuch-Präsentations-Tisch eine Trennwand hat und auf der Rückseite andere Bücher ausgelegt sind. Ich grinse zufrieden, denn es sind die Werke von Cornelia Funke, einer sehr erfolgreichen deutschen Kinder- und Jugendbuchautorin. Sie hat deutlich mehr Bücher als ich verkauft (mehr als 10 Millionen Exemplare) und im Schaufenster steht ein Jugendfahrrad, das von ihrem Verlag in einem Preisausschreiben verlost wird, aber sie ist nicht aus Erftstadt und liegt darum auf der Rückseite des Tisches. Ich habe eindeutig den Ortsvorteil. Trotzdem nehme ich es als Zeichen. Cornelia Funke und Anette Dewitz auf einem Tisch - wenn das mal nicht was zu bedeuten hat! Wann verlose ich wohl das erste Fahrrad??

    Momentan arbeite ich an Illustrationen, aber aufgrund anderer Termine seltener, als ich gerne möchte. Außerdem sind es nicht meine Bilder. Also MEINE Bilder schon, ich zeichne sie ja selber, aber nicht für meine eigene Geschichte. Der Löwe Léon erlebt ein neues Abenteuer, ausgedacht und aufgeschrieben vom Autoren Eddi, und ich illustriere es. Es macht Spaß, fällt aber leider in eine terminlich viel zu vollgestopfte Zeit und ich bin nicht sicher, ob ich es bis zum ausgemachten Zeitpunkt überhaupt fertigstellen kann. Wäre nicht so schlimm, wenn nicht, aber ich würde es gerne schaffen.

    Parallel zu Léon und meinen eigenen Überlegungen zu Prinz Ferdinand König, habe ich auch noch ein privat- geschäftliches- Abendessen- Treffen, bei dem es um ein anderes Kinderbuch geht. Wir besprechen die Grundlagen einer Geschichte, entwickeln die Charaktere der Hautpersonen und möglichst bald werde ich die Ideen in Skizzen umsetzen, damit wir mal konkret sehen, über was wir überhaupt reden. In diesem Fall gibt es sogar schon einen Verlag, der großes Interesse hat und gespannt auf unsere Vorschläge wartet. Auch wenn ich für meine eigenen Sachen zurzeit ja überhaupt keinen Verlag haben möchte, ist das bei anderen Büchern, bei denen ich “nur” mitarbeite, egal. Ich passe mich dann den Gegebenheiten an und bin nicht Unternehmer, sondern kreativer Dienstleister.

    Kinderbuchmäßig ist also an allen Ecken was los: Ich bringe das Giraffenbuch in Buchhandlungen oder verschicke es per Post, zeichne den Löwen Léon und seine Freunde, mache mir Gedanken zu Prinz Ferdinand König und seiner Familie und überlege, wie die noch namenlosen Hauptpersonen in der geplanten  Kindergeschichte aussehen könnten. Erstaunlicherweise kann ich das gut trennen, denn alle Darsteller leben in unterschiedlichen Bereichen und wenn ich mich mit einer Geschichte befasse, sind die anderen weit weg.

    Langsam muss ich mich auch mal nach einem Urlaubsort für den Juli umsehen. Kenner wissen es: Ich bin offiziell für einen Monat weg und nur sehr schwer erreichbar. In Wahrheit bin ich zu Hause, genieße die freie Zeit und arbeite endlich mal nur für mich und nicht für andere Leute. Andere fahren WIRKLICH für vier Wochen in Sommerurlaub, ich SPIELE es und fühle mich frei und unabhängig. Vor allem kann ich mir immer selber einhämmern, dass ich auch die eiligste Demo nicht schneiden könnte, wenn ich wirklich irgendwo am Strand liegen würde. Früher habe ich aus Nettigkeit nämlich immer durchgearbeitet, so dass alle anderen, wenn sie aus ihren Urlauben kamen, die Sachen fertig im Briefkasten hatten. Ich bin natürlich nicht so blöd und erzähle allen, dass ich in Wahrheit zu Hause bin. Würde auch nichts nützen, denn die meisten wissen es. Aber egal. Es ist ein primitiver Schwindel, aber er funktioniert und das ist die Hauptsache.



