Als die kleine Giraffe ihre Punkte verlor Ich mache ein Kinderbuch
Woche 49 - 24.Juni 2007 Überall sehe ich
Giraffen. Auf Plakaten, im Fernsehen und sogar auf Nordseeinseln. Dabei würde ich gerade da nicht unbedingt mit ihnen rechnen, sondern eher mit Seehunden oder Pinguinen. Aber es gibt sie. In fast jedem Andenkenladen aus
Holz geschnitzt, als Stofftier genäht, als gefleckte Tasse mit Hals und Kopf gebrannt und sogar als Ohrstecker “ohne Nickel” in eine samtartig überzogene Plastikplatte gepiekt. Da ich mich prinzipiell dem
Giraffensammeln widersetze, starre ich fünf Minuten lang durch das Schaufenster auf den Ohrstecker und überrede mich dann, ihn zu kaufen. Wäre doch ganz nett, wenn ich ihn am Tag der Buchveröffentlichung am Ohr hätte.
Vor allem so passend. Allerdings widersetzt sich beim Betreten des Ladens der Giraffenohrstecker, stellt viele Kunden und nur einen einzigen Verkäufer hin, so dass ich nach dem Abschätzen der Wartezeit sofort wieder
gehe. Ich will ja sowieso keine Giraffen sammeln. Stattdessen kaufe ich ein Matjesbrötchen und esse es auf. Das nimmt später auch keinen Platz auf dem Regal weg.
Langsam bin ich etwas genervt, weil es nicht mit
Schwung weitergeht. Ich sitze zwar immer mal am Tisch und zeichne, aber diese Affen machen dermaßen Chaos und lassen überall ihren Kram
liegen, dass ich total viel bunt zu malen habe und stundenlang beschäftigt bin. In vielen Bildecken liegen leere Bananenschalen auf dem Boden und sowieso alles, was irgendwie essbar ist.
Als ich mir die Affengruppe ausgedacht habe, saßen die niedlich herum und ich habe nicht darüber nachgedacht, dass sie später ständig essen wollen. Dagegen ist die Giraffe sehr ordentlich und hat
ja sogar ihre Punkte verloren, damit nicht so viel an ihr auszumalen ist. Aber schon der Dschungel mit den vielen Blättern und
Pflanzen bedeutet langwieriges, zeitintensives Ausmalen. Manchmal sitze ich zwei Stunden lang an einem Bild und nachher sieht es nicht viel fertiger als vorher aus. Ich glaube, die nächste
Geschichte geht wirklich nur über ein einzelnes, ordentliches, einfarbiges, wintersschlafendes Tier in der zugeschneiten Arktis.
Leicht genervt bin ich nicht nur, weil die Affen so unordentlich sind und mir damit so viel Kleinarbeit machen, sondern auch, weil ich jetzt nicht nur hin und wieder, sondern lieber SO
RICHTIG am Buch arbeiten möchte. Geht aber nicht, weil ich hier noch Fotos raussuchen muss, dort noch Konzert filmen, da noch dicke Stapel von Papieren von meinem Arbeitstisch in Aktenordner verteile und schon wieder kurzreise. Dabei liegen die Koffer von der letzten Woche noch halb ausgepackt im
Wohnzimmer. Aber geht nicht anders. Umso mehr freue ich mich auf den Juli, der MEIN Monat wird. Keine Termine, keine Verpflichtungen. Und es wäre doch gelacht, wenn ich in dieser Zeit
nicht fast fertig werden würde! Ach ja, bei der Druckerei müsste ich ja noch vorbeifahren, um einen aktuellen Kostenvoranschlag und die Einzelheiten für die Druckvorlagen zu bekommen. Die
haben mich das letzte Mal vor einem Jahr gesehen und denken inzwischen bestimmt, das Projekt wäre schon längst gestorben. Was werden sie sich freuen, wenn ich plötzlich vor ihnen stehe!
Hoffentlich haben sie ihren Betrieb nicht schon seit Monaten auf Postkarten und T-Shirt-Druck umgestellt, dann habe ich ein Problem. So viele T-Shirts kann man gar nicht tragen, wie es Bilder gibt.
