Als die kleine Giraffe ihre Punkte verlor
Ich mache ein Kinderbuch

Woche 31
- 28.Januar 2007
Ich habe schon wieder eine meine Superideen! Da klag ich noch in der letzten Woche, dass die Urwaldbilder so aufwändig sind, weil so viele Pflanzen gemalt werden müssen, und schon blitzt die Lösung durch meine Hirnzellen: Ein Ausmalbuch! Ich zeichne nur noch die schwarzen Striche vor, ausmalen darf jeder selber. Genial, oder? Nicht nur genial, sondern auch farb- und zeitsparend. Außerdem fördert es die Kreativität der Leser, denn jeder kann selber überlegen, ob er den Affen-Vater lieber grün und die Affen-Tante gelb-rot gestreift haben möchte und dementsprechend aktiv werden.

Was bei der vereinfachten Malweise auch nicht unbeachtenswert ist: Das Buch wird viel preiswerter, denn in der Druckerei werden aus 48 vierfarbigen Seiten 48 einfarbige, was deutlich weniger kostet. Das ist dann auch im Hinblick auf Geschwisterkinder interessant, denn jedes Kind kann dank des geringeren Preises dann sein eigenes Ausmalbuch bekommen und muss nicht den Bruder verkloppen, weil es die Tante lieber in rosa gehabt hätte und in gelb-rot gestreift blöd findet.  

Blöderweise nehme ich meinen eigenen Vorschlag nicht ernst und male selber aus. Vielleicht hatte ich als Kind zu wenig Malbücher und muss das farbige Ausfüllen nachholen, sobald ich schwarze Linien sehe? Nee, Quatsch, mir fällt ein, dass ich Malbücher schon als kleines Kind nicht mochte, weil mir das immer zu langweilig war. Warum male ich dann jetzt selber aus? Um anderen Kindern die Langeweile zu ersparen? Naja, vermutlich, weil ein vorgezeichnetes Bild nicht fertig ist und ich ja lieber Illustratorin, als Linien-Vormalerin bin. 

Zufrieden stelle ich fest, dass ich immerhin mit einer Vermutung völlig Recht behalte: Urwaldbilder machen wegen der vielen Pflanzen total viel Arbeit. Es dauert wirklich Stunden, bis ein größeres Bild keine weißen Stellen mehr hat. Wenn dann alles bunt ist, muss ich den Kontrast noch verstärken, die Schatten dort etwas dunkler machen, die Blattränder da mit etwas Weiß aufhellen und das alles unter der drohenden Gefahr, dass das Wasserglas bei einer ungeschickten Bewegung umkippen und das Bild in einer Wasserlache verschwinden lassen könnte. Bei Aquarellfarben ist so was ungünstig. Ich habe immer behauptet, dass der Beruf des Geheimagenten nichts für mich wäre, aber ist es als Illustratorin wirklich nervenschonender? Besonders, wenn man eine Illustratorin ist, die durchaus mit ungeschickten Bewegungen Wassergläser umkippen könnte?

Können Geheimagenten über ihre erledigten Aufträge eigentlich so grinsen wie ich über meine fertigen Bilder?
Ist “Makiki” ein passender Name für einen weisen Affen oder doch eher für eine Inselgruppe?
Und was passiert sonst noch?



Woche 32 - 4.Februar 2007
Beim Blättern im der regionalen Wochenzeitung lese ich, dass es in der nächsten Woche noch freie Plätze im VHS-Kurs “Märchenerzählen” gibt. Ist das ein Zeichen, auf das ich reagieren sollte? Immerhin will ich demnächst eine Hör-CD aufnehmen, auf der ich die Giraffengeschichte erzähle. Ein paar gute Tipps könnten da vielleicht einen hörbaren Qualitätssprung bringen. Ich grübel etwas, lasse die Idee durch den Kopf gehen und entscheide dann, dass ich es nicht machen werde, weil Märchen doch etwas anderes als meine Kindergeschichte sind.

Ich schlage die Zeitungsseite um und lese auf der nächsten Seite die Meldung, dass auch im VHS-Kurs “Vorlesen” noch Plätze frei sind. Was soll das? Will mich da jemand mit Gewalt auf etwas hinweisen? Diesmal grübel ich etwas länger und gucke im Kalender, ob ich an den entsprechenden Tagen überhaupt Zeit hätte. Ja, hätte ich. Aber andererseits weiß ich, wie ich die Geschichte lesen will und möchte mir nicht meinen eigenen Erzählstil verändern lassen. So wie ich jetzt lese, habe ich schon immer vorgelesen und dabei soll es vorerst bleiben. Jetzt auf Vorlesemängel hingewiesen zu werden und vielleicht unfähig sein sie zu verbessern, würde ganz schön hemmend sein. Nein, ich drucke mir lieber ein selbstgemachtes Zertifikat aus: “Anette Dewitz wird bescheinigt, dass sie völlig fehlerfrei und außerdem total vorbildlich vorliest und alles echt super ist” und das hänge ich mir an die Wand und kann dann selbstbewußt und locker an die Aufnahme gehen.

