KINDERBUCH-BLOCK 6   Teil 51-60

Kinderbuchblock Nummer:
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51 - Sonntag, 19. April 2009
Das Weihnachtstheaterstück ist in der ersten Version fertig und dem Regisseur gefällt es. Das freut mich sehr, denn ich finde den Regisseur toll und weiß, dass der auch aus einem vorgelesenenTelefonbuch eine richtig tolle Inszenierungen machen könnte. Natürlich muss ich das Stück nochmal kräftig überarbeiten, einige Rollen ausbauen und vielleicht noch passende Rollen für unsere Theatergruppe dazu schreiben, aber wenn die Grundgeschichte steht, geht das voraussichtlich recht schnell. Es sieht also sehr danach aus, dass etwa im November ein von mir geschriebenes Theaterstück mehrfach öffentlich auf die Bühne kommt. Unglaublich! Und spannend. Und irgendwie nicht ganz zu fassen. Ich bin mal gespannt, wie ich die Proben erlebe. Erkenne ich die Geschichte dann noch wieder, oder werde ich rumzicken, meine Haare raufen und immer wieder schreiend aufspringen: “So habe ich das nicht gemeint! Ihr ruiniert mein Stück!” Wäre eigentlich eine gute Gelegenheit als durchgeknallte Autorin mit Diva-Verhalten eine neue Facette meines Charakters zu zeigen.

Vorher muss ich aber noch an den Liedern für das Weihnachtstück arbeiten. Es soll ja nicht nur ein Theaterstück sein, sondern auch etwas von einem Musical haben. Manchmal denke ich, ich bin völlig übergeschnappt. Theaterstück, Musical -  Ich habe noch nie im Leben ein Lied geschrieben! Allerdings habe ich Leute in meiner unmittelbaren Nähe, die das können und denen ich einfach die ungefähre Melodie vorsummen werde, damit sie eine tolle Musik daraus machen. Ich weiß nicht warum, aber ich bin fest überzeugt, dass das klappt.

Aber schon die Texte für die Lieder zu schreiben, finde ich nicht einfach. Oft habe ich einen wunderbaren Satz im Kopf, scheitere aber schon am Reimwort. Auf ein romantisches “Ich schwebe leicht und schwerelos auf einer Wolke” reimt sich nur “Molke”. Molke passt nicht zum Thema. Je schöner das Lied werden soll, desto schwieriger finde ich es, einen gefühlvollen, aussagekräftigen Text zu finden, der sich hinten reimt. Ganz leicht fallen mir Reimereien wie:
“Ich sitze leicht und schwerelos auf einer Wolke.
In der Hand ‘ne eisgekühlte Molke.
Täglich fliege ich durch’s Himmelblau.
Die Molke war schon schlecht und mir ist flau.”
So was geht mir locker von der Hand, aber so was will ich nicht im Weihnachtsstück haben.
Aber das wird schon. Ich bin zuversichtlich. Vielleicht auch größenwahnsinnig.

Weil das Weihnachtsstück jetzt erstmal aus dem Kopf ist, habe ich freie Bahn für “Prinz Ferdinand König”. Endlich! Wenn ich das Buch bis zum Ende des Jahres fertig haben möchte, wird es ja Zeit. Vor allem, weil ich mir ja ein höchst kompliziertes Konzept mit doppelseitigen Bildern und Erzähltexten aus verschiedenen Perspektiven ausgedacht habe. Was heißt ausgedacht? Angedacht. Ob das überhaupt funktionieren kann, sehe ich, wenn ich mich jetzt mal ernsthaft an die Ausführung setze.

Und da der erste Satz der Geschichte immer wichtig ist, weil er Spannung erzeugen und neugierig machen sollte, verrate ich jetzt, wie der bei “Prinz Ferdinand König” sein wird:
“Zuerst war nur ein tiefes Grollen zu hören.“
OK, war etwas kurz. Hier kommt noch der zweite Satz: “’Grrrrr’ machte es, und es schien, als würde der Boden leise zittern.”

