3. Juli  2003

DIE
GESCHWISTER
PFISTER

Limelight, Köln

Schon lange hatte ich die legendären Geschwister Pfister mal live sehen wollen, und inzwischen waren sie auf ihrer Abschiedstour, so dass ich wirklich gerade noch die letzte Möglichkeit erwischt hatte.

Ihre Geschichte ging ans Herz. Vier junge, schweizer Waisen wurden von ihrem Onkel Bill in Las Vegas großgezogen und dort für die Showbühne ausgebildet. Zwei von ihnen zogen sich später ins Privatleben zurück, aber die Brüder Ursli und Toni blieben der Bühne treu. Sie trafen Fräulein Schneider aus Bulgarien, Toni heiratete sie, und zu dritt zogen sie mit ihrer Show durch die Welt. Ursli, der als Kleinkind nach Amerika kam, hatte einen starken amerikanischen Akzent, sein älterer Bruder Toni sprach deutsch mit schweizer Akzent, und Fräulein Schneider auis Bulgarien sprach alles mit breiten slavischen Vokalen aus. Absolut romantisch die ganze Geschichte, und ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass sie nicht ganz der Wahrheit entsprach.

Die Show begann, es glitzerte silbern, leuchtete blau, eine kleine Bigband fetzte, die Geschwister Pfister kamen in Frack und Zylinder, Fräulein Schneider in weißem, federbesetzten Ballkleid auf die Bühne, stellten sich singend vor drei Mikrofonständern auf, und die Zeit war plötzlich in die 20er-Jahre in Berlin zurückgesetzt. Wahnsinn! Es stimmte alles. Von den Ärmelschonern der Musiker bis zur Interpretation der Musik. Superguter Gesang, erstklassige Musik, tolle Arrangements und eine perfekte Show. Ich war sofort begeistert. Und mit mir das Publikum im Limelight, zu dem der Funke sofort übergesprungen war, und das in allerbester Stimmung war.

Was folgte, war eine Mischung aus “Cabaret” und den “Andrew Sisters”, gespickt mit Zwischenmoderationen und perfekt inszenierten Choreographien. Toni war vornehm zurückhaltend, sang sauber und korrekt, und sprach sehr ruhig mit seinem netten schweizer Akzent. Fräulein Schneider lächelte penetrant, war die Ausgabe der typisch amerikanischen Hausfrau, die in den frühen Filmen die Nachbarin von Doris Day gewesen wäre, und war mit dieser zuckersüßen Fassade einfach wunderbar. Ihr Perfektionismus wurde nur durch kleine Aussprachefehler gestört, die an ihre bulgarische Herkunft erinnerten. Sie sprach ernsthaft von: “Abschiiied iist ain schwääärres Schaaaf” und korrigierte dann: “Ain schaaarrfes Schwääärrt.” Und Ursli war der Showman. Klein, lebendig, quirlig, beim Singen nicht immer ganz sauber am Ton, dafür ein aufgedrehter Darsteller.  Er sprach mit starkem amerikanischen Akzent und manchmal sogar nur in breitem Amerikanisch. Ein bißchen hatte er etwas von Charlie Chaplin, war ähnlich grazil und trotzdem voller Kraft. Er spielte seine Homosexualität voll aus und hatte einen umwerfenden Sexapeal. Total süß!

Das einzige, was ich an der Show nicht ganz so gut fand, waren einige Zwischenmoderationen, die mir zu aktuell waren. Hey, ich befand mich in vergangenen Zeiten, da wollte ich nichts über Saddam Hussein hören, auch wenn es noch so witzig war! Das war ein Stilbruch, der mich empfindlich störte. Die Lieder waren dafür immer klasse. Gegen Ende des ersten Teils gab es “Smoke Rings”, ein Lied, bei dem die drei im Gegenlicht rauchten, sehr lasziv den Refrain: “Puff your cares away” sangen und dazu eine Zigarettenrauch-Choreographie machten. Der Rauch zog langsam kringelnd steil nach oben, oder wurde im Takt zur Seite geblasen, so dass es perfekt zur Musik passte. Superklasse!

Nach der Pause waren alle auf der Bühne umgezogen und lebten auf einmal in den 60er bis 70er Jahren. Fräulein Schneider hatte ein gelbes Kleid an, die Haare waren schulterlang mit Außenwelle, und sie hatte den passenden hellblauen Lidschatten aufgetragen. Ursli war rot gekleidet, Toni hellgrün, die Mikrofone hatten jeweils passende Schaumstoffaufsätze, und Fräulein Schneider stellte fest: “Da siind wirr gaaanz scheeen in den Faarrbtopf gefaaaallen.” Sie blickte zufrieden an ihrem gelben Outfit herunter: “Gäälb ist ein extrräämes, schwierrigäs Farrbä. Kann nicht jädärr trraaagän.” Die Bigband spielte saubere Bläsersätze, die Jo Roloff Band machte mit Schlagzeug, Bass, Gitarre und Flügel das Grundgerüst, und auf der Bühne gab es wunderbare 60er-Jahre-Lieder und -Choreographien. Das ganze Programm war sehr abwechslungsreich, es gab langsame und schnelle Stücke, Sentimentalität wechselte sich mit überschäumender Lebendigkeit ab, und es wurde nicht langweilig.

Gegen Ende des Programmes spielten die Musiker ein Stück, bei dem ich dachte, dass die Bläser zwar supergut gemeinsam spielten, ich sie als Solisten aber nicht besonders gut fand. Sie wurden zwar beklatscht und bejubelt, aber so richtig überzeugend fand ich es nicht. Immerhin hatte es den Hauptdarstellern Zeit gegeben den letzten Kostümwechsel zu machen.

Sie kamen weiß-glänzend und -glitzernd zurück, tobten sich noch einmal aus, sangen “Blue Bayou”, ein Stück, das scheinbar Pflicht bei ihren Auftritten war, und dann wurde es sogar noch ein wenig traurig, denn Toni betonte: “Wir sollten es nicht vergessen, wir befinden uns auf unserer Abschiedstournee.” Fräulein Schneider lächelte tröstend: “Iiss wie iiss”, dann sangen sie mit Orchesterbegleitung “Sag beim Abschied leise Servus.” Es war ganz sanft und zart, und ich glaube, bei der endgültig letzten Vorstellung dieser Tour wird dabei das gesamte Publikum in Tränen ausbrechen. Die Bläser spielten die Begleitung wie einen Choral auf einer Beerdigung und am Schluß gab eine Triangel das Totenglöckchen-Bimmeln. *seufz*

Das Publikum gab Standing Ovations, und ich fragte mich, warum ich nicht schon viel früher bei den Geschwister Pfister gewesen bin. Es war superklasse! Eine perfekte Show mit toller Musik und drei völlig verschiedenen, sich aber in ihren Gegensätzen wunderbar ergänzenden Hauptdarsteller-Persönlichkeiten. Schade, dass sie aufhören!

Nachtrag, drei Wochen später: Es geht das Gerücht, dass die “Abschiedsgala” gar nicht die letzte Tour der Geschwister Pfister ist, sondern nur ein Werbegag....

Ergänzung:
Im Mai 2004 war ich nochmal in der Vorstellung.
Bericht und Fotos davon HIER!

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