KINDERBUCH-BLOCK 2   Teil 11-20

Kinderbuchblock Nummer:
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11 - Sonntag, 13. Juli 2008
Hänge auf der Insel rum und genieße das Leben ohne Uhr und Kalender. Habe mir vorgenommen, fallenden Kokosnüssen mit einer blitzschnellen Drehung auszuweichen, sehe bisher aber nirgendwo Kokosnüsse. Pflücke Johannis- und Himbeeren. Überlege, aus dem alten Kirschbaum einen Einbaum zu machen, aber der ist ja schon ‘ein Baum’. Habe viel Zeit für viele Gedanken.

Es geht langsam los mit der kreativen Vorarbeit am Buch und es kommt mir alles so bekannt vor: Schon wieder suche ich zunächst nach einer passenden Schrift, mache Probeausdrucke und überlege diesmal sogar, ob die Seite zweispaltig werden soll. Da das Buchformat genau wie beim Giraffenbuch ist, glaube ich manchmal, ich spinne, weil ich das doch alles doch schon gemacht habe. Aber es soll ja nur ähnlich und nicht gleich werden. Es stellt sich für mich schnell heraus, dass die Schrift diesmal etwas klarer werden muss, auch wenn Schnörkel und Kringel zu einem Königshaus passen würden. Aber die Geschichte soll ein wenig abgedreht werden und da erscheint es mir sinnvoll, wenn die Leser wenigstens klar lesen können, was dort so seltsam steht. Außerdem kann ich dann mehr mit den Illustrationen spielen, die alles bunt auflockern sollen. Die zweispaltige Variante ist übrigens schon wieder raus aus den Überlegungen.

Ich bin so gespannt, wie die Geschichte wird! So ungefähr weiß ich es ja, aber es bleibt immer wieder spannend, zu erleben, wie schnell sie ihr Eigenleben hat und was für Sachen plötzlich auf dem Papier stehen. Unglaublich! Das hätte ich mir selber vorher niemals so ausdenken können. Kaum habe ich einen Charakter entwickelt, lebt er und macht, was er will. Er sagt Sätze, bei denen ich nur sprachlos staune und kommt auf Ideen, die ich selber nicht hatte. Als wäre ich der große Gulliver im Märchenreich, der auf ein bestehendes System blickt und alles nur aufschreiben muss. Vielleicht ist es psychologisch gesehen positiv, dass da Giraffen- und Prinzengeschichten aus meinen hintersten Hirnwinkeln kommen und keine Horror- und Blutplätscher- Phantasien. Vielleicht aber auch nicht. Aber das würde jetzt gerade noch fehlen, wenn ich mich bei meinen vielfältigen Persönlichkeiten, von der Autorin über die Verlegerin bis zur Postbearbeiterin, auch noch neben mich auf die Couch setzen und analysieren würde.

Immer noch ist das Wetter tendenziell zu kühl und zu feucht auf meiner Südseeinsel. Warum musste ich unbedingt zur Regenzeit fahren? Bleibe in Bewegung und räume erstmal weiter auf. Das Buch muss warten. Die Hängematte ist nass.

Auch wenn ich noch nicht aktiv mit dem Schreiben begonnen habe - ich warte auf besseres Wetter, damit ich stundenlang draußen sitzen kann und auf den Kostenvoranschlag der Druckerei, der mir sagt, ob ich 48 oder 60 Seiten machen will -, werden die Personen von Prinz Ferdinand König in meinem Kopf immer konkreter.  Manchmal lache ich los, weil ich plötzlich einen blöden Spruch höre, den einer von ihnen loslässt. Wenn ich Glück habe, ist dann ein Stift in der Nähe, mit dem ich alles zur späteren Verwendung notieren kann. Außerdem ist auf einmal noch eine weitere Person da: Ein weiser, etwas durchgeknallter, liebenswerter Gelehrter. Und ich weiß auch schon genau, wer den bei der Hör-CD sprechen könnte, auch wenn er selber noch gar nicht ahnt, dass ich ihn deswegen in einigen Monaten fragen werde. Das ist sowieso anders, als beim letzten Buch. Diemal weiss ich von Beginn an, dass ich eine Hör-CD machen werde und bei manchen Rollen fällt mir sofort ein, wen ich dafür am liebsten als Sprecher oder Sprecherin hätte. Bei anderen Rollen muss ich erstmal abwarten, wie die werden und zu wem die passen könnten.



