Als die kleine Giraffe ihre Punkte verlor
Ich mache ein Kinderbuch

Woche 40
- 1.April 2007
Woche 40. Jede runde Zahl hat etwas Besonderes, das kommt mir bei der Arbeit an Kinderbüchern nicht anders vor, als bei meinen Geburtstagen. Inzwischen bin ich schon seit vierzig Wochen mehr oder weniger intensiv an der Arbeit. Weil es häufig “weniger intensiv” ist, ist das Ende immer noch nicht in Sicht. Wobei “Ende” in diesem Fall ja “Fertigstellung” bedeutet. Das ist der Unterschied zu Geburtstagen. Da wird man zwar älter, aber nie wirklich fertig. Eine lange Arbeitszeit, an deren Schluß ein Buch liegt, ist dagegen ein Abschluß und gleichzeitig auch ein Neubeginn für etwas ganz anderes. Ob ich das bei meinem 90. Geburtstag für mein Leben auch so sehe, bleibt zu hoffen.

Das frühlingshafte Wetter zieht mich zum Illustrieren nach draußen. Dort sogar in den Schatten, denn die Sonne blendet viel zu stark, wenn ich beim Arbeiten auf ein weißes Blatt gucken muss. Außerhalb des Schattens mit Sonnenbrille zu aquarellieren, halte ich für zu riskant. Das könnte nette Überraschungen geben, wenn ich abends die Brille abnehme und auf übergrelle Farben starre. Die Flower-Power-Giraffe im Psychedelic-Land.

Aber was will ich mehr? Ich sitze draußen, illustriere, es ist warm, die Vögel zwitschern, ab und zu kommt eine Katze vorbei und schnurrt mir um die Beine, neben mir steht eine Tasse Tee und ich höre intensiv CDs. Das Schöne ist, dass ich mich so gut aufs Hören konzentrieren kann, wenn ich illustriere - die Gelegenheit mal wieder Zuhör-CDs einzulegen.

Manchmal fühle ich mich dabei so wohl, dass ich überlege, ob ich nicht komplett hauptberuflich illustrieren sollte. Jeden Tag im Garten sitzen, CDs hören und zeichnen, das wäre doch toll. Aber nach einigen Tagen merke ich, dass ich dabei ganz schön vereinsame und auf Dauer nicht so weltabgeschieden leben möchte. Die etwas einseitige Kommunikation mit dem Vogelgezwitscher und den Stimmen auf den CDs ist mir dann doch zu wenig. Vielleicht sollte ich mir angewöhnen an belebten Orten zu arbeiten, wie zum Beispiel am Hauptbahnhof oder neben der Aldikasse.

Werde ich in Woche 50 das Ende der Arbeit wenigstens schon ganz entfernt sehen können?
Habe ich genug Zuhör-CDs, falls es jetzt länger sonnig bleibt?
Und was passiert sonst noch?



Woche 41 - 8.April 2007
Es ist Frühling und das Wetter ist sommerlich warm. Mein im letzten Jahr mühsam angelegter Grillplatz ist jetzt unbeschreiblich klasse. Ich hocke da oben wie auf dem Dach der Welt, die Blätter rascheln im Wind, die Vögel zwitschern und es kommt nur jemand bis nach oben in meine Einsamkeit gelaufen, wenn es wirklich einen Grund gibt. Kaum habe ich meine Aquarellsachen hochgeschleppt, ausgebreitet und sitze arbeitsbereit am Tisch, da tauche ich schon in die Giraffenwelt ab und verlasse meinen Alltag. Toll! Außerdem ist das Zeichnen im Garten eine sehr gute Abwechslung zum Filmeschneiden, bei dem ich in einem kleinen, abgedunkelten Zimmerchen sitze, was ich momentan auch täglich mache, was mir bei dem schönen Wetter jedoch schwer fällt. Aber die Mischung macht’s. Und auf diese Art wird der Film fertig und es geht beim Giraffenbuch weiter. 