Spannend, oder?






52 - Sonntag, 26. April 2009
Ich bekomme eine Privatstunde zum Thema “Liedtexte schreiben”. Dozent ist ein Liedschreiber, der seine eigenen Texte singt, Chart-Erfahrung hat und seine Stilrichtung mit den Wise Guys nicht mehr A-cappella, sondern Vocal-Pop nennt. Beste Voraussetzungen also, damit auch ich im nächsten Jahr mit meinen Liedern die Charts stürme. Als ich ihn frage, ob er sich mit mir mal übers Texteschreiben unterhalten kann, sagt er sofort zu und wir treffen uns. Ich bekomme von ihm sehr gute Hinweise zum allgemeinen Aufbau von Liedtexten, zur Rhythmik und was ich alles versuchen kann, wenn es hakt. Manche Sachen hatte ich so ähnlich schon angedacht und es ist schön, dass er es bestätigt, auf andere wäre ich nicht alleine gekommen. Auf jeden Fall sind wir uns einig, was NICHT gut gereimt ist. Er findet zur “Wolke” als Reimwort außer der “Molke” auch noch “Volke”, was einerseits zeigt, wie gut er Reimworte finden kann, was andererseits von uns beiden aber sofort als ebenfalls unbrauchbar verworfen wird. Es bleibt also nur, den Satz neu zu bauen. Mir gefällt, dass er die Sache nicht lächerlich sieht und mir gönnerhaft ein paar Kennertipps vor die Füße wirft, sondern dass er ganz ernsthaft Fragen beantwortet, mit mir beispielhaft Zeilen aufbaut und anscheinend durchaus die Möglichkeit sieht, dass bei mir ordentliche Lieder rauskommen könnten. Ob es so ist, wird sich ja erst zeigen, aber er nimmt mir nicht den Mut, sondern unterstützt eher, es einfach zu versuchen. Es ist allerdings klar, dass das, was bei ihm gut funktioniert, nicht zwangsläufig auch bei mir klappen muss.

Ich könnte unter meine späteren Texte fett setzen: “Nach den Tipps von Daniel Dickopf geschrieben”, womit ich gut aus der Verantwortung wäre und manche Leute tief beeindrucken würde, aber leider ist auch der beste Intensivkurs keine Garantie für eigene gute Texte. Ausprobieren und kreativ werden muss ich jetzt selber. Und dabei möglichst natürlich schreiben, es hinten reimen lassen, nicht kitschig oder abgedroschen werden, das aussagen, was ich meine und die Kernaussage in den Refrain bringen. Trotz dieser vielen Vorgaben sehe ich seit dem Gespräch unglaublich viele Möglichkeiten. Es kommt nur auf mich an, einen der richtigen Wege zu finden. Es sind genügend da. Sehr motiviert fahre ich nach Hause.

Leider habe ich ab da bis zum Sonntag ganz viele andere Sachen zu tun und kann mein neu erworbenes Wissen nicht sofort umsetzen. Dabei habe ich so große Lust mich intensiv an einen Text zu setzen. Aber mal eben zwischen zwei Terminen geht das bei mir nicht. Ich brauche ungestörte Ruhe und keinen kurz danach angesetzten Termin, für den ich immer wieder auf die Uhr gucken muss. Immerhin habe ich jetzt mein Notizbuch immer griffbereit, in das ich spontane Textideen eintrage. Und in der Buchhandlung habe ich ein Reimlexikon bestellt. Und wie ich meine Hirnwindungen kenne, brauen sich da schon die ersten Sachen zusammen und kommen rausgeschossen, sobald ich mich entspannt an die Arbeit setze.