12 - Sonntag, 20. Juli 2008
Kaum ist die Hütte auf der Insel einigermaßen bewohnbar und die Sonne mal zu sehen, lasse ich die einfachen Werkzeuge fallen und beginne zu schreiben. Vermutlich sollte ich noch Ziegen fangen, einpferchen und züchten, glaube aber, es gibt hier gar keine.

Ich fange endlich aktiv an und es wird gleich alles anders. Wochenlang plane ich an Prinz Ferdinand König und plötzlich wird mir klar, wie lange es dauern wird, bis der fertig ist, und ich mache einfach ein anderes Buch. Hört sich etwas sprunghaft und unüberlegt an, ist aber tatsächlich gut überlegt. Bei 48 bis 60 Prinz-Ferdinand-Seiten und vielen großen Illustrationen, werde ich monatelang beschäftigt sein, ehe überhaupt etwas druckfertig ist. Vor Sommer 2009 wird das überhaupt nicht zu schaffen sein. Das dauert mir zu lange. Ich will mein zweites Buch noch in diesem Jahr fertig haben. Wenn schon Erfolgsautorin, dann richtig. Kurzentschlossen krame ich Plan B raus, der eigentlich ein Zukunftsprojekt sein sollte.

Plan B heißt: Ich habe nicht nur Hardcover-Kinderbücher mit CD im Angebot, sondern auch kleinere Geschichten in Softcover- Ausgaben ohne CD, die deutlich preiswerter sind. Prinz Ferdinand König muss unbedingt ein Hardcover-Hör-CD- Buch werden, aber weil das ein so großes und arbeitsaufwändiges Projekt ist, mache ich vorher als Softcover “Tim und der Apfelquieker” fertig. Die Geschichte des Apfelquiekers gibt es schon seit einigen Jahren in einer privaten Einzelausgabe unter dem Namen “Bastian und der Apfelfresser”. Ich muss den Text etwas überarbeiten und alle Bilder neu zeichnen. Das ist überschaubarer Arbeitsaufwand, auch wenn das “kleine” Buch 36 Seiten und viele Illustrationen haben wird. Wenn alles so klappt, wie ich es mir vorstelle, ist es noch vor Weihnachten fertig. Preislich wird es vermutlich unter 10 Euro liegen und eine spannende Lektüre für Grundschulkinder vom 1. bis zum 4. Schuljahr sein.

Leider gibt es momentan nicht so viele sonnige Tage, wie ich sie mir wünschen würde, denn ich will unbedingt im Garten am Buch arbeiten, aber ich nutze die wenigen Tage, an denen ich draußen sitzen kann und schreibe den kompletten Text des Apfelquiekers neu. Es ist ein bisschen komisch, den Kopf voll mit Prinz Ferdinand König zu haben und alles plötzlich weit nach hinten zu schieben, um in einer ganz anderen Welt mit Tim und seiner Familie zu leben, aber ich bin erstaunlich schnell drin und kann mich völlig darauf einlassen. Prinz Ferdinand König bleibt ganz ruhig, weil er weiß, dass ich mir für ihn demnächst Zeit nehme.

Sitze mit meinem treuen Freund, der mir geduldig meinen Tee reicht, an sonnigen Tagen draußen und könnte weinen vor Glück. Blätter rauschen, Schmetterlinge fliegen vorbei, Vögel singen und ich schreibe völlig ungestört mein Buch. So eine einsame Insel ist großartig!

Für Sammler ist es natürlich anstrengend, wenn jetzt in jedem Jahr ein Buch von mir rauskommt, aber sie können ja auch mal eins auslassen und in einigen Jahren versuchen, es mit Spannung und Herzklopfen für viel Geld bei ebay zu ersteigern, um die Sammlung komplett zu bekommen.

Auf jeden Fall sieht so eine Werkaufzählung ziemlich gut aus, finde ich:
2007 - Als die kleine Giraffe ihre Punkte verlor (48 Seiten, Hardcover, mit Hör-CD)
2008 - Tim und der Apfelquieker (36 Seiten, Softcover)
2009 - Prinz Ferdinand König (60 Seiten, Hardcover, mit Hör-CD)

Wie schade, dass erst ein Buch davon fertig ist. Ich sollte mich mal ranhalten.