    6 - Sonntag, 7. Juni 2008
    In sensationell kurzer Zeit habe ich die Léon-Illustrationen fertig. Nur drei Tage lang illustrieren und ein paar Stunden noch vom vierten Tag, dann kann ich sie abgeben. Sonst brauche ich fast die doppelte Zeit dafür. Schnelles und intensives Illustrieren bedeutet aber nicht zwangsweise, dass es auch gut wird. Meistens geht eine Zeichnung gerade dann daneben, wenn sie schnell fertig sein soll. In diesem Fall sitze ich täglich etwa acht bis neun Stunden über der Arbeit, stöhne zwischendurch, weil ich mich gerne mal ausgiebig im Garten bewegen würde und ermahne mich doch immer wieder, nach kurzen Kaffeepausen an den Tisch zurückzukehren und konzentriert weiterzumachen. Und ich höre auf mich.

    Drei Tage lang an einem Tisch zu sitzen und sich lieber mal bewegen zu wollen, - besonders, wenn die Tage davor mit viel Arbeit gefüllt waren, aber ebenfalls weitgehend sitzend abliefen - ist schon anstrengend genug. Aber wenn dann auch noch konzentriert gemalt werden muss und ein einziger falscher Pinselschwenk ein Bild komplett ruinieren kann, ist es doppelt schwer. Dass ich bei aller platzender Energie so ruhig und konzentriert bleibe, rechne ich mir selber hoch an. Ein persönlicher Sieg, der mir Stärke und Selbstbewußtsein gibt. Dranbleiben, durchziehen und konsequent fertigstellen. Es ist anstrengend, aber es macht auch viel Spaß. “Ich bin ein Vogel, und Vögel können fliegen!”, singt der Vogel Strauß im neuen Programm von Rainald Grebe, fliegt einfach los und singt triumphierend und freudig strahlend: “Man kann alles, wenn man nur will!!” Irgendwie sind mir diese Zeilen in den letzten Tagen zum Motto geworden und ich summe sie immer wieder vor mich hin. Und ich weiß, dass meine Augen dabei funkeln. Man kann alles, wenn man nur will.

    Außerdem rückt mein Urlaub näher und ich habe ein Urlaubsziel: Finnland. Genauer gesagt: Helsinki. Den kompletten Juli werde ich in Helsinki verbringen, bin nicht erreichbar und antworte auf Mails mit  “kääloamää kuluesse lippää”, damit es möglichst finnisch aussieht. Warum Helsinki?, wird der verblüffte Leser fragen und auf einsame Südseeinseln und warme Badestrände hinweisen. Ja, warum eigentlich? werde ich zurückfragen und ausrufen: “Nee, dann doch lieber Südsee!”, woraufhin der Leser noch verblüffter guckt und mich für bescheuert hält. “Was denn nun?” wird er ungeduldig fragen und streng gucken. “Südsee!” werde ich strahlen, die Arme ausbreiten und lachen: “Keine Ahnung warum. Aber es muss die Südsee sein!”

    Wieso habe ich mich nach drei Tagen Helsinki-Vorfreude während des Berichtschreibens so plötzlich für die Südsee entschieden?? Und wieso freue ich mich jetzt wie blöd darauf? Als würde ich wirklich fahren! Aber so fühle ich mich tatsächlich. Ich weiß jetzt schon, wie das Meer rauschen wird, wie warm das Wasser sein und wie sich der Sand unter meinen Füßen anfühlen wird. Im türkisfarbenen Meer gibt es kleine, bunte Fische und unter den dichtstehenden Palmen am Strand streicht angenehm kühlend der Wind entlang. Die flackernden Schattenspiele der Palmwedel malen ein Muster auf meine bunte Hängematte, die zwischen zwei hohen Palmen hängt und mitsamt ihren Fransen im Luftzug leicht hin- und herschwankt. Ich habe meinen Laptop dabei, ein Handy für Notfälle und irgendwie immer was Leckeres zu essen. Keine Ahnung, woher.
    - Eine Südseeinsel passt klimatisch und optisch überhaupt nicht zu Prinz Ferdinand König, über den ich in meinem Urlaub schreiben will, aber ich weiß, dass wir eine wundervolle Zeit miteinander verbringen werden. Jetzt muss ich nur mal im Atlas eine Insel raussuchen, die meiner Vorstellung entspricht und auf der es kein blödes Ferienressort gibt.



