7. Juni 2001  Köln-Arena

1996 habe ich ein sehr schönes Konzert der EAGLES in der Dortmunder Westfalenhalle erlebt. Ich bin gar kein richtiger Fan, aber irgendwie kannte ich trotzdem viele Lieder und fand den Abend von vorne bis hinten klasse. Besonders “Love will keep us alive”, gesungen von Timothy B. Schmit, hatte mich umgehauen und war zu einem meiner Lieblingslieder geworden. Ich gebe zu, dass es total kitschig und romantisch ist, aber es hat genau meine Tonlage und ich kann herzergreifend mitsingen. (Wenn ich das tue, greift sich Rüdiger auch jedesmal ans Herz!)

Jetzt, knappe 5 Jahre später, hatten wir Plätze in der Köln-Arena. Um 19 Uhr wollten wir uns vor dem Nordeingang treffen. Ich fuhr schon am Nachmittag mit der Bahn nach Köln, schlenderte einige Theater ab, um Karten für die nächsten Berichte zu kaufen und stand um zwanzig vor 6 an der Kölner Oper. Obwohl auf dem Schild stand, dass der Kartenverkauf bis 18 Uhr geöffnet hatte, war schon geschlossen. Blöd. Na, da ging ich eben in Ruhe mal in den WDR-Arkaden stöbern und im ‘Mausladen’ einkaufen. Ich hatte ja noch Zeit. Als ich rauskam, war es zwanzig vor 6. Immer noch. *schluck*. Der Passant neben mir holte extra sein Handy raus um nachzusehen, und bei ihm war es viertel vor sieben. Ich glaubte ihm sofort.

Wer sich in Köln auskennt weiß was es bedeutet, die Strecke von der Oper, durch die Fußgängerzone, am Dom vorbei, über die Hohenzollernbrücke, durch Deutz, bis zur Köln-Arena in schlappen 25 Minuten zu laufen. Ich war wahrscheinlich nur noch an meinem Fahrtwind zu erahnen. Das Schönste war, dass ich die Köln-Arena nicht sofort finden konnte. Kilometerweit sieht man den großen Arena-Bogen, aber kaum läuft man durch Deutz, ist er verschwunden. Ich hörte schon die vergnügten Lacher: “Anette hat die Köln-Arena nicht gefunden!”, da stand ich plötzlich davor.

Wir hatten Karten für den Oberrang. Letzte Kategorie, immer noch über 80 DM teuer, aber mit Blick von ganz oben auf die Bühne. Ich war zum erstenmal in der Köln-Arena und sehr beeindruckt. Gigantisch! Und seltsamerweise von innen noch größer als von außen. Eigentlich mag ich ja solche Riesenveranstaltungshallen nicht, aber es war doch sehr reizvoll. Bevor wir uns allerdings auf unsere Plätze gleich unter dem Dach setzen konnten, kam ein Ordner und tauschte unsere Karten um. Das Konzert war nicht ausverkauft und die Zuschauer vom billigsten oberen Rang bekamen Plätze im unteren Bereich. Wahnsinn! Statt ganz oben rechts saßen wir plötzlich auf den besten Plätzen im Unterrang, mit geradem Blick über das Mischpult auf die Bühne. Das mußte die Preiskategorie von über 200,- DM sein, aber auf unseren Sonderkarten stand  1,-DM. Toll! Ein EAGLES-Konzert auf superguten Plätzen für nur 1 DM! Das glaubt mir keiner! 

Die Köln-Arena war höchstens zur Hälfte ausverkauft. Sehr schade. Soweit ich weiß, passen 20.000 Leute hinein. Die EAGLES hatten also auf keinen Fall mehr Zuschauer als 10 Tage vorher die Wise Guys im Tanzbrunnen. Das fand ich beim Überlegen irgendwie toll.