Prinz Ferdinand König ist übrigens schon im Kreise seiner Familie vorgestellt, aber ich glaube, ich schreibe das nochmal. Ich wollte doch deutliche Perspektivwechsel haben und beim ganzen Erklären wer wo warum lebt, ist das verloren gegangen. Ich weiß noch nicht wie, aber ich muss das anders lösen.



53 - Sonntag, 3. Mai 2009
Es ist Mai und mein Kreativmonat ist vorbei. Schade. War der nicht viel kürzer als andere Aprils? Auf jeden Fall sollte ich im nächsten Kreativmonat mein Telefon abstellen und gar nicht erreichbar sein. Oder wirklich mal in Urlaub fahren. Oder ich schicke mein Telefon in einem Karton an einen schönen Urlaubsort und da kann es klingeln so viel es will und ich kann nicht drangehen. Das könnte mir eine völlig ungestörte Zeit ermöglichen. Ich sollte ernsthaft darüber nachdenken. Aber trotz vieler kleiner ungeplanter anderer Dinge habe ich ganz viel von meinen eigenen Sachen geschafft. Buchsbäume im Garten aus- und eingegraben, verwunschen zugewachsene Waldwege bei Hundespaziergängen entdeckt, ein Theaterstück geschrieben, nette Leute getroffen, Videosachen geschnitten, das Prinz Ferdinand König- Buch begonnen und mich tatsächlich erholt.


Zum Abschluß meines Kreativmonats gehe ich ins neue Programm von Rainald Grebe. Es ist zwar eigentlich schon Mai, aber ich zähle das Wochenende einfach noch zum April, weil ich meine Kreativzeit gerne mit Rainald Grebe abschließen möchte. Ein längeres Gespräch mit ihm im letzten Jahr - über eigentlich ganz andere Sachen - wurde zum Auslöser, dass ich eine neue Einstellung zu meiner Arbeit an den Kinderbüchern bekam. Mir wurde plötzlich klar, dass ich sie nicht mehr als Nebensache machen werde, sondern wenn, dann richtig. Das war der Wandel von “Hausfrau tippt Geschichten am Küchentisch, während die Kartoffeln kochen” zu “Autorin schreibt und illustriert Kinderbücher”.


Die Einstellung “zu MACHEN” hatte ich natürlich auch vor Rainald Grebe schon, aber dass ich jetzt bewusst und konsequent viel Energie, Zeit und Kreativität in meine eigene Arbeit stecke, sie zum Schwerpunkt mache, ist Folge des Gespräches. Nicht nur des Gespräches. Ich mag es auch, wie kreativ er arbeitet, immer an Neuem interessiert ist und dass ich bei all seiner äußeren Ruhe das innere Feuer spüren kann. Er lässt sich nicht aufhalten, und so muss es sein. Mein Leben hat also eine entscheidende Kurve gemacht, und ich bin sehr dankbar, dass sich meine Lebensbahn mit der von Rainald zu einem richtigen Zeitpunkt geschrammt hat. Nachdem vor 20 Jahren der Illustrator Helge Eicken meine Arbeitsmotivation entscheidend beeinflußt hat, weil ich mir ab da auch in Stress- und Unlustzeiten bewußt Zeit fürs Illustrieren genommen habe, in der Freude auch die Pflicht gesehen habe, hat Rainald Grebe bewirkt, dass ich seit dem letzten Jahr überzeugt sage: “Ich mache Kinderbücher”.


Ein Besuch im Bilderbuchmuseum Troisdorf bringt eine weitere Erkenntnis: Ich mache genauso weiter wie bisher. Eigentlich gehe ich hin, um ehrfürchtig Bilder zu bestaunen und neue Ideen und ungewöhnliche Buchkonzepte auf mich wirken zu lassen. Aber es ist alles ziemlich normal. Natürlich gibt es ganz wunderbare Bilder, aber es gibt auch viele Bücher und Bilder, die mir überhaupt nicht gefallen. Außerdem wird mir bewusst, dass jedes Jahrzehnt eine Bilderbuch-Mode hat, in der Illustrationen und Themen oft im “neuen Trend” gestaltet werden. Vermutlich bin ich ganz weit weg vom jetzigen Trend, aber nach Sichtung vieler Bilderbücher im Museum fahre ich nicht klein und verzagt nach Hause, was ich vorher befürchtet hatte, sondern sehr motiviert und mit der Gewissheit, dass ich meinen eigenen Stil weiter ausbauen werde und nicht gucken muss, wie andere es machen und wie der momentane Trend ist.