    7 - Sonntag, 15. Juni 2008
    Völlig unerwartet bekomme ich eine kurze, aber sehr prägende Sprecherausbildung bei einem erfahrenen Radiomoderator und Journalisten. Ich bin wegen einer ganz anderen Sache bei ihm, aber da ich ihm vorher am Telefon von meinem Giraffenbuch berichtet habe, bringe ich ihm einfach eins mit. Er guckt es sich angenehm überrascht an (was hatte er erwartet?) lobt während unserer Unterhaltung meine deutliche Aussprache und meine Wortwahl und ich erzähle, dass ich mit viel Spaß Lesungen an Grundschulen mache. Als ich sage, dass ich schon überlegt habe, irgendwo mal eine kleine private Sprecherausbildung zu machen, um die sicher vorhandenen Fehler zu entfernen, fordert er mich spontan auf, die Ausbildung sofort zu beginnen und ihm eine Seite des Giraffenbuches vorzulesen. Ups, kritische Prüfung vor einem Radio- und Sprachexperten. Das überrumpelt mich etwas, aber da ich oft vorlese und er gerade meine Aussprache gelobt hat, wird es schon ganz gut gehen. Denke ich.

    “Der See”, beginne ich mit der kurzen Überschrift und sofort ruft er “Stopp! Warum betonen Sie das “der” denn so?” Ja, warum eigentlich? Er arbeitet mit mir, bis ich es richtig auf den “See” betont, einigermaßen spannend, vielversprechend und neugierig machend sagen kann. Der nächste Satz hat vier Wörter und ich muss ihn sechsmal sagen, bis er zwar nicht bejubelt wird, aber immerhin akzeptiert ist. Wir arbeiten uns langsam vor, ich lerne, dass es keine unwichtigen Wörter im Satz gibt, dass auch in den Pausen die Spannung gehalten werden kann und wo ich in epischer Breite sprechen muss. Vor allem darf ich nicht vorlesen, sondern muss erleben. Bis dahin hatte ich gedacht, dass ich das schon ziemlich gut mache, aber mir wird schnell klar, dass ich es ganz nett kann, aber noch deutlich verbessern könnte. Immer wieder werde ich mitten im Satz mehrfach unterbrochen und mehrfach verbessert. “Und jetzt nochmal!” Es wird immer schwieriger für mich, weil ich auf immer mehr Dinge achten muss. Neben den falschen Betonungen hat sich in meine Aussprache ein weiterer Fehler eingeschlichen: Ich spreche “ig” meistens wie “ig” aus. Als ich “wenigstens” sage, bricht mein Sprachlehrer fast zusammen und ruft empört: “Wenichstens!” Ich sage auch “ruhig” und “lustig”, was ihn nicht “ruhich” und “lustich” bleiben lässt.

    Zunächst denke ich etwas ernüchtert, dass es mit meiner Aussprache wohl ganz schlecht stehen muss, wenn ich nicht mal einen Satz ordentlich hinbekomme, aber dann sage ich mir, dass er nur so streng ist, weil er da noch Ausbaumöglichkeiten sieht. Die Grundsubstanz scheint ganz ordentlich zu sein. Am Ende der wirklich anstrengenden Sprachübungen bin ich erleichtert, dass die Prüfung vorbei ist, aber gleichzeitig finde ich es sehr gut, was ich in dieser kurzen Zeit alles schon gelernt und was für gute Hinweise ich bekommen habe. Außerdem ist mein Ehrgeiz geweckt. Da kann ich auf jeden Fall noch viel lernen und verbessern.

    Leider spreche ich “ig”-Wörter (gewaltig, kräftig, richtig ... ) auch danach im Arbeitsgespräch, das nicht als Sprachübung gedacht war, meistens falsch aus und werde immer wieder mitten im Satz empört unterbrochen. “Sie schludern!”, “Soooo nicht! Daran müssen Sie aber dringend arbeiten!” oder “Das wird ja immer schlimmer!!!” Ich fühle mich wie die ungebildete Blumenverkäuferin in “My fair lady“ und wünsche mir, dass mein Gegenüber endlich mit einem freudig gesungenen “Mein Gott, jetzt hat sie’s!” aufspringt, über den Balkon tanzt und mich für geheilt erklärt. Tut er aber nicht. Immer konzentrierter und langsamer rede ich und ich versuche “ig”-Wörter zu erkennen, bevor ich sie sage. Oder überhaupt komplett zu vermeiden. Als ich “20” wie “zwanzich” ausspreche, werde ich spontan unsicher, weil ich das sowieso immer so sage und wiederhole zur Sicherheit mit vermutlich leicht fragendem Unterton “zwanzich ...”, woraufhin ein knappes und empörtes “Selbstverständlich!” von gegenüber kommt. Es ist etwas stressig für mich, aber ich finde die Situation auch total komisch. Ich habe mich selten beim Reden so konzentriert und so angestrengt auf die Wortwahl und Aussprache geachtet. Wieso zucken andere Gesprächspartner eigentlich nicht auch ständig zusammen, wenn ich ihnen was erzähle?

