Das war mal eine interessante Sache. Der Abend war eine Aufzeichnung für das Radio, und da ich die meisten Darsteller
schon kannte, musste ich gar nicht hingucken, sondern konnte mit geschlossenen Augen im Schauspielhaus sitzen. Was hätte es auch für einen Sinn gemacht einer Radio-Sendung zuzusehen? Bei Dieter Nuhr, Horst Evers und den
Wise Guys wußte ich ganz genau, wie sie aussahen, und es reichte einen kurzen Blick auf Bodo Wartke und Alfred Dorfer zu werfen, um ausreichend informiert zu sein. Aber natürlich konnte ich mich nicht beherrschen und
blinzelte immer wieder, ach was, ich guckte sogar ständig auf die Bühne und sah intensiv zu. Bei einer Radio-Sendung! Bevor die Veranstaltung losging, standen noch viele Leute an der Abendkasse, die ebenfalls Radio
gucken wollten, aber bevor alle eine Karte hatten, wurde schon ein “Ausverkauft”- Schild ins Fenster gehängt. Im Saal war es dann knackevoll und mehr als ausverkauft, denn einige Leute blieben sogar am Rand stehen.
Das Stimmengewirr wurde sofort leiser und gegen ein gespanntes Gemurmel ausgewechselt, als die Saaltüren zugingen. Dann wurde das Licht runtergefahren und in die Stille hinein tönte eine Ansage für die spätere
Radio-Sendu ng. Dieter Nuhr kam auf die Bühne, kündigte
“wunderbare Gäste” an und betonte: “Wirklich wunderbar. Da brauch ich nicht mal lügen - wie schön!” Er erinnerte an die Handys, erklärte den Notausgang und wies auf die Radio-Sendung hin, die als “Köln-Comedy-Radio-
Nacht” galt, aber an einem Samstag von 16 bis 18 Uhr laufen würde. Aber es war ja auch “Radio zum Gucken”, also sowieso etwas seltsam. Dieter Nuhr sprach bedächtig, leise und
irgendwie völlig normal. Bei mir zu Hause am Küchentisch bei einer Tasse Tee würde er vermutlich genauso erzählen. Gleiche Tonlage, gleiche Lautstärke, nur eben ohne Mikro. Allerdings ist das eine reine
Vermutung, denn Dieter Nuhr saß bei mir noch nicht am Küchentisch und ich weiß nicht mal, ob er nicht lieber Kaffee trinkt. Vielleicht spricht er auch immer mit Mikro, ich kann da eben wirklich nichts Genaueres
sagen. Ist aber auch völlig egal. Aus dem Publikum ertönten plötzlich laute Zwischenrufe. Was waren das denn für Störer? Ich guckte etwas entsetzt (spätestens hier hätte ich sowieso die Augen aufgemacht), und
auch Dieter Nuhr war etwas aus dem Konzept gebracht. Er fragte besorgt in den Lärm hinein und sagte dann: “Oh! Sie verstehen nichts? Warum lachen Sie dann?” Es stellte sich
heraus, dass der Ton hinten im Saal ziemlich gut war, dafür vorne kaum zu hören. Die vorderen Boxen waren viel zu leise, und nachdem die Technik sie lauter gestellt hatte,
grinste Dieter Nuhr in die ersten Reihen: “Ihnen bläst es jetzt den Schädel weg. Na, das müssen wir jetzt hinnehmen.” Ganz freundlich erkundigte er sich: “Geht es jetzt? Gut, dass
Sie sich gewehrt haben. Soll ich nochmal auftreten?” Er trat unter Jubel nochmal auf und grinste erfreut: “Das wird jetzt Arbeit für die, die müssen das zusammenschneiden!” Das
Publikum war freudig aufgedreht und fand alles sehr lustig. Leider war der Ton durch das Aufdrehen der vorderen Boxen im hinteren Bereich sehr hallig geworden, aber wenigstens konnten jetzt alle hören, um was es ging.
Der erste Künstler des Abends kam aus Berlin und war Horst Evers. Er kam auf die Bühne und begann nach einer Einleitung mit seiner Geschichte “Zwei Plätze für Scholz”. Das Publikum reagierte nicht sehr laut und temperamentvoll, amüsierte sich aber doch ziemlich
gut. Horst Evers las aber manche Stellen etwas zu schnell, so dass sie bei der halligen Tonabmischung nur schwer zu verstehen waren. Schade. Wahrscheinlich wird die Radioabmischung später sehr gut
sein, aber für das Live-Publikum war es nicht ideal. Das Publikum war ein wenig lahm und es gab tatsächlich einige Zuschauer, die gar nicht oder nur äußerst selten applaudierten. Die hatten das mit dem
Radio irgendwie ganz falsch verstanden. Dieter Nuhr kam zur Zwischenmoderation auf die Bühne und kündigte schon wieder einen Künstler aus Berlin an: Bodo Wartke. Von dem hatte ich noch nichts gehört und
war recht interessiert. Ich erwartete nichts Besonderes und freute mich über die ganz gute Unterhaltung, die ich wohl haben würde. Mit der “guten Unterhaltung”
hatte ich mich aber getäuscht, denn schon beim ersten Stück wurde mir klar, dass ich da ganz unerwartet supergut unterhalten wurde. Bodo Wartke spielte lässig am Flügel und
sang dazu seine Texte, aber er sang sie nicht nur, sondern spielte sie mimisch, drosselte das Tempo, um dem Publikum etwas zu sagen, und “erzählte” darstellerisch in Liedform.