Bei den Bildern komme ich ganz gut weiter, wenn auch nicht so schnell wie gewünscht. Zwischendurch schreibe ich nämlich auch Berichte, baue ein großes CD-Regal und wandere durch den Garten und überlege, wo ich Terassen anlegen möchte, wenn das Buch mal fertig ist und ich nichts mehr zu tun habe. Außerdem lese ich viel. Das hält natürlich alles etwas vom Illustrieren ab, aber ich will mir keinen Stress machen. Trotz des langsamen Tempos haben die kleine Giraffe und ihre Kameraden inzwischen schon eine wichtige erste Begegnung mit ‘Makiki’, dem Affen, der nach einer Inselgruppe klingt, aber nicht danach aussieht.


Haben meine Kinder die Zeitungs-Anzeigen veranlasst, weil sie jahrelang unter meinem Vorlesestil gelitten haben?
Ist es sinnvoll rhythmisch ausgeprägte CDs zu hören, wenn man mit ruhiger Hand zeichnen will?
Und was passiert sonst noch?



Woche 33 - 11.Februar 2007
Bin ich in der blauen Phase? Mein aktuelles Bild erinnert mich stark an die blauen Pferde von Franz Marc. Es ist aber kein Pferd drauf, sondern eine punktlose Giraffe, mehrere schlafende Affen und Bananenschalen. Reihe ich mich damit schon in die Künstlergruppe “Der blaue Reiter” um Franz Marc und Wassily Kandinsky ein, oder macht es nicht allein die Farbe? Soll ich mein Bild für Ausstellungen zum Thema “blaue Phasen” zur Verfügung stellen oder lieber mit anderen Farben weiter malen bis es fertig und nicht mehr so blau ist?

Natürlich verzichte ich auf die Ausstellungen und male weiter. Hauptsächlich weil ich Angst habe, dass irgendwelche Jugendliche das Bild “Die blaue Giraffe” ansonsten später mal in der Schule interpretieren müssen. Interpretationen zum Thema “Was hat der Künstler sich dabei gedacht” sind total schwer. Ich behaupte ja, dass viele Künstler gar nicht lange denken, sondern einfach machen. Wenn ich selber nicht mal weiß, warum die Affen in dieser Reihenfolge liegen und warum die Giraffe so verdreht schläft, sondern ich einfach losgezeichnet habe und alle plötzlich ihre Positionen hatten, muss das später auch kein anderer erklären können, außer vielleicht mein Therapeut. Und die Bananenschale links vorne liegt da, weil noch Platz auf dem Bild war. So.

Mit ein wenig mehr Farbe sieht alles netter aus, auch wenn es nicht knallig bunt werden soll, weil es ein Nachtbild ist. Ganz schwarz wäre für ein Nachtbild noch echter gewesen und sehr originell. Eigentlich hätte das gut zu mir gepasst. Na, mal sehen, ich kann das Bild ja immer noch schwarz übermalen.

Mit dem “Makiki” habe ich Schwierigkeiten. Von hinten habe ich ihn schon gezeichnet und er ist OK, aber nach drei Versuchen von vorne pausiere ich erstmal. Ich weiß eigentlich, wie er aussehen soll, aber wenn ich ihn zeichne, ist er es nicht. Irgendetwas stimmt noch nicht, aber ich weiß nicht, ob es die Figur ist, der Ausdruck der Augen oder der Charakter. Mein Makiki im Kopf ist ein anderer, als der, den ich zeichne. Ich muss einfach mal ein paar Tage lang andere Sachen machen und dann erneut rangehen. Auch wenn ich durch solche Verzögerungen die geplante Fertigstellung für Mai sehr in Frage stelle, warte ich doch lieber ab, bis ich ihn so habe, wie er sein muss.


Wieso kann ich Bilder, die ich in meinem Kopf sehe, nicht genauso auf Papier bringen?
Hat der ‘Makiki’ ein Eigenleben und wird gar nicht von mir bestimmt, sondern entscheidet selber?
Und was passiert sonst noch?



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