54 - Sonntag, 10. Mai 2009
Im Arbeitszimmer sitzen und an Prinz Ferdinand König schreiben? - Kann ich vergessen. Zumindest in dieser Woche, denn ich bin ständig beschäftigt, ohne Zeit zum Kinderbuchschreiben zu haben. In der Woche habe ich an drei Vormittagen Lesungen, nachmittags schneide ich an Videos, die dringend fertig werden sollen, zwischendurch gehe ich in den Garten, um den einigermaßen für den Sommer vorzubereiten, sortiere die Kisten, habe mehrere Besprechungen und bin an zwei Abenden auf Veranstaltungen. Außerdem kochen, spülen, waschen und ganz viel Kleinkram erledigen.

In der Mitte der Woche geben ich jeden Anspruch auf kreatives Arbeiten am Kinderbuch auf und begebe mich bewusst ans Videoschneiden und die anderen Sachen. Dann lieber zügig damit weiter kommen, damit in der nächsten Woche hoffentlich wieder das Buch dran ist. Auch mein Ferienhund fährt gut erholt wieder nach Hause, so dass ab jetzt die Spaziergänge und Beschäftigungszeiten mit ihm wegfallen. Einerseits schade, andererseits gut.

Wenn ich könnte, würde ich das Jahr scharf ausbremsen und nochmal auf März zurückdrehen. Es läuft zu schnell für mich. Oder ich will zu viel reinpacken. Wenn ich Ende des Jahres mein neues Kinderbuch veröffentlichen will, muss ich mich ranhalten. Es muss Ende Oktober in die Druckerei gehen und das sind nur noch gute fünf Monate. Oder knappe sechs. Ich darf gar nicht so genau darüber nachdenken, sonst breche ich alle privaten Kontakte für die nächsten vier Monate ab, schließe mich in mein Arbeitszimmer ein und arbeite nur noch.

Naja, andererseits sind es noch lange fünf Monate bis Ende Oktober. Oder sogar fast sechs. Ein halbes Jahr! Was flippe ich denn so hektisch rum?




55 - Sonntag, 17. Mai 2009
Prinz Ferdinand König ist unterwegs. Endlich! Und sofort passieren ihm wieder Sachen, die ich selber gar nicht plane. Ich tippe und staune. Es ist verblüffend, was ich für Gedanken in meinem Kopf habe. Abgesehen von den vielen Spontanideen, die ich in den vergangenen Wochen auf Zetteln notiert habe und die zum Teil gar nicht mehr zur Geschichte passen. Aber egal, dann passen sie vielleicht zur nächsten.

Es ist ein komisches Gefühl, dass das Leben der Personen und der Ausgang der Geschichte in meiner Hand liegt. Alles, was ich aufschreibe, findet statt. Aber bevor ich es aufschreibe, habe ich tausend Möglichkeiten. Ich sehe die Szene vor mir und schreibe sie in schwarzen Buchstaben auf, wenn sie mir gefällt oder sehe sie nochmal anders, wenn ich glaube, es könnte dann besser sein. Manchmal finde ich mehrere Varianten gut und muss mich entscheiden. Das ist nicht immer einfach, denn alles hat Auswirkungen auf den Verlauf der Geschichte. Kommt der Bauer lässig den Berg hoch oder stolpert er ihn gerade mit Geschrei runter? Warum schreit er? Hat er eine Kuh dabei oder ist er doch lieber ein Bäcker mit Broten in einem knarrenden Handwagen? Lacht Prinz Ferdinand König ihn an oder tritt er ihn vors Schienbein? Wenn ich will, lasse ich jemanden eine Goldmünze finden oder ich lasse ihm das Dach vom Haus wegfliegen.