    Ich überlege, ob ich mein nächstes Buch über “Prinz Ferdinand König” besser im Vorfeld schon umbenennen soll, damit ich mich niemals mit dem “Könich” vertue? Wenn ich ihn “Prinz Ferdinand Könick” nennen würde, wäre ich auf der sicheren Seite und könnte, wenn mein Sprachlehrer beim Nennen des Namens zusammenzuckt, lässig hinterherwerfen: “Wird mit CK geschrieben!”



    8 - Sonntag, 22. Juni 2008
    Ich habe in dieser Woche an drei Vormittagen insgesamt neun Giraffen-Lesungen bei Grundschul- und Vorschulkindern. Mein Aussprache-Unterricht lässt mich noch stärker auf eine deutliche Artikulation und auf korrekt ausgesprochene ig-Endungen achten. Bei ruhich, durstich, traurich, übermütich und neugierich ist das auch gar kein Problem. Aber will ich wirklich “wenichstens” sagen? Ich glaube nicht. Noch habe ich mich nicht ganz entschieden, aber ich vermute, dass ich auch weiterhin ein deutliches “g” in der Mitte benutzen werde. Übrigens wird der geschriebene “König” in der korrekten Aussprache ja zum “Könich”, während “königlich” in der Mitte weder wie “ig” noch wie “ch” , sondern wie “k” ausgesprochen wird, also “köniklich”. Wenn man sich einmal mit der Materie befasst, wird es immer komplizierter.

    Bei einigen der Schul-Lesungen sind auch Eltern anwesend und mit fällt auf, dass ich mich kritischer beobachtet fühle. Kinder nehmen einfach hin, was ich ihnen erzähle, aber viele Eltern muss ich erst überzeugen. Zumindest habe ich das Gefühl. Ich kann plötzlich gut nachempfinden, wie sich Künstler mit ihrem eigenen Programm auf der Bühne fühlen, wenn sie von vielen Augen angesehen und bewertet werden. Im Prinzip stehe ich auch mit meinem Programm vor Publikum. Ich lese meine Ideen und meine eigene Phantasie vor, stelle sie als bühnenreif, gut, witzig und berührend hin und fordere damit auch eine kritische Beurteilung heraus. Was für ein Glück, dass ich so lässig und selbstsicher hinter der Giraffengeschichte stehe! Ich sehe einige Stellen im Text- und im Bildbereich, an der sie durchaus verbessert werden könnte, aber im Großen und Ganzen möchte ich sie so haben, wie sie ist. Natürlich freue ich mich sehr, wenn ich merke, dass auch die Erwachsenen bei den Lesungen irgendwann lächelnd und in die Geschichte versunken auf die Beamer-Bilder an der Wand gucken, aber wenn jemand alles blöd finden würde, wäre das auch nicht wirklich schlimm. Es würde mich nicht von meinem eigenen Weg abbringen. Vor zwanzig Jahren wäre ich beeinflußbarer und unsicherer gewesen und hätte mehr Wert auf Zustimmung von außen gelegt, heute weiß ich, dass ich das tun muss, was ICH für richtig halte. Auch auf die Gefahr hin, dass ich vielleicht mal die Einzige bin, der es dann noch gefällt.

    Mit dieser Einstellung nehme ich es auch ganz locker, als mir eine Dame gönnerhaft und ein wenig besserwisserisch erklärt, dass die Schrift im Giraffenbuch schlecht gewählt ist, weil Lesenanfänger sie nicht gut lesen können. Nun ja. Ich habe tagelang genau nach dieser Schrift gesucht und finde, dass sie spätestens ab dem 2. Schuljahr sehr gut zu lesen ist. Und das reicht.
     
