GUILDO HORN
16.8.2004  Bierbörse Leverkusen      (Fotos von Anette & Rüdiger Dewitz)

Nein, ich werde nicht plötzlich zum Guildo-Horn-Fan, ich bin nämlich schon lange einer. Dass mein erstes Live-Konzert erst vor drei Wochen stattfand und jetzt sofort mein zweites, lag eher an den günstigen Terminen, die plötzlich in meiner Nähe waren. Guildo Horn fand ich schon lange vor seiner Grand-Prix-Teilnahme in Birmingham gut, aber die Konzerte danach habe ich mir lieber gespart, denn der Rummel, der damals um ihn gemacht wurde, versprach einen Haufen durchgedrehter Fans, auf die ich locker verzichten konnte. Spaß ist ja schön, aber manche Leute werden gleich zu militanten Hardcorefans, die dann überhaupt keinen Spaß mehr verstehen.

Die Bierbörse in Leverkusen war irgendwie gigantisch. Zunächst musste man gigantische Umwege fahren, um auf den Parkplatz in der fast komplett abgesperrten Innenstadt zu kommen, dann gab es gigantisch viele Menschen, die sich zwischen den vielen Bier- und Imbissbuden bewegten, und auf der Wiese ein gigantisch großes Zirkuszelt, in dem das Konzert stattfinden sollte. Ich fühlte mich etwas unwohl, als wir uns langsam im Strom der vielen Leute über das Gelände bewegten, denn die Bierbörse war nicht meine Welt. Zu viele Leute, zu viel Bier, zu viel Gegröle. Auch mein Gatte stöhnte leise vor sich hin und war sichtlich genervt. Im Zelt war es zum Glück noch ziemlich leer und wir hatten sofort einen Platz in der zweiten Reihe. Eine knappe Stunde Wartezeit bis zum Beginn des Konzertes lag vor uns, aber ich ging davon aus, dass es nicht pünktlich anfangen würde. Nicht, dass ich das gut fand, aber es schien bei Guildo Horn normal zu sein.

Das Zirkuszelt sah auch von innen klasse aus und war wirklich unglaublich groß. Nach und nach kamen immer mehr Leute hinein, und es wurde voller. Ein kleiner, schmaler Junge, schätzungsweise acht oder neun Jahre alt, landete mit seiner Mutter in unserer Nähe und mehrere Leute winkten ihn nach vorne, damit er sich an das Absperrgitter stellen konnte, um überhaupt etwas zu sehen. Dort standen einige Frauen, die zum Teil T-Shirts mit aufgedruckten Guildo-Fotos trugen und sich dadurch als wahre Guildo-Fans kennzeichneten. Knallhart und ohne Zögern weigerten sie sich den Jungen nach vorne zu lassen. “Nee, hier nicht!” hieß es kategorisch, und als Argument kam: “Das ist viel zu gefährlich, weil hier gleich gedrängelt wird.” “Supernette Fans!” quetschte mein Mann durch seine Zähne und guckte verächtlich, während ich den Kopf schüttelte und mir dachte, dass es eben etwas anderes ist von “Gemeinschaft” und “Wir haben uns alle lieb” zu singen, als es zu praktizieren. Der Junge war total nett, lächelte freundlich und versuchte mit seinen knappen 100 cm Größe irgendwie über die fest geschlossene Frauenrücken-Wand von etwa 180 cm Höhe vor ihm zu gucken. Hey, der ging mir nicht mal bis zum Ellenbogen und es wäre wirklich kein Problem gewesen so ein schmales Persönchen vor sich am Gitter zu haben! Naja, was so ein richtig verbissener Hardcorefan ist.... Dass ich kurz danach ein noch ausgeprägteres Modell erleben sollte, wusste ich da noch nicht.

Die letzten Stücke der Vormusik liefen vom Band und Bill Haley sumpfte mir mit ‘Rock around the clock’ um die Ohren. “Wegen DER Aufnahme hätte HiFi nicht entstehen müssen“, stellte mein Gatte mit gequältem Gesichtausdruck fest und grübelte: “Ich weiß gar nicht, wo man so eine schlechte Aufnahme herbekommt.” Mit nur 15 Minuten Verspätung ging die wunderschöne Böttcher-Winnetou-Musik los, die den Beginn des Guildo-Konzertes ankündigte. Die Scheinwerfer über der Bühne blitzen auf, drehten sich farbig, und der Junge vor mir blickte hoch, sah sich die Farben über seinem Kopf an und strahlte: “Wie eine Sonne!” Der war auch ohne Guildo schon begeistert. Außerdem hatte er uns vorher verraten, dass er Guildo gerne als Vater hätte. Hätten die weiblichen Fans gewußt, dass das fast Guildo’s Sohn war, den sie vom Bühnenblick ausgeschlossen hatten, hätten sie ihn höchstwahrscheinlich sofort liebevoll nach vorne gehoben und durchgehend mit Schokolade gefüttert.

