10. Juni 2002, Pantheon-Theater, Bonn
45. WDR Kabarettfest
Thomas Gsella, Hinz & Kunz, Reiner Kröhnert,
Thomas Maurer, N8chtschicht
Moderation: Jürgen Becker

Wieder einmal saß ich im Bonner Pantheon beim Kabarettfestival, und wieder einmal kannte ich keinen der auftretenden Künstler. Den ein oder anderen Namen hatte ich zwar schonmal gehört, aber damit verbinden konnte ich nichts. Außer natürlich mit Jürgen Becker, aber der trat ja nicht richtig auf, sondern war der Moderator des Abends. Immerhin konnte ich mich auf die Qualität seiner Zwischenmoderationen verlassen und freute mich darauf.

Es ging gleich los mit seiner Erklärung, dass der große Raum, den man in der Woche zuvor im Fernsehen bei der 15-Jahre-Pantheon-Gala sehen konnte, gar nicht das Pantheon war, sondern die Beethovenhalle. Das Pantheon wäre dagegen dieser kleinere Raum mit den Ikea-Stühlen, die ihre Sitzfläche pro Jahr um 2% neigen. Großes Gelächter im Publikum, weil die Klapp-Stühle wirklich durch die inzwischen leicht nach vorne geneigte Sitzfläche nicht so bequem waren und immer wieder ein Korrigieren der Sitzposition erforderten. Neue Stühle waren aber schon in Planung versicherte Jürgen Becker erfreut.

Erster Künstler des Abends war Thomas Maurer aus Österreich. Er brauchte erstmal einen Schnaps und dozierte dann mit unüberhörbarem Wiener Dialekt über die Hundescheiße, in die er getreten war. Er machte in den Sätzen manchmal etwas zu lange Pausen, sprach dann aber wieder sehr schnell und war dann mit dem Dialekt ab und zu schwer zu verstehen. Etwas zäh und es wirkte noch sehr auswendig gelernt. OK, alle Kabarettisten haben ihr festes Konzept, aber irgendwie wirken manche trotzdem spontaner. Dabei fand ich Thomas Maurer wirklich sehr sympathisch und hätte ihn gerne sehr gut beurteilt, aber es war halt alles ein bißchen lang für eine Kabarettnummer und die richtig guten Sachen gab es nur vereinzelt. Das Publikum war ziemlich ruhig, lachte aber freundlich auch über die sanften Witze. Allerdings kamen seine Sachen zum 11. September nicht so gut an. Irgendwie haben die Anschläge zu tief geschockt, da kann man dann doch noch nicht darüber lachen, wenn sein Hund die Berichte und Livebilder vor dem Fernseher beneidenswert locker weggesteckt hatte. Am Ende seines Auftrittes guckte Thomas Maurer erschrocken auf die Uhr: “Ach, ich wollte eigentlich was anderes erzählen!” und ein lautes “Schade!” kam aus den hinteren Reihen. Ja, fand ich auch auch, hätte er besser machen sollen.  So war es ganz nett, nicht so schlimm wie es sich vielleicht hier liest, aber nur manchmal richtig gut, jedoch ausbaufähig.

Jürgen Becker lockerte die Stimmung wieder auf und kündigte das Duo Hinz & Kunz an, das aus einem Düsseldorfer und einem Kölner bestand. Das Publikum reagierte mit einem lauten, staunend-amüsierten “Oooooooh!” und Hinz kam auf die Bühne. Nicht sehr groß, mit Glatze und ganz korrekt mit Frack, Fliege und Gamaschen bekleidet. Sehr aufgedreht und betont lustig hatte er ein schmieriges Alleinunterhalter-Grinsen drauf und ich guckte schon ziemlich skeptisch, als sein größerer Kollege Kunz auf die Bühne schlurfte. Ab da gefiel es mir, denn im Gegensatz zu Hinz hatte er einen zerknitterten Anzug an, das Hemd war offen und die längeren Haare wirr. Wie nach durchzechter Nacht mit dickem Kopf eben aus dem Bett gekommen. Sie brachten ein witziges Programm mit sehr gut gemachter Musik, beindruckend toller Mouthpercussion, lustigen Einlagen und einem Sing-Wettstreit von linker und rechter Zuschauerhälfte im Pantheon. Sehr abwechlungsreich, kurzweilig und amüsant. Am Ende griff Kunz zur Geige und zu meinem größten Erstaunen spielte er total klasse. Wow! Die Geige hatte einen jiddisch klagenden Ton, Kunz spielte immer schneller und ich fand es wunderschön. Sehr lauter, begeisterter Beifall und Jürgen Becker kam und bezeichnete sie als “Symbiose aus den Toten Hosen und André Rieu”. Als Frage blieb offen, wer von den beiden der Düsseldorfer war.