Sehr gut gemacht und dazu noch witzig. Auch der Ton war wesentlich besser als vorher bei Horst Evers. Bodo Wartke war ganz locker, hatte immer wieder Kontakt mit den
Zuschauern, spielte mal forsch, mal schüchtern und das Publikum konnte auf einmal laut lachen und zeigte gute Stimmung. Ein Lied über die “Love-Parade” in Berlin spielte Bodo
Wartke mit strahlendem Lächeln im 3/4-Takt und sang dazu freudig: “Der Duft nach Kot und Urin, d as scheint sie zu sein: die Luft von Berlin.” Ich fand es superkomisch und sehr schön abgedreht.
Das Publikum jubelte inzwischen laut und hatte Bodo
Wartke voll ins Herz geschlossen. Der sang noch ein Lied über den geplanten Beil-Mord an seiner Frau, und zum Schluss ein internationales Liebeslied, bei dem die Zuschauer immer wieder in lautes Lachen
ausbrachen. Wenn ein Auftritt als voller Erfolg zu werten war, dann dieser. Der Applaus am Schluß war wirklich riesig und sehr, sehr laut. Große Klasse! Ich weiß schon, dass ich ganz sicher mal auf einen
Soloabend von ihm gehe.
Der End-Beifall für Bodo Wartke war so stark, dass er nochmal auf die Bühne zurückkommen musste. Wahnsinn! Er verbeugte sich lächelnd, ging wieder ab, und Dieter
Nuhr sagte grinsend: “Das geht jetzt von Ihrer Zeit ab, denn eigentlich ist schon Pause.” Und die war dann auch sofort. Zwanzig Minuten später ging es weiter im Programm. Allerdings begann es mit der
Abmoderation von Bodo Wartke, die von Dieter Nu hr nochmal gemacht werden musste,
“weil die das nachher aneinander schneiden. Man wird zu Hause nur beschissen.” Sehr bereitwillig gab das Publikum nochmal großen Applaus für Bodo Wartke und jubelte völlig ohne weitere Aufforderung laut.
“Der nächste Künstler kommt aus so was Ähnlichem wie Berlin,” erklärte Dieter Nuhr, “- er kommt aus Wien.” Alfred Dorfer, der Träger des aktuellen Kleinkunstpreises der Sparte Kabarett kam
mit drei Band-Herren auf die Bühne. Mit erstaunlich tiefer, voller Stimme sprach er in starkem Wiener Dialekt und ich fand es zunächst witzig. Dann fiel mir aber auf, dass es fast immer kurze und nicht
jedesmal originelle Gags waren, die mir oft nicht gut genug waren. Auch das erste Lied war nicht mein Fall und im weiteren Verlauf lachte ich zwar immer mal wieder,
aber meistens fand ich es von der Qualität her nicht gerade umwerfend. Am Schluß stellte Alfred Dorfer ein lautes Metronom an und es ging um “die Zeit, die vergeht”. Die Band
spielte leise dazu, und er seufzte “Eieieiei” und “Jaaa. so ist das.”, oder auch mal ein langes: “Aaaaaaaaaach.” “So ist das. Man erwartet was und dann kommt nix.” Es war
eigentlich nichts los, aber die Idee gefiel mir und ich fand es gut. Insgesamt aber eben nicht gut genug. Zwei der Bandleute waren allerdings dann wieder so skuril, dass es sehr witzig war.
Während Dieter Nuhr den letzten Auftritt des Abends anmoderierte, wurde um ihn herum die Bühne freigeräumt. Er kündigte an: “vielleicht den Höhepunkt des Abends, hier sind die Wise Guys!” Fünf junge Männer kamen auf die Bühne und starteten ohne Ansage mit einem a-cappella Lied ‘Sing mal
wieder!’ Der Sound war knallig, kräftig und wunderbar präsent, der Bass wummerte fest und der Sound gefiel mir richtig gut. Das Publikum blieb während des Liedes allerdings weitgehend ruhig. Das
nächste Lied war ‘Kinder’ und nach der ersten Zeile “Kinder find ich nicht so toll!” blieb es sehr ungewohnt still. Sonst reizte diese Stelle das Publikum immer zu lautem Lachen,
aber im Saal des Schauspielhauses blieb es ruhig, die Zuschauer-Gesichter um mich herum guckten jedoch breit grinsend und sehr amüsiert in Richtung Bühne. Von Lied zu Lied stieg
der Endapplaus an, aber während der Stücke war es eher leise. Etwas komisch also und ich fand keine richtige Erklärung. Der Sound war gut, die Darbietung auch - eigentlich hätte
es jubelnder ankommen müssen. Manchmal ist es nicht zu begreifen. ‘Deutscher Meister’ wurde
laut beklatscht und nach langem Endapplaus kamen die Wise Guys nochmal auf die Bühne und sangen ‘Jetzt ist Sommer’. Im Saal wurde heftig mitgeklatscht, die Stimmung war also grundsätzlich da, aber
trotzdem ein wenig lahm.
Zum großen Abschlussbild kamen die Wise Guys auf die Bühne, stellten sich am linken Rand auf und sangen die textfreie Variante von
‘Sing mal wieder’. Währendessen sagte Dieter Nuhr alle Künstler nochmal an, holte sie auf die Bühne und moderierte mit der Wise Guys Begleitung die Radio-Sendung ab. Eine sehr
gute Idee, die dazu noch wirklich klasse klang. Fazit: Ein sehr schöner Abend mit dem überraschenden Star: Bodo Wartke.
Mir hat es sehr gefallen und ich bin froh, dass ich ziemlich kurzfristig Karten geholt habe. Und ohne Gucken wäre es nur halb so schön gewesen. |