Das Konzert ging mit ‘Ti amo’ los, und die Stimmung war sofort klasse. Mein bis dahin angenervter Gatte sang bestens gelaunt mit und hatte lachende Augen, und ich hob zwischendurch den netten Jungen hoch, der dann völlig fasziniert und mit leuchtenden Augen dem Geschehen auf der Bühne zusah. Guildo schwitzte und hatte sich sehr schnell seiner Oberkörperbekleidung entledigt, wodurch man noch viel besser sah, wie sehr er schwitzte.


Die langen Haarzipfel klebten an Kopf und Schultern, der Schweiß floß über den Körper, und der ganze Guildo Horn tropfte wie gerade im Freibad aus dem Wasser aufgetaucht. Manche Leute haben damit ja ein Problem und finden es eklig, oder ungepflegt, oder einfach nur Igitt, aber ich mag das. Der setzt sich voll ein, macht eine tolle Show und schwitzt eben wie Sau. Ich mag das genauso wie seinen kleinen Speckring am Bauch, sein nettes Lächeln in den Augenwinkeln und seine tolle Stimme. Lieber Waschbär- als Waschbrettbauch.

Als kurzer Gaststar kam der Boxer Henry Maske auf die Bühne und sang nicht mal schlecht und sehr geschickt gewählt ‘Drink doch ene mit’, wobei ihn Guildo Horn, die Band und das Publikum begleiteten. Dieses Lied im Rheinland und dann noch bei der Bierbörse konnte nicht schiefgehen. Außerdem war Henry Maske sehr sympathisch und wurde schon alleine für sein Erscheinen laut umjubelt. Ein sehr schöner Auftritt!


Kurz danach kam Jens Streifling auf die Bühne, der für Furore gesorgt hatte, als er von BAP zu den Höhnern gewechselt war. Das waren natürlich etwas unterschiedliche Musik-Gesinnungen, und jetzt kam er als Gast zu seinem Freund Guildo, griff abwechselnd zum Tenorsaxophon, der Gitarre oder der Mandoline und hatte Spaß. Das war auch der Zeitpunkt, zu dem ich das noch ausgeprägtere Hardcore-Fan-Modell erleben konnte. Es trampelte mir nämlich rücksichtslos über die Füße und rempelte mit starrem Blick zur Bühne an mir und dem kleinen Jungen vorbei, um einen Meter näher an Jens Streifling zu kommen. Das Fan-Modell war weiblich und überhaupt nicht mehr ansprechbar, weil es hektisch loswinkte, sobald der Mann ihrer Träume auch nur ungefähr in ihre Richtung blickte. Guckte er zur anderen Seite, hörte ihr Winken und Lachen auf, um verstärkt und angespannt einzusetzen, sobald er den Kopf drehte. Es war klar zu erkennen, dass der Begriff ‘Fan’ von ‘fanatisch’ kommen musste. Sie winkte: “Hallo!! Hier bin ich!! Hier!! Sieh mich an!” und ich dachte nur: “Hilfe! Hat Jens Streifling das verdient?”


Zum Glück wechselte er nach dem Lied seine Position auf die andere Bühnenseite und das Fan-Modell quetschte sich energisch durch die Massen, um dort in seine Nähe zu kommen.

Um so auszusehen wie Guildo Horn machte die inzwischen gigantisch angewachsene Menge von Zuschauern unter seiner Anleitung Übungen, kreiste die Arme, machte Hasenohren oder bildete mit den Händen eine Zipfelmütze auf dem Kopf. Hemmungslos machte ich mit und hatte eine Menge Spaß. Der kleine Junge sah mit verwunderten Augen zu, wie sich die Erwachsenen um ihn herum zum Affen machten, aber ich hatte das Gefühl, dass er das unerwartet gut fand.






Tobias Künzel von den Prinzen kam als dritter Gast auf die Bühne, und er hatte immer noch kein Krönchen auf dem Kopf, dafür aber gewagt gemusterte Kleidung, die zu einem Guildo-Horn-Konzert passte. Zehn Tage vorher war er in Berlin beim Wuhlheide-Konzert sehr nah an mir vorbei gegangen - was heißt gegangen, wir strichen unter leichter Berührung aneinander entlang, was aber nicht an romantischen Anwandlungen oder einer übergroßen Zuneigung lag, sondern nur an einer engen Wegstelle zwischen Bühne und Cateringpavillon. Ich vermute nicht, dass ich ihm irgendwie im Gedächtnis geblieben bin und mir war damals auch nur sofort aufgefallen, dass er kein Krönchen trug, obwohl er ein Prinz ist, was aber auch keinen besonders schlauen Gedankengang zeigte. Den Prinzenauftritt hatte ich in Berlin verpasst, weswegen Tobias wahrscheinlich netterweise gekommen war, um das zum Teil beim Guildo-Horn-Konzert nachzuholen.