    Außerdem kommt die Frage nach meiner Ausbildung auf. Nachdem ich letztens schon den Kommentar gehört habe, dass ich ohne entsprechende Ausbildung gar nicht solche Bilder malen könnte und ich das irgendwo gelernt haben MUSS, werde ich jetzt ungläubig gefragt, ob ich nicht wenigstens Grafik oder Kunst studiert habe. Ich könne doch nicht von alleine so zeichnen! Und das Schreiben hätte ich vermutlich im Germanistik-Studium gelernt. Da grinse ich ja breit. Wäre doch zu schön, wenn alle Kunststudenten zeichnen, alle Gemanistikstudenten Romane schreiben und alle Musikstudenten komponieren könnten. Würde im Klappentext meines Buches stehen, dass ich Grafik und Germanistik studiert habe, käme das bei einigen Lesern sicher sofort bedeutend professioneller rüber. Aber eigentlich hätte mir das schon seit vielen Jahren klar sein müssen. Damals hatte ich nämlich meiner achtjährigen Nichte Daniela ein persönliches Kinderbuch gemacht und deren gleichaltrige Freundin betrachtete die von mir gemalten Bilder und behauptete anschließend: “Das hat deine Tante nicht selber gemalt, das hat sie abgepaust!” Eine Aussage, die ich damals schon als Lob hinnahm und die nichts anderes sagte, als: “Das kann sie nicht ohne Ausbildung gemacht haben!” Zum Glück kenne ich Grafiker, die nicht malen und studierte Musiker, die nicht komponieren können. Es muss also auch noch andere Gründe geben, ob man etwas gut kann oder nicht. Und am Ende kommt es doch nur immer darauf an, was als Ergebnis rauskommt.

    In einer Woche geht’s in den Urlaub. Vermutlich wird es eine der 83 Inseln der Vanuatu-Gruppe im pazifischen Ozean werden. Ich suche mir schon mal den Bastrock und die Blumenkette aus der Karnevalskiste und packe die Hängematte ein. Eine einsame Insel ist genau das, was ich in den nächsten Wochen brauche.



    9 - Sonntag, 29. Juni 2008
    Übermorgen geht es auf die Insel. Es wird Zeit. Für mindestens vier Wochen, vermutlich sogar noch etwas länger, bin ich offiziell nicht erreichbar. Ich bin in der Südsee, auf einer einsamen Insel der Vanuatu-Gruppe. Ich weiß nicht mal, auf welcher, es ist auf jeden Fall eine, auf der ich alleine bin und auf der es kein Luxus-Ferien-Ressort mit fünfmal am Tag Buffet gibt. Ich gehe mindestens achtmal am Tag schwimmen und mache abends Lagerfeuer aus Strandholz. Das Meer ist natürlich haifrei.

    Inoffiziell bleibe ich zuhause, fühle mich wie auf meiner einsamen Südsee-Insel und bin meistens nicht erreichbar. Wenn ich mich in meinem total zugewachsenen Garten umsehe, kann es durchaus passieren, dass ich morgens darin verschwinde und tagelang nicht mehr aufzufinden bin. Mental hänge ich dann mit meiner Hängematte zwischen zwei Palmen auf einer einsamen Südseeinsel und höre der Brandung zu. Leider ist es ja nicht so, dass ich mich sofort in meine Gartenlaube setzen und entspannt am nächsten Kinderbuch arbeiten kann. Vorher muss ich die Gartenlaube sommer- und arbeitsfertig machen, das ringsherum massig gewachsene Unkraut etwas auslichten, außerdem den rankenden Wein irgendwie bändigen, den Rasenmäher reparieren und die morschen Bretter in der Vogelvoliere wechseln. Aber ich tu einfach so, als wären das die ersten Arbeiten auf meiner einsamen Insel, auf der ich mir ja auch eine kleine Hütte bauen muss, weil ich ja nicht immerzu in der Hängematte rumliegen kann.

    Übrigens werde ich Mails empfangen und auch abschicken können, vermutlich per Flaschenpost. Die Hauptsache ist, dass ich das Robinson-Gefühl habe und weitgehend ohne Uhr und ohne Verpflichtung lebe. Mein Kalender ist im Juli absolut terminfrei und allein der Anblick der leeren Zeilen entspannt mich sehr.

    Zwei Tage lang schneide ich noch intensiv Videos, dann wandern die Unterlagen für Prinz Ferdinand König und für das Buchprojekt, bei dem ich die Illustrationen machen soll und ein Wechsel-T-Shirt in meinen Rucksack, die Hängematte kommt unter den Arm und ... ich bin dann mal weg! 



