vOcalinxX a-cappella  -  live in concert
28.6.2003, Kath. Jugendheim St. Mauritius, Weilerswist

Die WISE GUYS hatten es geschafft! Alle erfolgreichen Gruppen hatten früher oder später eine Coverband, von der sie kopiert wurden, und nach den Beatles, Queen und Abba war es nun auch bei den Wise Guys so weit. In diesem Fall hieß die Gruppe vOcalinxX, kam aus Wuppertal und baute ihr Programm fast komplett auf bewährten Wise Guys Titeln auf.

Ich war skeptisch. Coverbands finde ich an sich etwas seltsam, denn eine eigene Persönlichkeit halte ich für besser, als jede noch so gute Kopie. Außerdem kann es doch nicht das Ziel eines künstlerischen Menschens sein, die Werke von anderen Leuten ohne eigene Interpretation so originalgetreu wie möglich zu kopieren, oder doch? Dazu kam, dass ich schon öfter mal andere Gruppen Wise Guys Lieder singen gehört habe, und darüber manchmal sehr erstaunt war. Nicht, weil es erstaunlich gut war, sondern weil es erstaunlich war, dass sie sich trauten so eine Version öffentlich, und zum Teil noch vor den Ohren der Originale abzuliefern. Im besten Fall war es dann schon wieder witzig. (Anmerkung: Ich war nicht bei allen Gesängen dabei, so dass es durchaus Gruppen geben könnte, die richtig gut waren und die ich verpasst habe. Wer jemals beim Afterglow den Wise Guys etwas vorgesungen hat, sollte jetzt nicht beleidigt sein, sondern einfach annehmen, dass ich ihn nicht gehört habe.)

Damit man mich nicht falsch versteht: Ich finde es superklasse Wise Guys Lieder mehrstimmig nachzusingen. Es macht Spaß und ist eine schöne Herausforderung. Aber ob man das Ergebnis immer öffentlich machen muß, ist die Frage. Singen macht Spaß, ohne Frage, das Zuhören aber nicht immer. Wie würde es bei den vOcalinxX sein?

Diese hatten den Wise Guys bei einem Afterglow schon eine Probe ihres Könnens abgeliefert und waren wohlwollend und anerkennend beurteilt worden. Seitdem warben sie mit der Aussage von Clemens: “Ihr seid die beste Wise Guys Coverband, die ich je gehört habe.” Ja, super. Hieß das nun, sie waren superklasse, oder war da eher unter den Blinden der Einäugige der König? Das konnte ich jetzt selbst herausfinden, denn ich fuhr  zum katholischen Jugendzentrum in Weilerswist, um mir die Gruppe mal anzuhören.

Ab 19 Uhr war Einlass, ich war pünktlich da, weil ich viel früher als erwartet angekommen war, holte eine Karte und setzte mich auf eine Bank in der Sonne, um in aller Ruhe mein Gayle Tufts Buch zu lesen. Ich hatte Zeit, denn es war nichts los. Im Saal waren etwa 100 Stühle recht großzügig und mit breitem Mittelgang aufgestellt, und einige Leute, von denen ich vermutete, dass sie alle Familienmitglieder und Freunde waren, die größtenteils aus Wuppertal mitgekommen waren, verteilten sich in kleinen Gesprächsgruppen. Im Saal klimperte ein Klavier und die Zeit verbröselte. Das Gayle Tufts Buch war klasse.

Plötzlich musste ich grinsen. Irgendwie süß. So hatten die Wise Guys auch mal angefangen. In einem kleinen Jugendheim auf Konzertbesucher warten, lässig rauchen, über das Repertoire reden und dabei doch ganz genau mitzählen, wie viele Leute kommen. Bis Viertel vor Acht war das Zählen sehr einfach und übersichtlich. Weilerswist war nicht das Heimatgebiet der vOcalinxX und so auf dem platten Hinterland, in einem katholischen Jugendzentrum hatten sie es entsprechend schwer. In Wuppertal, wo die vOcalinxX einen größeren Fankreis haben, sah das schon ganz anders aus.