Ich finde, es ist eine große Verantwortung, die ich über so eine kleine Welt habe. Aber eigentlich machen die dort, was sie wollen und ich gucke nur zu und schreibe auf. Das Gefühl habe ich jedenfalls oft. Vermutlich müssen kreative Geschichtenschreiber einen an der Klatsche haben oder zumindest viele kleine Gehirnwindungen im Kopf, in denen seltsame Leute und komische Tiere leben. Ich bin wirklich froh, dass es bei mir so nett und niedlich zugeht und nicht blutrünstige Mörder und tropfende Zombies durch die Hirngänge geistern. Da könnte ich wahrscheinlich gar nicht mehr schlafen.




56 - Sonntag, 24. Mai 2009
Ist es nicht toll, dass ich beim Schreiben von Prinz Ferdinand König manchmal laut loslachen muss und richtig viel Spaß habe? Selbst wenn ich das Buch niemals fertig bekommen sollte, habe ich so viel Vergnügen bei der Vorarbeit gehabt, dass es sich dafür schon gelohnt hat. Momentan blende ich noch völlig aus, dass mein strenges Aufteilungskonzept demnächst für große Probleme sorgen kann. Meine Pläne für eine etwas außergewöhnliche Bildaufteilung setzen voraus, dass der Text der einzelnen Erzählphasen genau in den dafür vorgesehenen Platz passt. Das kann grandios schief gehen. Warum sollte der Erzählstrang genau auf Seite 12 unten rechts zu Ende sein, nur weil ich auf Seite 13 ein Bild haben will? Aber ich bin total optimistisch. Das Buch wird richtig gut werden, da bin ich mir sicher. Auch die Lieder für das Theaterstück werden sehr gut werden und vielleicht singe ich die sogar selber ein. Zur Erinnerung: Ich habe noch niemals einen Liedtext oder ein Lied geschrieben und meine Stimme reicht für einen Chor, aber nicht für eine Solokarriere. Warum will ich das trotzdem machen und warum gehe ich davon aus, dass es klappen wird?

Vielleicht stört meine überschäumende Energie die Synapsenverbindungen im Hirn, so dass ich zum Höhenflug starte und mich grandios selbst überschätze. Vielleicht merke ich aber auch, dass zurzeit alles bei mir drin ist. Und als wäre es so geplant, bekomme ich auch noch ein total interessantes Angebot für ein gemeinsames Buch. Während ich im Gespräch noch denke: “Nein, geht nicht. Ich habe keine Zeit dafür. Bis Oktober muss ich ganz intensiv an Prinz Ferdinand König arbeiten, damit der rechtzeitig in die Druckerei kann und ich lasse den nicht für ein anderes Projekt sausen”, sagt mein Gegenüber: “Ich könnte übrigens nicht vor Oktober damit anfangen.” Peng! Oktober. Das würde ja perfekt passen. Wer winkt mir da zu? Das Schicksal? Schon auf dem Rückweg nach Hause weiß ich, dass ich das Projekt gerne machen möchte. Auch hier: Ich habe das in so einer Form noch niemals vorher gemacht.