Um 8 Uhr sollte es losgehen, um viertel nach 8 begannen die ersten Zuschauer zu pfeifen und kurz vor halb 9 war es dann endlich soweit. Es wurde dunkel und unter lautem Jubel kamen sechs Gestalten auf die Bühne. Laut Plakat waren es auf dieser Tour 4 Eagles, aber wir hatten mindestens ein bis zwei Gastmusiker dazu erwartet. Eine Trompete begann sehr spanisch zu spielen und für kurze Zeit stutzte ich und überlegte, ob ich im richtigen Konzert saß. Hörte sich mehr nach einem Folkloreabend an. Dann gingen plötzlich strahlend helle Lichtkegel an und ein beeindruckendes Bild entstand auf der Bühne. Alle Musiker standen sehr ruhig im Licht und als die Gitarren plötzlich in das Vorspiel zu “Hotel California” übergingen, gab es lauten Jubel. Der Hit der EAGLES also sofort zu Beginn des Konzertes. War sehr schön, auch wenn der Klang nicht besonders gut war. Die Bässe wummerten etwas zu stark und der Gesamtklang war ungefähr wie ein zu laut aufgedrehtes Radio bei der Mitternachtsfete. Leicht scheppernd und etwas sumpfig. Allerdings hätte es noch viel schlechter sein können, und was ich an Horrorstories über den Klang in der Köln-Arena schon gehört hatte, ließ mich ziemlich zufrieden sein.

Ich hatte allerdings leichte Probleme, weil sich Bild und Ton bei dieser Distanz so auseinanderschoben. Die EAGLES wirkten auf mich ziemlich unrhythmisch, weil sie sich immer einen halben Schlag zu früh bewegten. Sehr verwirrend. Bis der Ton zwei Kilometer weiter hinten auf unseren Sitzplätzen angekommen war, waren die auf der Bühne schon fast beim nächsten Lied. Aber so ist das nun mal bei Riesenkonzerten. Zwei Großbildschirme zeigten die Musiker auch in Nahaufnahmen und ich vermutete, dass das Bild leicht verzögert ausgestrahlt wurde, denn die Bewegungen waren dort fast wieder synchron. Jedenfalls besser als in echt. Trotzdem ging auf diese Entfernung viel vom Live-Charakter verloren. Es klingt blöd, aber ich glaube, dass man das Live-Gefühl vor dem Fernseher bei einer guten Konzert-Aufzeichnung manchmal besser haben kann, als auf diese große Entfernung live im Konzert.

Es standen übrigens inzwischen 8 Musiker auf der Bühne. Alle schwarz gekleidet und etwas seriös gestylt. Don Henley und Glenn Frey trugen Anzüge und besonders Glen Frey sah aus wie ein Verkaufsleiter einer großen Firma oder auch wie ein Motivationsmanager. Tschakaaa! Timothy B. Schmit fiel etwas heraus, weil er lässiger gekleidet war, tolle lange Haare hatte und irgendwie 10 Jahre jünger als alle anderen wirkte. Der einzige Farbklecks war Joe Walsh, der in grünem Kittel und grüner Hose (und knallroten Schuhen!) wie ein Chefarzt frisch aus dem OP aussah. Wenn man es nett meinte. Eigentlich sah er mehr wie ein Patient frisch aus der Gummizelle aus. Ich freute mich sehr ihn zu sehen, denn er sah zwar inzwischen ganz schön älter, aber dennoch vergleichsweise gut aus. Das erstemal hatte ich ihn vor 9 Jahren aus der zweiten Reihe am Tanzbrunnen bei einem Ringo Starr Konzert gesehen. Damals war er dünn, sah aus wie ein Alkoholiker im Endstadium und war völlig besoffen. Er spielte zwar begnadet gut, aber ich fand es sehr erschreckend und gab ihm nicht mehr lange. Inzwischen hatte er bestimmt 20 Kilo zugelegt, wirkte immer noch ziemlich daneben, aber trotzdem fitter und klarer.