Um kurz vor Acht ging ich in den Saal, die Menschenmenge war überschaubar, und die vOcalinxX nahmen es mit Humor. “Es kommen nicht SUPER-viele Leute, es ist unser erstes Auswärtskonzert. Können Sie bitte alle nach vorne in die ersten Reihen kommen?” Insgesamt waren mit allen Familienmitgliedern, Freunden und Mitarbeitern nicht mal 30 Leute da, was aber kein Qualitätsurteil war, denn fast alle Karrieren fingen mal mit solchen Zuschauerzahlen an. Bis die Wise Guys ihr erstes Jugendheim voll bekommen haben, hat es auch eine Weile gedauert. Ich fand es eigentlich schon wieder nett bei einer Gruppe ins Konzert zu gehen, bei der noch diese prickelnde Aufbruchsstimmung der ersten Erfolge herrschte.

Die vOcalinxX kamen auf die Bühne und starteten ohne Mikrofone mit dem früheren ‘Opener’ der Wise Guys. Allerdings hatten sie den Text entsprechend abgeändert und sangen natürlich nicht: “Wir sind die Wise Guys”, sondern: “Wir sind die Voc’linx”(Oder Vocci’s?). (Sollte man dem Dän vielleicht mal sagen, dass er in Zukunft an solchen Stellen Rücksicht auf eventuelle Coverbands nehmen, und die Lücken für Namen grundsätzlich mehrsilbig anlegen könnte.) Das Singergebnis klang erstaunlich harmonisch. Da standen nicht fünf einzelne Sänger auf der Bühne, sondern eine homogen klingende Gruppe, die ziemlich gut mit den Wise Guys Arrangements zurecht kam. Allerdings fehlte es sehr an der Dynamik, aber das Ergebnis war trotzdem überraschend gut. Vom Klang etwa so wie die frühen Wise Guys, aber natürlich schon mit deren späteren Erfolghits.

Bei ‘Armes Schwein’ erkannte ich den Unterschied zu den jetzigen Wise Guys dann aber doch. Zufällig konnte ich bei einer Wise Guys Probe dabei sein, als sie genau an diesem Lied arbeiteten. Im Prinzip führten die vOcalinxX das Stück in dem Zustand auf, bei dem die Wise Guys begonnen hatten in stundenlanger Probe die Feinheiten herauszuarbeiten. Es war von den vOcalinxX im Prinzip gut gebracht, die Töne stimmten, es war gut anzuhören, aber es fehlten die feinen Details von der Dynamik, über die Betonung, bis zu den perfekt gleichen und mit Ruhe fertig gesungenen Endungen. Liest sich jetzt ziemlich meckerig, aber das meine ich gar nicht so. Wenn es einfach wäre so wie die Wise Guys zu singen, würden das viele Gruppen schaffen. Die vOcalinxX kamen ihnen wenigstens schon einen großen Schritt nahe.

Allerdings zuckte ich bei den Moderationen zwischen den Liedern zusammen und fand es überhaupt nicht gut, dass sie fast wortgetreu übernommen waren. Sogar die typischen Handbewegungen waren den Originalen abgeguckt und irgendwie hatte das einen faden Beigeschmack. Lieder nachsingen ist EINE Sache, aber auch die Moderationen nachzusprechen und sie ohne weitere Erklärung irgendwie als die eigenen zu verkaufen, das fand ich überhaupt nicht gut. Zumindestens die Ansagen müssen meiner Meinung nach selbstgemacht sein, was den aufgeweckten Jungs von den vOcalinxX auch eigentlich kein großes Problem machen sollte. Na klar, ob man dabei an den lockeren Witz von Dän rankommt, ist die Frage, aber es wäre einfach ehrenvoller. Ein paar spontane Sachen auf der Bühne haben doch gezeigt, dass sie nicht auf den Mund gefallen sind und locker reagieren können.