13 - Sonntag, 27. Juli 2008
Es wird heiß auf der Insel und ich verbringe viel Zeit mit dem Gießen der Pflanzen. Eine einsame Insel ist schön, solange die Pflanzen grün sind und ihre Blätter leise im Wind rascheln. Ab da, wo man zwischen lauter verdorrten Blättern sitzt, wird es unromantisch. Lief Robinson auch ständig mit einer Gießkanne auf seiner Insel herum? Vielleicht waren die Kerben in seinem Baum gar keine Tage-Statistik, sondern ein Gießkannen-Zählen? ‘Bin seit 4 Jahren, 3 Monaten und 12 Tagen auf der Insel’ hört sich im Nachhinein interessanter an, als zu sagen ‘Habe 142 Kubikmeter und 12 Eimer Gießwasser in 10-Liter-Portionen den Berg hochgetragen und dort ausgegossen’.

Der Apfelquieker ist fertig geschrieben und kann testgelesen werden. Dabei geht es darum, ob er logisch und flüssig aufgebaut ist und ob es Stolperstellen gibt, die blöd formuliert sind oder inhaltlich nicht stimmen. Meine Nähe zur Geschichte kann hinderlich sein, wenn ich wichtige Aussagen verschluder, weil sie mir völlig klar sind und die Leser die Sprünge nicht nachvollziehen können. Mal sehen, ob meine Lieblings-Test-Leser Zeit haben oder sich ebenfalls auf einsamen Insel befinden. Die Lieblings-Lektorin sitzt bereits in den Startlöchern.

Außerdem entwickel ich als Skizzen die Figuren der Familie, weiß aber noch nicht, ob die Mutter blonde oder dunkle Haare haben wird. Aber sie soll ein Rosenmuster auf ihrem Kleid haben. Völlig unwichtig für die Geschichte, aber vor meinem geistigen Auge schon ganz klar.

Ob das Buch wirklich ein “kleines” Buch wird, ist noch zu bezweifeln. Mit 36 Seiten im Format 21x21 cm und mehr als 40 kleinen und mittelgroßen Illustrationen, wird es deutlich mehr als eine kleine Gute-Nacht-Geschichte sein. Außerdem ist es für eine Gute-Nacht-Geschichte zu spannend. Aber weil es keine CD hat und als Softcover gebunden wird, gilt es im gurkentee-Verlag höchstens als mittelgroßes Buch. Wenn ich jetzt noch ganz kleine Bücher mit nur 12 Seiten machen würde, hätte ich auch die “kleinen” im Programm. Aber halte ich dann das Format 21x21 cm durch? Sieht doch blöd aus, wenn man ein großes, aber total dünnes Buch hat. - Oder??

Trotz Regen, Hitze und Gießarbeit - ich entspanne täglich mehr und genieße das ganz und gar nicht tatenlose, aber komplett terminfreie Inselleben. Ich mache, was ich will und wann ich es will. Und wenn ich es nicht will, dann nicht. Oder später. Eingeschränkt auf eine Insel, aber trotzdem völlig frei. Freiheit hat nichts mit dem Platzangebot zu tun. Haue noch einige Kerben in den Baum. Sollen die Leute später doch reininterpretieren, was sie wollen.

Bei Vogelgezwitscher und unter der schläfrigen Beobachtung einer halbwilden Katze, die sich schräg hinter mich legt, skizziere ich die geplanten Bilder in die erste, grobe Layoutversion. Das hilft, um zu sehen, ob sich bildlich alles logisch aufteilt, die Motive abwechslungsreich sind und wie der Text verteilt werden muss, damit die Illus später an den passenden Textstellen sitzen. Der Unterschied von der schnellen Skizze zum späteren Bild ist dabei in der Ausführung ziemlich groß, sinngemäß aber oft schon erstaunlich nahe am Endergebnis.
Rechts in der Skizze ein alter Professor, der sich gerührt ein Taschentuch vors Gesicht hält.

In der früheren Originalausgabe gab es nur 15 Illustrationen und eigentlich waren die ausreichend, aber jetzt will ich mehr. Das Konzept, dass es in meinen Büchern viel Text UND viele Illustrationen gibt, ziehe ich durch, auch wenn es bei Geschichten für Grundschulkinder völlig unüblich ist. Hier könnte ich jetzt wieder einfügen, wie schön es ist, dass mir kein Verleger mit mißbilligendem Kopfschütteln den Wunsch nach vielen Illustrationen abschlägt, auf die extrem höheren Kosten hinweist und acht bis zehn Bilder bei einer Grundschulgeschichte für ausreichend hält. Außerdem aus Farbdruckgründen nur auf den Seiten 4, 12, 24 und 28. Aber ich lass es einfach.