Was hat sich das Schicksal für den Juli ausgedacht, um mich vom Buch abzuhalten?
Kann ich mich einfach vier Wochen lang von der tropischen Pflanzenfülle (“Hier musst du aber mal etwas zurückschneiden, Anette, das sieht ja fürchterlich aus!”) meines Gartens verschlucken lassen?
Und was passiert sonst noch?
Woche 50 - 1.Juli 2007
Urlaub!!! Yipie! Es ist Juli, ich höre ab sofort auf zu arbeiten und bin einen ganzen Monat lang weg. Weit weg. In Spanien, Italien, Finnland oder von mir aus Papua-Neuguinea. Pa-Puaaah- -
Neu-Gieneeeah, wie sich das schon anhört. Warm, exotisch, zugewachsen und vor allem weit weg. Gerüchteweise werde ich mit dem Rucksack im Landesinneren unterwegs sein und keinerlei
Handy- oder E-mail-Verbindung haben. Ist ja klar, oder? In Pa-Puaaah-Neu-Gieneeeah gibts nicht überall ein Netz, vom DSL-Anschluss ganz zu schweigen.
Also Urlaub wie gehabt: Offiziell weit weg und unerreichbar, in Wahrheit ungestört zu Hause und diesmal viel mit dem Kinderbuch beschäftigt. Da mein Garten gerade ziemlich zuwuchert,
könnte ich sogar Fotos von mir vor der Forsythie machen und später was von “Dschungel... Papua...” murmeln, was mir jeder nur ansatzweise gutgläubige Angucker sofort glauben würde.
Nebenbei fällt mir gerade auf, dass Papua-Neuguinea so weit weg von mir ist, dass ich nicht mal genau weiß, wo es liegt. Irgendwo bei Australien, glaube ich. Vielleicht sollte ich mich vor
der Reise, die ich ja heute noch antrete, doch mal etwas über mein Ziel informieren. Nicht, dass ich später Quatsch erzähle.
Gibt es eigentlich Guinea Pigs, also Meerschweinchen, auf Papua-Neuguinea? Vom Namen her hört sich das logisch an, auch wenn ich bei Meerschweinchen bisher immer an kleine Snacks aus
dem südamerikanischen Peru dachte. Eine Population von Guinea Pigs auf Neu-Guinea wäre ganz praktisch, denn dann könnte ich eines meiner Meerschweinchen, zum Beispiel Gertrud, öfter mal unauffällig mit ins Bild nehmen. Die brächte dann das exotische Flair, von
wegen “Kontakt mit wilden, aber dennoch zutraulichen Wildtieren, die mir inmitten der Urwälder Papua-Neuguineas begegneten und furchtlos auf den Arm sprangen...”
Ansonsten geht’s mir gut.
Die Illustrationen mussten wegen einiger Arbeiten, die mich tagelang von zu Hause weg führten, mal wieder warten, dafür habe ich am Hörbuch-Manuskript gearbeitet. Einige
Textstellen müssen speziell für die Hörfassung umgeschrieben werden. Meistens können erklärende Zusätze raus, weil sich das von alleine erklärt. Ich muss nicht erzählen: “Die
Affenmutter rief vorwurfsvoll ‘Nein!’”, wenn die Sprecherin ihr ‘Nein!’ perfekt vorwurfsvoll ins Mikrofon ruft und jeder hören kann, dass das die Affenmutter ist. Das Manuskript füllt sich dementsprechend mit Bemerkungen, Anmerkungen, Streichungen und Unterstreichungen. Jeder Sprecher bekommt eine eigene
Farbe unter seinen Text, damit ich den Überblick behalte und es idiotensicher ist. Trotzdem habe ich Angst, dass ich etwas verwechsel, aus Versehen eine Textstelle des Krokodils nicht blau,
sondern gelb unterstreiche und sie dann von der Eidechse sprechen lasse. Wenn ich später alles im Tonstudio zusammen setze, kann das großer, völlig unlogischer Quatsch werden. Ich möchte
nicht wissen, wie blöd ich gucke, wenn mir das dann auffällt. Es bleibt spannend.