Reiner Kröhnert war dran und den kannte ich doch aus dem Fernsehen. Er war als Angela Merkel verkleidet, stand lang, dünn und gebeugt in Rock und Blaser da, hatte eine blonde Perücke auf dem Kopf und einen selten dämlichen Gesichtsausdruck. Schon vom Ansehen konnte man Lachanfälle bekommen und die kurze Nummer wäre auch ohne Text witzig gewesen.

Der nächste in der Runde war der Autor Thomas Gsella. Hochgewachsen und schmal saß er en einem kleinen Tisch und las aus seinen Werken vor. Es gab Sportzitate, kleine Gedichte, längere Gedichte, kurze Geschichten und mal waren sie superwitzig, mal nicht. Es waren richtig überraschende Knallerverse wie bei Heinz Erhardt dabei, das Publikum lachte schallend los, aber es gab auch Sachen, auf die es kaum eine Reaktion gab. Ich fand die Texte sehr gut gemacht, für die Bühne zum Teil aber zu ruhig. Dazu kam vielleicht auch die ruhige, seriöse Art von Thomas Gsella, der vom Ansehen nicht zum Lachen reizte, sondern sehr nett und eben wie ein Redakteur bei der Arbeit an seinem Tisch saß. Durch die unterschiedlichen Texte gab es aber genug Abwechslung und blieb meistens kurzweilig.

Umgezogen und jetzt in schwarzem Anzug kam Reiner Kröhnert auf die Bühne zurück. Irgendwie sah er immer noch wie Frau Merkel aus, nur eben im Anzug. Er brachte die Diskussionsrunde “Sieben gegen Schröder” und war alle Personen abwechselnd. Superklasse wie er bei jedem Wechsel Haltung und Mimik veränderte und mit täuschend echter Stimme parodierte. Ich nahm ihm, obwohl er fast zwei Meter groß war, den kleinen Herrn Blüm sofort ab und als er zu Genscher wurde und die Stirn in Falten zog, bildete ich mir fast ein, dass auch die Ohren größer wurden und nach vorne kamen. Bei seinen Texten zeigte er fundiertes Wissen, aber sie waren fast etwas zu lang und irgendwie zu echt. Ich kam mir manchmal vor, als säße ich wirklich bei einer Talkrunde dieser Politiker. Aber alles sehr verblüffend und wirklich gut gemacht.

Jürgen Becker kam zur letzten Zwischenmoderation und gab eine fast schon traurige Meldung ab: Es war seine letztes Kabarettfest als Moderator. Ein enttäuschtes “Ohhhh” zog durch die Reihen, aber ehe es sentimental werden konnte, versprach er einen guten Nachfolger, der aber bis zur nächsten Aufzeichnung im September geheim bleiben würde. Trotzdem sehr schade, denn damit ging eine schöne Ära zu Ende. *schnief

Letzter Programmpunkt war die  Gruppe N8chtschicht, bei denen ich mich über die Inkonsequenz beim Namen wunderte. Das müsste doch logischerweise N8schicht heißen und nicht N-acht-chtschicht. Solche Sachen können blonde Frauen zur Verzweiflung bringen! Sie begannen mit Musik, spielten dann lange Sketche vor und es war wirklich sehr gut gemacht und witzig. Besonders der gespielte Witz mit zwei Besoffenen, die mit schwerer Zunge diskutierten, aber trotzdem sehr nett und richtig niedlich waren, kam wunderbar an. Die Texte der Lieder fand ich persönlich etwas enttäuschend einfach, aber am Schluß sangen sie zu viert sehr kraftvoll ein a-cappella-Stück und das war wirklich klasse.

Zum Abschluß kamen nochmal alle auf die Bühne und mir fiel plötzlich auf, dass nur Männer dort standen. Gut, bis auf Frau Merkel, aber die war ja nicht echt und stand im Anzug da. Es gab guten Applaus, auch wenn ich ehrlich zugeben muß, dass mich nichts so richtig vom Hocker gehauen hatte. Es war ein interessanter Abend mit einigen sehr guten Lachern, vielen schönen Lachern und einigen langen Stellen. Trotzdem nicht umsonst, denn die Karten hatten 15 Euro gekostet. Stopp! Das war jetzt nur ein blöder Witz, der mir gerade durch den Kopf ging. Nicht ernst gemeint! *grins* Irgendwie hatte ich gerade einen humoristischen Anfall. Der Abend war schon OK und ich habe mich gut unterhalten. Außerdem war es zufällig der letzte mit Jürgen Becker und allein deshalb war es schön, dabei zu sein.

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