14 - Sonntag, 3. August 2008
Sonne, Hitze, Schwüle, Regenguss, Schwüle, Hitze, Regenguss ... das Wetter bleibt konstant instabil. Warum fahre ich eigentlich auf eine Südseeinsel, wenn ich dort nicht müßig in der Sonne sitzen und tagelang entspannt vor mich hin schreiben kann? Verzichte vorerst konsequent auf das Sitzen und renoviere aktiv meine Behausung. Erst wenn das Wetter passt, mache ich an der Geschichte weiter.

Das Wetter ist zum Verzweifeln. Also zumindest für die Leute, die stundenlang draußen sitzen und konzentriert an einer Geschichte arbeiten wollen. Mal ist es zu schwül, mal zu heiß, mal zu nass. Und kaum ist es wieder trocken, wird es heiß und dann schwül und am Himmel ziehen die nächsten Wolken auf. Ich beschließe meinen Urlaub definitiv zu verlängern, lege die Schreib- und Illustrationssachen weg und schiebe eine Aufräum- und Renovieraktion ein. Im Haus Kisten durchsehen, alte Sachen wegwerfen, tapezieren und Laminat verlegen kann ich auch, wenn es draußen regnet oder schmelzend heiß ist. Den Apfelquiekertext schicke ich währenddessen zum Probelesen und hoffe, dass ich gleichmäßig gutes Wetter habe, wenn er zurückkommt. Dann beginne ich nämlich sofort mit den Illustrationen. Wird dann auch Zeit, wenn das Buch Ende November fertig gedruckt sein soll. Im weitesten Sinne kann ich bis dahin das Streichen eines Zimmers ja auch als illustrieren bezeichnen. Die Kinderbuchillustratorin bemalt ein Zimmer. In weiß. ‘Abstrakte Schneelandschaft in klarer Einfarbigkeit’. Man muss es nur zu verkaufen wissen.

Laufe völlig verschwitzt mit Malerflecken auf dem Bastrock und Sägespäne im Haar herum. Schleppe Kisten mit Müll und zerhaue wackelige Schränke in Kleinteile. Aber auch Robinson musste zunächst wochenlang Hütte, Zäune und Hängematte bauen, ehe er sich auf seiner Insel entspannt zurücklegen und auf ein Schiff warten konnte.


15 - Sonntag, 10. August 2008
Packe meine Sachen in den Einbaum und paddel nach Hause. Habe keine Lust mehr, auf gutes Wetter zu warten.

Das war ja wohl nix mit einem Südsee-Urlaub. Die meiste Zeit habe ich im Haus verbracht und war nur draußen im Hof, um Laminat und Holzbretter an der Kreissäge zu schneiden. Eigentlich wollte ich den Urlaub darum bis fast Ende August ziehen, aber dazu habe ich gar keine Lust mehr. Ich will jetzt einige Videos fertig schneiden und bin nach der erfolgreichen Renovieraktion noch so im Energieschub, dass ich weitere Räume renovieren werde. In der nächsten Woche fange ich aber auch intensiv mit dem Illustrieren an. Vielleicht war es ganz gut, dass ich in den letzten Wochen viel über den Apfelquieker nachgedacht, aber noch nicht konkret an den Bildern gearbeitet habe. In der Zwischenzeit hat sich im Kopf einiges entwickelt und ich weiß jetzt ziemlich genau, wie die Personen aussehen und was für Charaktere sie haben. Die kleine Schwester von Tim hat jetzt eine Brille.

Und vor allem kann ich jetzt klar trennen zwischen “Tim” aus dem Apfelquieker und “Prinz Ferdinand” aus Prinz Ferdinand König und dem noch namenlosen Hauptdarsteller der noch namenlosen Geschichte eines anderen Autors, dessen Geschichte ich illustrieren, aber dessen Namen ich jetzt nicht nennen will. Alle drei Hauptdarsteller der Geschichten sind nämlich Jungen in etwa demselben Alter und damit zwangsläufig etwas ähnlich. Inzwischen habe ich sie aber optisch und charakterlich aufgeteilt und das wird Auswirkungen auf Haltung und Gestik haben. Vor allem werden sie sich alle deutlich von der Giraffe unterscheiden. Das war mir wichtig. Allerdings auch nicht schwer.