Ist es nicht superklasse, dass ich inzwischen zwölf der achtzehn Hörbuch-Stimmen aufgenommen habe? Glaubt mir am Ende des Monats irgendjemand, dass ich die sechs noch fehlenden
Stimmen zufällig im Urwald von Papua-Neuguinea getroffen und sofort mit meinem mobilen Aufnahmegerät aufgezeichnet habe? Und was passiert sonst noch?
Woche 51 - 8.Juli 2007
Um den Überblick zu bekommen, zähle ich die Illustrationen einfach mal durch. Vierzig Stück
sind inzwischen fertig, nur noch 12 Stellen im Manuskript sind leer. Wobei der Begriff “fertig” nur sagt, dass sie “so gut wie fertig” sind, denn ich werde sie nochmal überarbeiten, um
Schatten und Lichter etwas besser herauszuarbeiten. Aber wenn sie für Schatten und Lichter bereit sind, ist die Hauptarbeit geschafft. Nicht mitgezählt habe ich, dass ich ein Krokodilbild
und mindestens ein Dschungelbild nochmal neu machen möchte, aber ich muss mich ja nicht mit aufgezählten Zusatzarbeiten in Depressionslöcher werfen. 40 zu 12 ist ein schönes Verhältnis,
finde ich. Wenn ich jetzt aktiv dran bleibe, kann ich wirklich in den nächsten Jahren fertig werden. Vielleicht sogar in den nächsten Monaten oder gar Wochen! Mein Ziel ist, dass das
Buch spätestens in diesem September druckfertig vorliegt. Das sieht ganz gut aus.
Das Wetter in Papua-Neuguinea ist
ziemlich verregnet, so dass ich lieber drinnen arbeite, was mit heißem Tee herbstlich gemütlich ist. Wie ich später mal logisch erklären soll, warum ich einen großen Holztisch im Urwald herumtrage und wo es so riesige,
tragbare Zelte gibt, in die der passt, weiß ich noch nicht. Ist mir jetzt aber auch egal. Vielleicht hat es sich bis dahin herumgesprochen, dass ich in
Wahrheit gar nicht weggefahren bin. Wenn ich allerdings jetzt mal so überlege, wer mich in diesen Tagen alles anruft, was ich für Termine bekomme und wo ich überall unterwegs bin, hat
es sich anscheinend noch nicht herumgesprochen, dass ich im URLAUB BIN! Vielleicht sollte ich beim Abheben des Telefonhörers zunächst möglichst geschäftsmäßig ansagen: “Guten Tag. Hier
ist der Anschluß von Anette Dewitz. Diese befindet sich zur Zeit auf einer Reise durch Papua-Neuguinea. Möchten Sie trotzdem mit ihr sprechen, kostet Sie jede angefangene Minute
25 Euro. Ab jetzt. Piep.” Vermutlich werfen dann alle den Hörer auf die Gabel, als wäre er kochend heiß und ärgern sich, dass sie das nicht vor dem Piep geschafft haben.
Nebenbei wächst die Hör-CD, bzw. die Datei mit den aufgenommenen Sprecherstimmen. Das Affen-Baby ist allerdings noch knapp in den Urlaub entwischt. Ich werde es erst aufnehmen
können, wenn es erholt zurückgekehrt ist, was einige Wochen dauern wird. Aber das wird noch klappen. Dafür ist einer der anderen Affen jetzt braungebrannt aus dem Urlaub zurück. Mit
dem Affen Makiki vereinbare ich telefonisch noch schnell einen Termin in der nächsten Woche, kurz bevor der in die Sommerfrische geht. Dass es so kompliziert ist eine Affenherde in der
Urlaubszeit zusammen zu bekommen, hätte ich nicht gedacht. Vor allem hätte ich erwartet, dass sie gemeinsam fahren, wo sie doch auch im Urwald immer zusammen rumhocken. Aber was
verlange ich eigentlich von Affensprechern, die sich untereinander zum Teil nicht mal kennen?
Wird es für die Affen spannend, wenn sie auf der fertigen Hör-Cd endlich hören, mit wem sie eine Herde bilden? Kann ich meinen Juli-Urlaub eigentlich einfach bis in den August verlängern?
Und was passiert sonst noch?
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