Das Konzert war sehr gut. Handgemachte, hörbare Musik vom Feinsten, oft countrymäßig und typisch für die amerikanische Westküste. Eben EAGLES. Absolut spitzenmäßig der Background-Gesang. Mit vier, fünf oder sogar sechs Leuten sangen sie mehrstimmig, absolut sauber intoniert und es war einfach perfekt. In der ersten Hälfte des Konzertes gab es eine Mischung der Eagles-Hits, die oft schmuseweich und eher ruhig waren. Mein Schmelzpunkt kam, als Timothy B. Schmit “Love will keep us alive” sang. Ich liebe diese Stimme, die Art wie er singt und ich stehe auf langhaarige Männer mit leicht indianischen Gesichtszügen. (Ja, ich weiß, dass Rüdiger dieser Vorstellung nicht ganz entspricht, aber ich sehe ja auch nicht aus wie die hübsche Geigerin von den ‘Corrs’.)

Jeder der EAGLES sang ‘seine’ Lieder und da alle sehr unterschiedliche Stimmen und Musikrichtungen haben, war es schön abwechslungsreich. Bei Don Henley war es eine schöne, ruhige Stimme, Glenn Frey sang viel härter und rockiger, Timothy B. Schmit deckte den Schmusebereich ab und Joe Walsh röhrte richtig los. Inzwischen gab es bis zu 12 Musikern auf der Bühne, darunter 3 Saxophone und 1 Trompete, die supergute Bläsersätze einwarfen. Es gab dadurch aber erstaunlicherweise nicht mehr Durcheinander, sondern nur mehr Volumen und war einfach traumhaft gut.

Auch die Lightshow war sehr gut. Nicht spektakulär neu, aber abwechslungsreich, mit schönen Farben und überhaupt nicht nervig. Seriös wie das ganze Konzert, aber nicht lahm oder langweilig. Genau passend und sehr angenehm.

Nach der Pause ging es überraschend anders weiter. Früher hatte ich mir ältere Musiker auf der Bühne mit rockiger Musik nicht gut vorstellen können, aber diese  machten vielen jüngeren noch was vor. Besonders Joe Walsh, der vom Gesicht her wirklich wie ein Opa aussah, fetzte überzeugend los und röhrte laut ins Mikro. Die Songs wurden heftiger und ich war sehr fasziniert, als bei einem Lied nach einer etwa 2minütigen Improvisation auf der E-Gitarre plötzlich alle 4 Bläser gleichzeitig mit einem mehrstimmigen, jazzigen Satz begannen. Woher wußten die, das der dran war? Ich hätte längst die Orientierung verloren. Aber bei diesen Musikern wurde seit 20 Jahren nichts dem Zufall überlassen. Sehr beeindruckend.

Dazwischen ab und zu noch etwas Softes, wobei ich natürlich mein zweites Lieblingslied von Timothy B. Schmit “I can’t tell you why” nicht unerwähnt lassen möchte. Schrieb ich schon, dass Timothy B. Schmit mit seinen langen Haaren und den leicht indianischen Gesichtszügen sehr gut aussah, schmuseweich sang und genau mein Typ war? (Rüdiger findet übrigens, dass Heidi Klum und Gina Wild auch supergut aussehen.)

Auch der zweite Teil des Konzertes zeigte, dass sehr gute Musiker am Werk waren, die ohne viele Effekte einfach richtige Musik machen konnten. Das würde auch im kleinen Kreis mit Gitarren am Lagerfeuer wirken. Es gab begeistertes Gepfeife und Gejohle, als die EAGLES nach dem letzten Lied winkend von der Bühne gingen und so lange lautes Getrampel von den Zuschauerrängen, bis sie wieder erschienen. Sie spielten noch ein paar Oldies, und es gab einen wunderschönen Abschluß mit “Desperado”, bei dem ganz viele Feuerzeuge sanft hin- und hergeschwenkt wurden. Ein wirklich lohnender Abend!

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