    10 - Sonntag, 6. Juli 2008
    Bin auf meiner Insel angekommen. Habe zunächst den Dschungel gelichtet und bergeweise Unkraut und Äste gestapelt. Es gibt hier Wespen. Dafür keine Haie. Inmitten des Dschungels habe ich eine verlassene Laube vorgefunden und wohnlich gemacht. Tagelang körperlich anstrengende Arbeit. Erscheint mir aber als guter Ausgleich zum späteren Liegen in der Hängematte. Ritze jeden Tag eine Kerbe in einen Baum. Weiß auch nicht, warum.

    Soweit mein offizieller Tagebucheintrag. Wenn schon einsame Insel und Robinsonleben, dann auch richtig. Nachdem ich den Garten, der nach wochenlanger Untätigkeit dschungelähnlicher aussieht, als ich will, ein wenig zurechtgestutzt und die Gartenlaube sommerfertig gemacht habe, sind die ersten Inseltage schon rum. Es ist aber gut, wenn ich mich körperlich nochmal richtig anstrenge, bevor ich dann vorwiegend sitzend und konzentriert vor dem Laptop oder Zeichenblock sitze. Im Kopf geht sowieso schon rum, was ich schreiben und zeichnen könnte, aber ich will mich erst darauf konzentrieren, wenn es wirklich los geht.

    Zuerst tropische Hitze, in der ich körperlich arbeite, um die Insel bewohnbar zu machen, dann heftiger Regen, bei dem ich nicht am Tisch sitzen und schreiben kann, weil das Dach der Hütte undicht ist. Muss mir vorerst noch andere Beschäftigungen suchen.

    Da trifft es sich gut, dass einer meiner Lieblingskünstler, der keine Ahnung davon hat, dass ich mich gerade in der Südsee befinde, anruft und ein kurzes Video brauchen kann. Ich freue mich sehr, auch wenn das völlig gegen meine arbeitsfreie Urlaubszeit verstösst. Andererseits passt es perfekt, weil er selber auch manchmal als Robinson unterwegs ist. Robinsone müssen zusammenhalten, sie haben ja sonst niemanden. Außer hin und wieder mal einen Freitag. Außerdem regnet es gerade auf meiner Südsee-Insel.

    Zwischendurch fällt mir ein, dass ich bei der Druckerei unbedingt vor Schreibbeginn das Buchformat und die Seitenanzahl für “Prinz Ferdinand König” klären muss. Kosten 60 Seiten sehr viel mehr als 48 Seiten? Gerade dieses Buch hat ein sehr strenges Konzept und es ist ganz wichtig, dass ich genau platzfüllend arbeite. Ich muss sozusagen ins Layout tippen und so lange an einem Erzählstrang schreiben, bis der dafür vorgesehene Textblock voll ist. Ob das Konzept so aufgeht, wie ich es mir vorstelle, weiß ich nicht. Aber den Plan verwerfen, wenn er sich als undurchführbar erweist, kann ich ja immer noch.

    Während ich noch überlege, ob ich das Prinzenbuch quadratisch oder im A4-Format machen soll, eventuell sogar im Querformat, weil da einige der Illustrationen gut passen würden, treffe ich eine meiner berüchtigten Spontan-Entscheidungen. Mir ist plötzlich klar, dass ich alle meine Bücher im Giraffenbuchformat machen werde. “Weit denken!”, empfahl mir mal mein Lieblings-Hundepsychologe Martin Rütter. “Nicht von vorneherein begrenzen!” Ein Satz, der mich beeindruckt und beschäftigt hat. Und ich denke jetzt weit. Wenn ich alle meine Bücher im 21x21cm-Format machen werde, haben sie zunächst einen Wiedererkennungswert und passen später mal in den großen Komplett-Sammelschuber. Egal ob dicke oder dünne Bücher, ob mit Hard- oder Softcover, ob mit oder ohne CD, sie sind alle 21x21 Zentimeter groß, können formschön nebeneinander im Regal aufgebaut oder später in den dann extra nachkaufbaren Schuber gepackt werden. Wenn das mal nicht SEHR weit gedacht ist! Das passt jetzt auch gut zur Frage, die mir ein Junge sehr interessiert nach einer Lesung an der Grundschule stellte: “Gibt’s von der Giraffe auch anderes als Bücher? Bettwäsche oder so?”

    Sortiere meine Unterlagen und habe vor, eine Geschichte zu schreiben. Bin voller Energie.


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