30.Juni 2001, Senftöpfchen, Köln
Kleine & Linzenich
“Deutschstunde”

Das Kabarett feierte seinen 100. Geburtstag (Hääh? Wer sagt das?) und zur Feier des Jahres gab es ein Sonderprogramm von Nikolaus Kleine und Ferdinand Linzenich im Kölner Senftöpfchen. Ein Abend voller Klassiker aus 16 Jahren ihres Bühnenprogrammes, von denen ich die meisten wahrscheinlich kennen würde. Aber egal, Kleine & Linzenich finde ich auch in der Wiederholung immer lohnenswert. Neu war für mich jedoch der kleingeschriebene Zusatz am unteren Rand des Programmzettels: “Verbraucherinformation zum Gastspiel im Senftöpfchen”. Las sich so richtig schön amtlich. Auch die Servierfräuleins waren an diesem Abend ungewohnterweise Herren. Ging aber auch.

Wie erwartet wurde es ein sehr schöner Abend mit Texten von Kästner, Tucholsky, Ringelnatz und weiteren Autoren. Kleine und Linzenich trugen die Texte mal lustig, mal melancholisch vor, aber immer mit großer Überzeugungskraft und sehr kurzweilig. Zwischen den Programmpunkten große Freude beim Publikum, wenn die Herren  übereinander herzogen und auf eine scharfe Bemerkung die nächste folgte. Auch das Publikum wurde nicht verschont. Ferdinand Linzenich kündigte an, dass eine Zuschauerin auf die Bühne müsse und sah sich die Damen in den ersten Reihen aufmerksam an. “Ich bin auf Opfersuche. Es hat keinen Sinn auf den Boden zu schauen!” Gequältes Lächeln in den vorderen Reihen, herzhaftes Lachen von den hinteren Rängen. (Ich saß in der Mitte, wo es gerade etwas dunkler war, und fühlte mich sicher genug, um laut lachen zu können.) Eine Dame ganz vorne wurde lange fixiert und endlich mit einem gemein gegrinsten: “Aber ich nehme Sie nicht!” erlöst.

Die Stimmung im Publikum schwankte sehr gekonnt gesteuert zwischen albern und ernst. Wobei mir die ruhigen Töne in diesem Programm fast etwas zu wenig waren. Allerdings hätte ich auch nicht gerne auf die darstellerischen Glanzleistungen von Ferdinand Linzenich verzichtet, der bei Bedarf überzeugend und zum Schreien komisch ein junges Reh, eine Schnecke, einen Holzwurm, oder sogar einen alten Karpfen darstellen konnte. Je lauter das Gelächter wurde, desto mehr drehte er auf. Beneidenswerter Mut zur Häßlichkeit. Aber er konnte es sich leisten, denn sobald er mit den Grimassen aufhörte, sah er absolut seriös und meilenweit entfernt von albernem Verhalten aus.

Kurz vor der Pause gab es Wilhelm Busch als Operette (angeblich in Cis-Dur), und es war nicht gerade schön, aber gnadenlos gut. Besonders Nikolaus Kleine in einer Stimmlage, die ungefähr Countertenor sein sollte, reizte die Lachmuskeln extrem. Am Flügel sehr schön begleitet wurden sie von Bernd Speier, der an diesem Abend aber eher selten zum Einsatz kam.

Nach der Pause war das Publikum perfekt aufgetaut und fühlte sich in dem kleinen Saal wie im eigenen Wohnzimmer. Leider war das auch oft zu hören und ich habe selten ein so lautes Publikum erlebt. Es war nicht unaufmerksam, aber auch nicht gerade rücksichtsvoll. Immer wieder hörte man lautes Gläserklirren, Gehuste und -besonders ärgerlich- lautes Räuspern in den schönen, wirkungsvollen Textpausen. Auch ein Bonbon wurde mitten im Vortrag mit lautem Geknister sehr sorgfältig ausgepackt. Schade. Dafür lachten die Zuschauer aber auch laut und ebenso hemmungslos, wenn es lustig wurde. Besonders ein Typ in den Reihen hinter mir wiederholte amüsiert und mit sehr lautem Gelächter alle witzigen Bemerkungen und lachte sich darüber fast kaputt. Das war dann  fast schon wieder klasse zu erleben, wie er als ‘Neuhörer’ auf Kleine & Linzenich reagierte und sich dabei nicht beherrschen konnte. Er hatte eindeutig viel Spaß an diesem Abend.

Als Nikolaus Kleine auf einmal Textunsicherheiten zeigte, wurde ihm von seinem Partner laut vorgesagt und er bekam ein strenges: “Bis morgen 50 mal aufschreiben!!” hinterher. Dafür platzte dann später Nikolaus Kleine in den Applaus für Ferdinand Linzenich, verbeugte sich und rief frech: “Danke!!” Es gab also viel zu lachen und nach der üblichen, wirklich unverzichtbaren Schlußnummer “In 50 Jahren ist alles vorbei”, gab es nach dem begeisterten Applaus natürlich noch eine Zugabe. “Sybille” brachte als Rap mit Tanzeinlage nochmal Stimmung und weil das Publikum weiter begeistert klatschte, kam noch eine Extra-Zugabe hinterher. Die allererste Kleine & Linzenich Zugabe bei ihrem allerersten Programm: Eine Strophe “Ritter Fips” von Heinz Erhardt. Die wurde natürlich meisterhaft von Ferdinand Linzenich ‘gelebt’ und dann war endgültig Schluß und ein sehr begeistertes Publikum erhob sich von den Plätzen.

Fazit: Ein sehr schönes, interessantes, kurzweiliges, ernstes, lustiges Programm, von dem ich mindestens 80% schon kannte, weil ich so oft zu Kleine & Linzenich gehe. Aber das war überhaupt kein Problem, denn die beiden kann ich mit viel Vergnügen mehrfach genießen und bewundere immer wieder ihre Art der Darstellung. Außerdem werde ich mich jetzt mal nach einem Gedichtband von Mascha Kaleko umsehen, deren Texte ich sehr beeindruckend finde und von der ich nach den schönen Vorträgen von Kleine & Linzenich gerne mehr kennenlernen würde.

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