Bis zur Pause hatte ich meine Meinung gebildet, die sich auch im zweiten Teil nicht mehr änderte. Es war eine Amateurgruppe, die für zwei Proben in der Woche erstaunlich gut war. Ein harmonischer Klang, ein lockeres Auftreten auf der Bühne, gut abgeguckte Choreographien und sichtbar Spaß am a-cappella-Gesang. Gute Voraussetzungen und viel Potential um sich noch zu steigern. Allerdings würde ich ihnen empfehlen so schnell wie möglich von der Wise Guys Imitation wegzukommen. Zuschauer, die die Wise Guys nicht kennen, werden sicher recht gut unterhalten, aber der direkte Vergleich ist natürlich gefährlich und kann von den vOcalinxX nicht gewonnen werden. Das klappt vielleicht bei ein paar Liedern, aber noch nicht einen ganzen Abend lang. Bis die ersten eigenen Lieder stehen, sollten sie lieber noch andere Sachen covern oder Songs speziell auf ihre Gruppe umschreiben, um ein bunt gemischtes Programm zu bekommen. Für den Anfang gut ist es auch, ein Lied zu covern und mit eigenem Text zu versehen. Da stimmt dann schon das musikalische Grundgerüst und die Kreativität kann sich beim Text austoben.

Der Punkt, bei dem ich kurz vor Schluß dann nochmal die Luft anhielt, war ‘Träum vom Meer’. Dieses Lied geht bei mir immer tief in die Seele, wenn die Wise Guys es singen, und ich wollte ehrlich gesagt nicht, dass das auch andere Gruppen erreichen. Es begann, und ich bemerkte mit Beklemmungen, dass schon die Komposition sehr stark ist und ich die ersten, langen Töne sehr mag. Aber dann stellte ich mit großer Erleichterung fest, dass es zwar schön gesungen war, mich aber insgesamt nicht so stark beeindruckte, weil die unglaubliche Ruhe und Eindringlichkeit, die ich bei den Wise Guys so oft spürte, nicht aufkam. Das waren dann eben doch noch die Unterschiede zum Original.

Fazit: Fünf nette Jungs, die mit viel Einsatz und Ehrgeiz ziemlich gute und vor allem ausbaufähige A-cappella-Musik machen. Allerdings sind sie vom Original noch ein Stück entfernt und verkaufen mir zu viele abgeguckte Sachen als ihre eigenen Ideen. Eine Ausweitung des Repertoires auf Stücke von anderen Interpreten kann nur bereichernd sein und sie aus dem direkten Wise Guys Vergleich bringen. Ich weiß, dass das ihr langfristiges Ziel ist, und an ihrer Stelle würde ich damit möglichst schnell beginnen. Und vor allem: Eigene Moderationen zwischen den Liedern sind machbar und sehr wichtig. Spätestens mit den ersten eigenen Liedern werden sie dann auch ihr eigenes Profil bekommen, das sie unverwechselbar macht und eine Voraussetzung für den EIGENEN Erfolg ist. Dass die Wise Guys gut sind, das weiß ich - da muß ich mir nicht eine Kopie anhören, wenn ich das Original bekommen kann.

Also, liebe vOcalinxX, traut euch ruhig an eigene Interpretationen und andere Interpreten heran, übt weiterhin intensiv, überlegt euch Moderationen, probiert Texte und Kompositionen aus, und ich denke, dass ihr schnell noch besser und erfolgreicher werdet. Das Potential dazu ist eindeutig vorhanden. Ob ich es bis dahin gelernt habe die Großbuchstaben in eurem Namen auf Anhieb an die richtige Stelle zu setzen und nicht weiterhin grübelnd zu stocken und zu überlegen, ob es das O oder nicht doch das V war, das mit der Großschreibtaste getippt werden musste, bleibt fraglich.

Viel Erfolg!



Nachtrag vom Januar 2004: Kurz nach meinem Bericht hat sich die Gruppe vOcalinxX aufgelöst, was aber eher weniger an meinem Bericht lag, denke ich. Zur Zeit gibt es Pläne eine neue Gruppe aufzubauen.

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