Links eine Grobskizze mit Überlegungen zur noch namenlosen Geschichte, bei der es momentan um das “Was passiert da überhaupt und wer spielt mit?” geht, und noch nicht um Haar- und Augenfarben. Sollte das Projekt konkreter werden und wirklich losgehen, berichte ich mehr darüber.

Fällt es eigentlich auf, dass ich inzwischen in den Berichten anders von meiner Tätigkeit als Kinderbuchautorin schreibe? Zu Beginn der kleinen Giraffe habe ich den Begriff immer noch mit einem Augenzwinkern geschrieben und mich ein wenig lustig über mich gemacht, aber inzwischen passt es. Ich fühle mich total wohl als Kinderbuchautorin und -illustratorin und habe das Gefühl, dass ich keine Rolle spiele, sondern dass ich das bin. Es ist schwer zu erklären. Vielleicht ist es so, weil ich seit vielen Jahren schon Kinderbücher machen wollte und jetzt merke, dass es wirklich genau das ist, was ich machen möchte und bei dem ich mich total wohl fühle. Vielleicht muss ich es irgendwann wieder aufhören, weil es weiterhin nur viel Geld kostet und ich immer nur versuche, vor dem nächsten Druckauftrag aus dem Minus des vorherigen zu sein, was auf Dauer frustrierend sein kann. Aber vielleicht gehe ich auch gerade konsequent meinen richtigen Weg. Ich warte mal entspannt ab, was kommt. So lange es mir so viel Spaß macht, ist ein Aufhören unwahrscheinlich. Sieht also ganz so aus, als würde ich in den nächsten Jahren den Markt überschwemmen. Ähm, sagen wir mal, ich überflute ihn von zuhause aus in kleinen Eimerchenportionen.


16 - Sonntag, 17. August 2008
Ja! Ich fange mit den Apfelquieker- Illustrationen an! Wird auch Zeit. Mitten im Aufräumen, Wegräumen und Videoschneiden überlege ich, wie ich meine gleichzeitig laufenden Projekte bis zum Ende des Jahres am besten einteile. Dabei fällt mir auf, dass die Bilder zum neuen Buch Mitte September fertig sein müssen, damit ich den Weihnachtstermin halten kann. Mitte September ist in vier Wochen. Irgendwie hatte ich das Buch bis Ende Dezember auf meinem persönlichen Zeitplan, habe dabei aber übersehen, dass ich viel früher komplett damit fertig sein muss, weil den Rest der Arbeit die Druckerei und die Binderei übernehmen. Na toll. Ob meine Koordinations-Mitarbeiterin ihren Posten wirklich behalten soll? Von Zeiteinteilung hat sie ja anscheinend null Ahnung.

Ich hole sofort meine Farben aus dem Schrank und lege los. Der Text ist zwar noch nicht von den Testlesern zurück, so dass es noch Kürzungen oder Ergänzungen geben kann, die Auswirkungen auf die Bildgrößen haben können, aber es gibt einige Bilder, die auf jeden Fall im vorgeplanten Format bleiben werden. Mit denen fange ich an. Sofort geht es spannend los: Tim findet den Apfelquieker:


Wenn das mal nicht eines der Bilder ist, das viel zeigt, aber gar nichts verrät! Zugegeben, noch ist der Apfelquieker nicht als solcher zu erkennen, sondern liegt platt in der Gegend und erinnert an einen nassen, grünen Waschlappen, aber das wird sich auf den späteren Bildern ändern. Und wenn nicht, ändere ich den Titel einfach in “Tim und der nasse, grüne Waschlappen”. Ein reißerischer Titel, der ganz sicher hochgezogene Augenbrauen und sehr fragende Blicke auslösen wird.

Seltsam, die kleine Giraffe, die mich so lange als “mein Buch” begleitet hat, beschäftigt mich zwar immer noch stark mit Lesungen und Buchbestellungen und ist ein wichtiger Teil in meinem Leben, aber sie rückt plötzlich in den Hintergrund und Tim und der Apfelquieker sind mein aktuelles Buch. Bisher aber nur für mich. Für alle anderen ist es noch eine unbekannte Geschichte, die irgendwann in der Zukunft mal zu lesen sein wird. Und so kommt es mir fast ein wenig falsch vor, als ein Reporter von einem Regionalmagazin vorbei kommt, der über das Giraffenbuch schreiben möchte. Giraffe? Ach ja, mein letztes Buch.

