Lehrerfortbildung mit drei Bläck Fööss 26.4.2007, Köln
Die kölsche Sprache ist im Rückzug, und weil es viele Jahre als ungebildet galt, wenn man Kölsch redete, verloren viele Kinder in der Kölner Gegend den Bezug zum Dialekt. Dabei steckt
gerade in dieser Sprache viel von der kölschen Mentalität und Lebensweise. Inzwischen gibt es an Schulen viele Kölsch-AGs und auch das Schulamt der Stadt Köln fördert die
Brauchtumspflege und das Erlernen der kölschen Sprache.
Eng mit der kölschen Sprache verbunden sind schon lange die Bläck Fööss, die in Köln
Kultstatus haben und deren Lieder nicht mehr wegzudenken sind. Es ist ein Irrtum die Bläck Fööss nur mit dem Karneval in Verbindung zu bringen, denn ihre Klassiker werden das ganze
Jahr über gespielt und gehören für die Kölner zur Stadt wie der Dom. Drei Mitglieder der Bläck Fööss, der Bassist Hartmut Priess, der Gitarrist Bömmel Lückerath und der Sänger Kafi
Biermann arbeiten seit mehreren Jahren mit dem Schulamt und dem Arbeitskreis “Kölsch Levve, Sproch un Tön” zusammen, um Schulkindern die kölsche Sprache näher zu bringen. Bei
Kindern geht das am einfachsten über Musik. Was liegt näher, als mit ihnen kölsche Lieder zu singen? Da die meisten Lehrer aber selber kein Kölsch sprechen können, brauchen sie
Anleitung und Unterstützung, die sie bei den drei Fööss in einer Fortbildung zum Thema: “Wie bringt man Grundschulmäusen Kölsche Lieder bei?” bekommen können. Obwohl ich keine
Lehrerin bin, setzte ich mich an einem sommerlichen Nachmittag zwischen viele Pädagogen in die Aula des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums in der Kölner Innenstadt und liess mich fortbilden.
Die Unterlagen zum Seminar hatte ich am Eingang bekommen: Ein Notenheft mit 20 Liedern, die sauber notiert und mit Akkorden und den kompletten Texten versehen waren. Im Anhang
gab es sogar noch ein Wörterbuch, in dem einige kölsche Wörter übersetzt wurden und abschließend alle Texte in perfektem Hochdeutsch. Dialektunkundige Lehrer konnten dort
nachsehen, von was sie überhaupt sangen. Während sich die Aula mit vielen Lehrerinnen und einigen Lehrern füllte, setzten sich die drei Bläck Fööss, fünf Mitglieder von “De Famillisch”,
einer musizierenden Gruppe und Wilma Overbeck, eine engagierte Grundschullehrerin, die die Fortbildung moderierte, auf die Bühne. Die Lehrer im Saal schwatzten so laut und fröhlich wie
sonst die Schüler in den Freistunden. Dass es im Publikum aber durchaus schon Kenner des Dialektes gab, merkte man, als von der Bühne zu Beginn der Veranstaltung gebeten wurde:
“Können Sie die Türe bitte schließen?” und aus dem Saal der knappere, aber ebenso aussagekräftige kölsche Ruf: “Pooz zo!” ertönte. Das hieß ebenfalls “Türe zu!” war aber direkter und passte perfekt zur Veranstaltung.
Marianne Trompeter vom Kölner Schulamt stellte kurz die Musiker vor, wobei sich herausstellte, dass die Mitglieder der “Famillisch” verschiedene Nachnamen hatten und wohl
doch nicht so eng verwandt waren, wie es ihr Name vermuten liess. Die Bläck Fööss spielten Bass und Gitarre, Kafi sang, und “de Famillisch” war mit Geige, Mandoline, Gitarre und einem
Cajon, diesem Schlagzeugkasten, der einen wunderschönen Klang hat, vertreten. Am Ende der Fortbildung würde es für jeden Teilnehmer eine Übungs-CD mit den Liedern geben, versprach
Marianne Trompeter, wies aber darauf hin, dass nur die CD in die Hände der Kinder gelangen sollte, nicht aber die Noten und Texte. “Das führt zu einem miserablen Kölsch!” warnte sie.