Es gab zwei fetzige Beatles-Lieder zu hören, ‘Komm gib mir deine Hand’ und ‘Sie liebt dich‘, und während ich nur laut mitsang, konnte mein Gatte sogar die zweite Stimme liefern. Klasse. Machte richtig Spaß!


Dass sie danach ‘Dich gibt’s nur einmal für mich’ von den Flippers schmachteten, war auch völlig in Ordnung. Normalerweise flüchte ich sofort vor Schlagern, aber bei Guildo Horn war das richtig gut gemacht und es gefiel mir. Wahrscheinlich, weil die Musik dazu fetzig war und weil ich nicht das Gefühl hatte, dass mich jemand mit tropfendem Schmalz zusülzen wollte. Guildo war in Wahrheit ein Rockmusiker, der auch die Schlager als Musik, und nicht als seichtes Gelalle bringen konnte. Dass der Sound am Abend generell etwas sumpfig war und scheinbar auch Guildo oft Probleme hatte über die Monitorboxen gut zu hören, war schade. Gegen Ende des Konzertes gab es manchmal seltsame Klänge, so als ob das Keyboard eine andere Tonart, als die restlichen Musiker spielten. Sehr verwirrend, aber da Guildo kräftig und sicher weitersang, versuchte ich diese schrägen Geräusche zu überhören und alles auf den leicht matschigen Klang zu schieben. Richtig schlimm fand ich es nicht. (Der gleiche Klang bei einem Wise Guys Konzert, und ich wäre ausgeflippt! *grins* Aber bei Band mit lauter Musik kann man das hinnehmen.)

Nachdem Guildo todesmutig auf einen nicht wirklich gut abgesicherten Boxentrum geklettert war und von dort aus ‘Amarillo’ in die mitsingende Menge schmetterte, kam er sogar heil wieder runter und es gab noch viel Liedgut, Schweiß und gute Laune.


Der kleine Junge war müde geworden und hatte das Konzert gähnend, aber mit strahlenden Augen vorzeitig verlassen, die Zuschauer im Zelt hopsten wild und sangen laut mit, und Guildo tobte ungebrochen über die Bühne. Der Jens-Streifling-Extrem-Fan kam nochmal über meine Füße getrampelt, als sich der Angebetete auf die andere Bühnenseite begab, irgendwelche stark angetrunkene Leute drängten nach vorne und hätten damit fast einen Domino-Umkippeffekt im Publikum erreicht, ließen sich aber durch sofortige Prügelandrohung einschüchtern, und meine Energie ließ langsam nach. Schließlich hatte ich auch lange Zeiten hindurch den Jungen hochgehoben, damit er über die Köpfe der supernetten Fans in der ersten Reihe gucken konnte. Ich sang noch mit, fand alles klasse, freute mich aber im Geheimen auch schon auf das Ende des Konzertes.











Mit Blumen für die zwei Gäste, Henry Maske hatte die Veranstaltung schon verlassen müssen, kam es nach 2 Stunden und 45 Minuten pausenlosem Konzert zur letzten Verbeugung. Guildo Horn und die orthopädischen Strümpfe kamen im Tanzschritt nach vorne, winkten nochmal unter dem Gejohle und den schrillen, begeisterten Pfiffen des zahlreichen Publikums und gingen dann ab. Auch wir gingen ab.

Es war ein langer Abend, das Konzert ein voller Erfolg mit tollen Gästen, und ich fand Guildo Horn immer noch total klasse. Es war nicht mein letztes Konzert, allerdings werde ich die Leverkusener Bierbörse dann doch eher vermeiden und mir einen etwas kleineren, ruhigeren Veranstaltungsort suchen. Die Stimmung war zwar sehr gut und oft gellend laut, aber ich mag es lieber in einer etwas kleineren Ausgabe.


Und als Nachtrag: Es gibt auch total viele nette Guildo-Horn-Fans! In der zweiten Reihe standen zum Beispiel einige davon, die dem kleinen Jungen immer wieder Platz gemacht und darauf geachtet haben, dass er etwas vom Konzert sehen konnte. Wahrscheinlich sind auch die Fans in der ersten Reihe furchtbar nett, wenn man nicht gerade verlangt, dass sie ihren Platz am Absperrgitter aufgeben und einen schmalen 100cm-Jungen vorlassen sollen. Und sogar der Jens-Streifling-Extrem-Fan ist ganz sicher immer supernett, wenn er nicht Jens Streifling vor Augen und Füße im Weg hat. Und sogar ich kann nett sein. Bei manchen Leuten will ich das aber gar nicht.

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