Das Illustrieren dauert mal wieder unglaublich lang. Wenn ein Bild fertig ist, kann ich selber nicht glauben, dass ich da mehrere Stunden dran gesessen habe. Dabei arbeite ich zwar nicht schnell und hektisch, aber doch durchgehend. Aber bis alle Blätter grün sind und es dort hell und dort dunkel ist, dauert es einfach lange. Ich glaube, dass ich in den nächsten vier Wochen ziemlich dranbleiben muss, damit ich den Termin gut schaffen kann.

Immerhin hat Tim am Ende nicht mehr weiße, sondern seine eigenen braunen Haare, der Apfelquieker liegt tief im schattigen Gebüsch, so dass er nur noch zu erahnen ist und das Bild hat meinen typischen farbig bemalten Rand. Ich bin drin und es macht super viel Spaß!



17 - Sonntag, 24. August 2008
Äpfel, Apfelquieker, Tim.
Schreibe einen Aufsatz über 36 Seiten, in dem diese drei Begriffe vorkommen und male Bilder dazu!

Kein Problem. Zum Reinschnuppern mal zwei weitere, noch unfertige Bilder, auf denen Äpfel und Tim zu sehen sind, aber noch kein Apfelquieker. Dafür die Mutter, jetzt doch nicht blond, sondern schwarzhaarig, deren Kleid unbedingt ein Rosenmuster bekommen musste. Keine Ahnung warum, aber ich habe das sichere Gefühl, dass Tims Mutter so was trägt.
















Momentan laufen Überlegungen zum lateinischen Namen des Apfelquiekers. Zum Glück steht mir eine engagierte Lateinlehrerin zur Seite. Engagiert heißt in diesem Fall nicht, dass ich sie engagiert habe, sondern dass sie selber sehr engagiert ist. Im Baukastensystem kann ich mir einen schönen Namen basteln, der übersetzt “Obstfuchs” oder “Wegen der Äpfel quiekend” oder “Obst essendes Hündchen” oder “Wolf, der durch Obst jault” heißt. Ich glaube, am Ende wird es auf ein einfaches “Apfelhündchen” hinauslaufen. Der lateinische Name wird mehrfach in der Geschichte genannt und da wäre ein ganz langer, komplizierter Name nur beim ersten Mal lustig und ab da nervig, glaube ich.

Bei der Giraffengeschichte trudeln jetzt, nach den Sommerferien verstärkt Anfragen von Grundschulen wegen einer Lesung ein. Es spricht sich herum, dass ich die mache, auch wenn es manchmal nach der ersten Anfrage noch Wochen dauert, bis der endgültige Termin steht. Dass sich alle Klassen einer Grundschule auf einen Tag einigen müssen, an dem weder Schwimmunterricht, noch Projektwoche, noch Sportfest ist, scheint nicht immer ganz einfach zu sein. Aber ich lese lieber in an einem Vormittag in mehreren Lesungen komplett für eine ganze Schule, als nur vor einer einzelnen Klasse. Ist doch viel netter, wenn alle Kinder nachher auf dem Schulhof darüber sprechen können und es eine Art Schulveranstaltung war. Übrigens gibt es immer öfter Kinder, die zu Beginn der Lesung aufzeigen und freudig sagen, dass sie das Buch schon kennen. Es wird Zeit, dass ich demnächst mal sagen kann: “Haha! Stimmt ja gar nicht. Ich habe mein neues Buch dabei und das kannst du nach gar nicht kennen. Ätsch!” 


18 - Sonntag, 31. August 2008
Eine für das Apfelquieker-Kinderbuch sehr unproduktive Woche liegt hinter mir. Ich mache so viele andere Sachen, dass für die Illustrationen kaum Zeit bleibt. Das muss sich dringend ändern! Aber manchmal gibt es einfach Wochen, in denen andere Sachen wichtiger sind. Leute kennenlernen, mit Freunden grillen, lange Telefongespräche führen, überlegen, welche Projekte man in der Zukunft noch machen möchte und was verloren gehen wird, ganz viele Anfragen zu Giraffen-Lesungen beantworten, ein lang bearbeitetes Video endlich fertig machen, Theaterproben haben, die viel Zeit kosten, aber auch sehr viel Spaß bringen, die flugunfähige Taube in ein improvisiertes Gehege setzen und überlegen, ob sie einen flugunfähigen Partner bekommen soll, bei einer TV-Vorpremiere Chips essen und die Sendung gucken und Vorbereitungen treffen für den Ferienhund, der in den nächsten acht Wochen bei uns wohnen wird. Es ist fast ein Wunder, dass ich trotzdem noch eine ganze Illu geschafft habe!