Das Ziel war, dass jedes Kind anhand einer CD-Kopie die Lieder zu Hause hören und üben konnte und damit sofort richtiges Kölsch lernte. Unterstützend arbeiteten dann die Lehrer in ihren Musikstunden mit ihnen.
Die Fortbildung begann, indem Wilma Overbeck den Ablauf erklärte: “Wir singen ein Lied,
wenn es klappt, gut, wenn nicht, singen wir es nochmal.” Das hörte sich einfach und nach Spaß an. Die Musik legte los, Wilma Overbeck sang klar und deutlich die Leadstimme und die
fortzubildenden Lehrer im Saal stimmten ein. Das Lied war nicht so bekannt, aber da einige der Lehrer es wohl schon kannten, sangen sie kräftig los und die anderen liessen sich
mitziehen. Am Ende applaudierten alle freudig. Weiter ging es mit den beiden nächsten Liedern. Danach schlug Wilma Overbeck vor, Lied Nummer 4, “Achterbahn” nach hinten zu
verschieben, weil das die meisten Anwesenden sowieso kannten. Ein vielfaches, enttäuscht protestierendes “Ooooo!” liess sie sofort umschwenken und es ging doch los. Sofort sang ein
gewaltiger Saalchor textsicher, sehr laut und temperamentvoll mit, und ich überlegte, ob die meisten der Lehrer in diesem Moment noch an ihre Schulkinder dachten oder einfach selber
nur Spaß hatten. Beim “Spanienleed”, einem der Bläck Fööss Klassiker, ging die Party richtig ab. Auf der Bühne begann es mit dem Ruf: “Spanien...” und der Saal brüllte: “Olé!!” und warf
die Hände hoch. Überall begeisterte Gesichter, dazwischen Pädagogenhände, die im schnellen, spanischen Rhythmus klatschten und es fehlte nicht mehr viel, da wäre der komplette Saal in
den Schunkelrhythmus gefallen - einige Schultern vor mir zuckten schon leicht hin und her. Das war nicht unbedingt der seriöse Lehrgang, den ich bei einer Lehrerfortbildung erwartet
hatte, machte aber gute Laune und hatte ja zum Ziel, dass man die Lieder lernte. Zur Ergänzung gab Kafi anschließend noch einen kurzen Extrakurs im spanischen 5/8-Takt- Klatschen, der freudig mitgemacht wurde.
Kafi Biermann und Wilma Overbeck
Lied für Lied wurde komplett durchgesungen und wegen der guten und sicheren musikalischen Unterstützung waren auch die nicht so gängigen Melodien schnell im Ohr. Es musste selten
etwas wiederholt werden, und Wilma Overbeck freute sich nach einer Stunde, dass schon Lied Nummer 12 erreicht war und im Liederkreis der Jahreszeiten Weihnachten dran war.
Dass “Dat Wasser vun Kölle” wieder der Riesenkracher war, hatte ich schon erwartet. Diesmal hatte eine Lehrerin sogar so viel Konzert- und Gospelfeeling, dass es sie vom Sitz riss und sie
stehend und klatschend sang. Eine Zuschauerfrage danach war: “Wie klatscht man da pädagogisch optimal?” Ich grinste und war gespannt auf die Antwort, denn das Klatschen auf
2 und 4 war die einzig gute Möglichkeit. Alles andere war deutsch und sehr ungroovig. Von der Bühne kam die Antwort: “Pädagogisch ist alles gut, was Spaß macht. Musikalisch ist die 2
und die 4 besser.” Ein weiterer Tipp: “Ruhig erstmal auf 1 und 3 klatschen, später, wenn die Kinder sicher sind, auf 2 und 4” kam allerdings weder bei mir, noch bei Bömmel gut an. Er riet
grinsend, aber aus tiefstem Musikerherz: “Mit dem Fuß leise auf 1 und 3 und auf die 2 und die 4 klatschen, so dass die stärker betont werden.”