Dschungelbilder mit Pflanzen, Affen und einer Giraffe sehen im schwarz-weissen Tuschezustand sehr verwirrend aus. Aber das ändert sich, sobald die Farbe dazu kommt. Wer im nebenstehenden Bild die Giraffe entdecken kann, wird die sensationelle Feststellung machen, dass sie Punkte hat. Ich will nichts vom Ausgang der Geschichte verraten, aber es könnte glatt sein, dass sie eine Lösung für ihr Problem gefunden hat. Die Frage ist nur, ob das ein sicherer Fell-Endzustand ist, oder ob es erneute Schwierigkeiten zum Beispiel beim nächsten Regen gibt. Vielleicht ist es auch nur eine allergische Reaktion auf Affenhaare, die sich in großen, braunen Punkten zeigt? Ich könnte jetzt noch weitere Vermutungen in den Raum werfen, aber ich könnte auch einfach sagen, dass es nur noch etwa 12 größere und kleine Illustrationen bis zum Ende der Geschichte gibt. Kein Grund zum Jubeln, denn da sind die Illustrationen noch nicht mitgezählt, die ich neu machen möchte. Und das sind mindestens fünf. Vielleicht auch sieben. Oder acht. Mal sehen...

Soll ich erwähnen, dass alleine das bunte Ausmalen des schwarz-weissen Dschungelbildes etwa 3 bis 4 Stunden dauert?
Könnte ich nicht mal einen Schlafsack mit zum Grillplatz nehmen und direkt für drei Tage oben bleiben?
Und was passiert sonst noch?


Woche 42 - 15.April 2007
Zielgerichtetes Arbeiten und eine gute Organisation sind wichtig für eine zügige Fertigstellung des Buches. Wie schade, dass ich mir immer wieder selbst in die Quere komme! Da will ich vorausschauend die einzelnen Hörbuchstimmen als Auszüge aus dem Manuskript vorbereiten, damit ich sie sofort passend zur Hand habe, wenn es demnächst weitere Aufnahmetermine gibt, überschreibe dabei aber meinen kompletten Text und drücke am Ende auf “Speichern”. So werden aus 48 Seiten ganz schnell nur noch 3. Es ist nicht komplett tragisch, denn ich habe eine aktuelle Textversion ausgedruckt auf dem Tisch liegen und eine ältere noch abgespeichert, aber die Zeit, die ich brauche, um die leicht veraltete November-Version in eine korrigierte April-Version zu ändern, hätte ich auch zum Illustrieren verwenden können. Ist mir sowas Ähnliches nicht mal zu Beginn der Arbeit passiert, als ich auf meinem Computer einen vermeintlich leeren Ordner, in dem sich aber der Text befand, leichtfertig löschte? Nun also wieder. Ich lerne anscheinend nicht dazu. Immerhin bin ich dankbar, dass ich die Geschichte jetzt nicht völlig neu formulieren muss und mecker darum nicht mit mir rum.

Das Wetter ist immer noch wie im Sommer und ich fühle mich wie im Urlaub. Hin und wieder werde ich gefragt, warum ich nicht auf die Türklingel reagiere und nicht ans Telefon gehe. Ganz einfach: Ich sitze oben auf dem Grillplatz, höre nichts und male bunte Buffets für das Giraffenbuch. Es gibt kalte Platten mit undefinierbaren Fruchtscheiben, garniert mit seltsamen Pasten und bunten Beeren. Keine Ahnung, was das ist, aber es sieht recht lecker aus, finde ich.

Auf dem sonnenschirmbeschatteten Tisch sammeln sich inzwischen die Illustrationen, und ich könnte bei diesem Arbeitsttempo tatsächlich in absehbarer Zeit fertig werden, wenn es nicht den Monat Mai gäbe. Der ist bei mir so voll mit Terminen und kinderbuchfremder Arbeit, dass die Giraffe dann vermutlich wieder mal still in die Ecke stehen und abwarten muss. Das ist zwar schade, aber ich muss entscheiden, an was ich arbeiten möchte und kann nicht alles gleichzeitig schaffen. ‘Stress vermeiden’ geht am einfachsten durch ‘Arbeit reduzieren’.


Die letzten beiden Sprechrollen für die Hör-CD müssen noch besetzt werden, dann sind alle Charaktere vergeben.
Macht Sonnencreme Flecken auf Aquarellpapier?
Und was passiert sonst noch?


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