In der nächsten Woche muss das aber deutlich besser klappen, sonst läuft meine Verlegerin wohlmöglich mit vorwurfsvollem Gesicht durch die Gegend und verbreitet miese Stimmung. Mal sehen, ob ich sie zum zufriedenen Lächeln bringen kann.



19 - Sonntag, 7. September 2008
Manchmal bekomme ich jetzt Giraffenfiguren, Giraffenschlüsselanhänger oder Giraffenmagnete geschenkt - passend zur kleinen Giraffe. Was passiert, wenn das Apfelquieker-Buch da ist? Es wäre sinnvoll, wenn ich gleich die passenden Apfelquiekerfiguren, Apfelquiekermagnete und Apfelquiekerkuscheltiere in Auftrag geben würde, um bei Nachfrage sofort reagieren zu können. Auf den Handel kann ich mich da wohl nicht verlassen. Prima Idee, aber vorher gibt es ein anderes Problem: Ich muss zuallererst mal das Apfelquiekerbuch fertig machen! In der vergangenen Woche habe ich nämlich NICHTS daran gemacht. Ich buchstabiere: N-I-C-H-T-S. Ist das der Weg zur erfolgreichen Kinderbuchautorin? Ich glaube nicht.

Das Problem ist nicht, dass ich allgemein NICHTS gemacht hätte. Im Gegenteil, ich war ständig beschäftigt. Nur das Buch kam zu kurz. Einerseits finde ich das ziemlich blöd, weil ich ja bald fertig sein möchte, andererseits hatte ich so schöne Termine in der letzten Woche, dass es total schade gewesen wäre, die einfach zu verpassen. Ich habe so viel gute Laune, neue Gedanken, Kreativität und Energie mitbekommen und mitgenommen, dass ich jetzt mit großer Begeisterung an meine Arbeit gehen werde. Das wird fluppen, das merke ich.

Vor allem die in der letzten Woche ungewöhnlich häufigen Begegnungen mit einem selber sehr kreativen und energiereichen Menschen haben mir einen ganz deutlichen Anschub gegeben. Schon bisher habe ich durchgezogen, was mir wichtig war und viel Energie in meine Projekte gesteckt. Jetzt habe ich bewußt für mich entschieden, dass ich das Kinderbuchmachen verstärkt und zielgerichtet weiterführen werde. Nicht mehr hobbymäßig nebenbei, wenn mir mal eben Zeit bleibt, sondern mit Einsatz und Energie. Wenn ich Kinderbuchautorin sein will, dann richtig.

Natürlich lasse ich jetzt nicht alle anderen Interessen komplett fallen, sondern mache weiterhin sehr gerne Videos, besuche Veranstaltungen, pflastere Grillplätze oder buddel im Garten. Aber der Anteil “Kinderbuch” in meinem Leben wird - auf Kosten anderer Sachen - deutlich höher werden. Etwas störend an dem strahlenden Plan ist, dass ich wirklich noch ganz am Anfang stehe und auch 1600 verkaufte Bücher nicht zum Leben reichen würden. Wenn da mehr als ein zeitintensives Hobby draus werden soll, muss ich mehr Bücher machen und mehr Bücher verkaufen. Ich habe keine Ahnung, wie das funktionieren wird, aber ich lache vergnügt und summe ein energiereiches: “Man kann alles, wenn man nur will!” Ich lege einfach los, der Rest wird kommen.

Der Motivations- und Energiepegel in mir ist übrigens so hoch, dass ich mich schon bei dem Gedanken erwische, warum das nächste Buch nach dem ‘Apfelquieker’, der ‘Prinz Ferdinand König’, nicht schon im nächsten Sommer fertig sein kann. Wenn ich mich ab Oktober mit voller Energie dransetzen würde ...?  - OK, ich sollte es nicht übertreiben. Zumal ich am Montag schon wieder den ganzen Tag unterwegs sein werde. Netterweise sehe ich noch einmal den mich so motivierenden Menschen, so dass ich danach vor Energie bestimmt platzen werde. Tja, und das war’s dann mit dem schönen Plan.