Hartmut Priess und Bömmel Lückerath
Zu meinem Erschrecken war das nächste Lied “Viva Colonia” von den Höhnern, mit dem ich persönlich Probleme hatte. Ich mochte das wegen der simplen Eingängigkeit noch nie und fand
den Reim von “Lust” auf “Durst” völlig unmöglich. Erstaunt stellte ich fest, dass die vielen Lehrer um mich herum an dieser Stelle nicht verärgert den Rotstift zückten, sondern
begeistert mitsangen. Aus Trotz reimte ich auf “Lust” “Frust” (“Wir lieben die Liebe und die Lust ... und han doch immer Frust”) und fand das reimtechnisch gesehen und aus Prinzip gleich
viel besser. Dass die Kinder das Lied später mit viel Freude schmettern würden, bezweifelte ich überhaupt nicht, so dass sein Platz im Liederbuch durchaus richtig war. Über das richtige
Reimen konnten die Lehrer dann ja mal eine Extrastunde machen.
Das schöne Lied “Unser Stammbaum”, kurz vor Schluß der Fortbildung, war dann zum
Dahinschmelzen schön. Die Zuschauer setzten von Anfang an perfekt und als gewaltiger Chor ein, so dass die Sänger auf der Bühne gar nicht mitmachten, sondern mit gerührtem Lächeln in
den Saal guckten. Das war wie eine Hymne, und ich erwartete fast, dass die Anwesenden sich jeden Moment erheben und singend die Hand auf ihr Herz legen würden. Wunderschön!
Am Ende der Veranstaltung waren überall gut gelaunte Gesichter zu sehen. Die Lehrer hatten eine unkomplizierte und fröhliche Fortbildung gehabt, und für die Fööss war wichtig, dass die
Lehrer Spaß an der Sache hatten und ihre Begeisterung an die Schulkinder weitergeben würden. Dass die Kinder die CD schnell auswendig mitsingen konnten und das dann auch in der
Klasse gerne machen würden, war zu erwarten. In den letzten Jahren hatte sich außerdem gezeigt, dass es für die Gemeinschaft der Klassen förderlich war, wenn die Kinder kölsche
Lieder lernten, denn das war für die meisten deutschen Kinder ebenso eine “Fremdsprache”, wie für die ausländischen, die sie alle gleich schnell und gleich gut lernen konnten.
Hartmut, Bömmel und Kafi von den Bläck Fööss besuchten in ihrer “kölschen Mission” schon seit Jahren immer wieder Schulklassen, um dort mit den Kindern zu singen. Zur Enttäuschung
der meisten Schulen dann nicht in Konzertform für alle Schüler, Lehrer und Eltern, sondern intern mit einzelnen Klassen, die die Lieder mit der Lehrerin oder dem Lehrer vorbereitet
hatten. Ich fand es ganz wichtig, dass wirklich nur die singenden Kinder der Mittelpunkt waren und diese ein ganz intensives Erlebnis beim gemeinsamen Musikmachen hatten. Wie viele
Kinder durch diese Aktionen schon für ihr Leben nachhaltig und sehr positiv geprägt wurden, wird man nur ahnen können.
In den letzten Jahren gab es außerdem für viele Schulkinder beim Kölner
Tanzbrunnenkonzert der Bläck Föösss die Möglichkeit dort mit den eingeübten Liedern aufzutreten, aber inzwischen wurde ein Termin extra nur für die Kinder eingerichtet. Im
Oktober diesen Jahres soll es zum ersten Mal in die große Kölner Philharmonie gehen, wo dann die drei Bläck Fööss und “de Famillisch” einen riesigen Chor von Kindern auf der Bühne und in den Zuschauerrängen begleiten werden. Außer
den Lehrern und sehr wenigen Eltern, die mit in die Philharmonie dürfen, werden die großen und kleinen Musiker unter sich sein und mit Sicherheit “das Haus rocken”. Op kölsch.
Und ich weiß jetzt endlich, was Lehrer machen können, wenn sie “auf einer Fortbildung” sind. Ich dachte bis dahin immer, dass das langweilig und staubtrocken wäre, aber da kann man anscheinend eine Menge Spaß haben.
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