20 - Sonntag, 14. September 2008
Ein öffentliches Stadtteilfest mit vielen Besuchern, ich bin gefragt worden, ob ich eine Lesung machen kann. Ich komme 45 Minuten vor dem Termin an und suche 20 Minuten lang den Raum, in dem ich lesen soll oder jemanden, der mir dazu etwas sagen kann. “Sie sind die Autorin? Schön! Nein, ich habe keine Ahnung, wo Sie lesen werden, aber schön, dass Sie da sind.” Mehrere Plakate mit der kleinen Giraffe hängen an den Wänden, überall steht “Lesung, 15 Uhr” drauf. Aber wo? Endlich erfahre ich, dass es in der Bücherei stattfinden wird. Dort ist mir vorher gesagt worden, dass ich da ganz sicher nicht eingeplant bin. Jetzt läuft gerade ein kurzer Bilderbuchdiavortrag für die ganz Kleinen. Ich kann meinen Beamer erst aufbauen, wenn der Vortrag fertig ist. Nach dem kurzen Bilderbuchdiavortrag werden die drei Zuhörer gefragt, ob sie noch einen weiteren Bilderbuchdiavortrag sehen wollen. Na klar, wollen sie. Es gibt einen weiteren Bilderbuchdiavortrag, diesmal etwas länger. Ich stehe abwartend herum, studiere die Buchtitel und spüre meinen Blutdruck steigen. Derweil wird draußen über Lautsprecher angesagt, dass meine Giraffenbuchlesung um 15 Uhr in der -Turnhalle- des Kindergartens stattfinden wird.

Sieben Minuten vor 15 Uhr verlassen die drei Kinder die Bücherei und ich kann endlich den Beamer aufbauen. Die Verlängerungsschnur reicht knapp bis zur hinteren Steckdose, die näher gelegene Steckdose ist kaputt. Zum Glück steht die technische Verbindung sofort, das Beamerbild erscheint sauber auf der Leinwand und ich muss nicht lange herumprobieren. Eine Minute vor 15 Uhr laufe ich schnell zum Ansager, der verspricht, dass er in der nächsten Musikpause, wenn die Liveband mal leise ist, sagen wird, dass die Giraffenlesung nun doch in der Bücherei stattfindet. Das wird eindeutig zu spät sein.

Zwei Minuten nach 15 Uhr schlage ich meinen Text auf. Es sind 20 Kinder und 6 Eltern da. Die übrigen 100 Kinder befinden sich draußen oder suchen im Turnraum nach der Autorin. Drei der Kinder in der Bücherei haben die Giraffenlesung schon bei einer meiner Lesungen in der Grundschule gehört, möchten sie aber gerne nochmal hören. Sie strahlen mich an: “Ich kenne dich!” Ich fange an zu lesen, die Kinder hören gebannt und aufmerksam zu und lassen sich auch nicht vom Lärm der gleich nebenan aufgebauten Cafeteria stören. Zwanzig Minuten später bin ich fertig, die Kinder und Eltern klatschen zufrieden, stehen auf und verlassen auf der Suche nach weiteren Attraktionen die Bücherei. Ich packe meine Sachen zusammen, verabschiede mich und bin fünf Minuten später schon auf dem Weg zum Auto.

Den ganzen Rückweg über finde ich das Erlebnis sehr amüsant. Wäre ich eine berühmte Autorin, die richtig viel Geld für ihre Lesungen nimmt, hätte ich vermutlich weder meinen Raum lange suchen, noch warten müssen, bis die Leseecke frei wird. Trotzdem finde ich es richtig, dass ich solche Situationen erlebe, denn ich muss einfach klein anfangen, um später auch von den lustigen Begebenheiten der ersten Lesungen erzählen zu können. Die Reihenfolge muss eingehalten werden. Es geht klein los und wird immer größer. Ich weiß ganz sicher, dass das nur der Anfang ist.

Auf der Rückfahrt entscheide ich gut gelaunt, dass meine Lesungen ab dem nächsten Jahr Geld kosten werden. Nicht viel, aber als Zeichen, dass ich es ernst meine und dass es ernst genommen werden muss. Außerdem weiß ich inzwischen, dass ich eine gute Rundum-Leistung liefere, bei der die Kinder sich wohl fühlen und dass ich nicht nur laienhaft aus meinem Buch vorlese. In meiner Biographie wird das Kapitel “Wie ich von der netten, schreibenden Hausfrau zur eiskalten Profi-Autorin wurde - mein Ruf als Zicke” seinen entsprechend großen Platz finden.


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