In den Tagen danach gucke ich mir ein ähnliches Projekt an und bin mir ganz sicher, dass ich das besser kann. Und ich weiß, dass das keine Selbstüberschätzung ist, sondern die Realität. Aber denken nicht alle Selbstüberschätzer, sie würden es realistisch sehen und es besser können? Der Unterschied bei mir ist nur: Wenn ich denke, ich kann es, klappt es auch. Gegen die viele Energie und mein inneres Strahlen kommen die Zweifel und Unsicherheiten einfach nicht an. Außerdem nehme ich mir schlauerweise nicht vor, plötzlich fliegen zu können oder einen Marathon zu laufen. Ich weiß schon, wo meine Grenzen sind. Sie liegen jedenfalls nicht auf Seite 12 und Seite 13 von Prinz Ferdinand König. Wenn ich den Text dort passend haben muss, kriege ich das schon hin. Ich weiß noch nicht wie, aber es wird klappen. Erstmal schreibe ich jetzt die Geschichte und lache weiter glucksend vor mich hin. Die Aufteilung kommt dann von ganz alleine.



57 - Sonntag, 31. Mai 2009
Mir fehlt Zeit. Im Kalender häufen sich Termine und ich habe ständig was zu tun. Oft drei Sachen gleichzeitig. Mein persönliches Vorhaben, dass ich etwa halbtags an meinem Kinderbuch arbeite, lässt sich momentan gar nicht durchführen. Allein in dieser Woche besuche ich drei Theaterabende und bin außerdem auf einem ganztägigen Ausflug dabei. Alles macht viel Spaß, aber mein Buch schreibt sich nicht alleine. Zuhause schneide ich stundenlang an dringenden Videosachen und seltsamerweise häufen sich gerade jetzt Anfragen nach Illustrationen und der Mitarbeit bei Sonderprojekten. Geht aber fast alles nicht, weil ich zuerst einmal mein eigenes Buch machen möchte.

Die Woche ist im Arbeitsergebniss also nicht vorbildlich, aber sie ist trotzdem gut, denn ich bekomme wichtige Anregungen und Erkenntnisse:

- Beim Kinderbuch wird mir klar, dass ich die Geschichte schon in der ersten Fassung viel stärker aus unterschiedlichen Perspektiven schreiben sollte und ich ändere die bis jetzt geschriebenen Szenen daraufhin nochmal um. Das funktioniert besser, als ich vorher dachte.

- Bei einem Kindermusical entdecke ich den CD-Sprecher für Prinz Ferdinand König. Er ist im vierten Schuljahr, ich höre ihn reden und bekomme sofort große Ohren. Genau so stelle ich mir meinen Prinzen vor. Zurückhaltend, bedächtig, aber mit einer klaren Aussprache und großer Natürlichkeit. Wäre toll, wenn es klappen würde.

- Während eines anderen Theaterstückes in der Kölner Scala kommt mir die Erkenntnis, wie die Lieder in meinem Weihnachts- Theaterstück von mehreren Leuten gesungen werden können, damit sie voller klingen. Warum nicht richtige Musicalszenen mit Backgroundchor einbauen?

- Und: Bowlen macht Spaß, ist aber eine Gefährdung der rechten Hand, die ich für Illustrationen brauche.

Vielleicht sind zwischendurch eingelegte Theaterbesuche und Wandertage trotz vieler Arbeit doch ganz gut, denn der Kopf wird mal wieder frei und nimmt neue Anregungen an. Wie ich allerdings bis Ende Oktober meinen Prinz Ferdinand König fertig haben soll, ist mir ein großes Rätsel. Aber ich lasse mich einfach mal von mir überraschen. Mal sehen, welchen Trumpf ich im Ärmel habe. Wobei ich befürchte, dass alles noch stressiger wird, wenn ich jetzt auch noch Karten spielen will und Trümpfe verstecke.



58 - Sonntag, 7. Juni 2009


Das Bild hat überhaupt nichts mit Prinz Ferdinand König zu tun, das sage ich mal gleich. Ich habe es vor einigen Jahren für die nie fertiggestellte Geschichte einer Prinzessin, die nicht Prinzessin sein wollte, gezeichnet. Aber irgendwie hat es doch ein wenig mit Prinz Ferdinand König zu tun. Der lernt nämlich auch eine Prinzessin kennen, die lieber Forscherin werden will und auch die hat einen Tanzlehrer. Der wird allerdings jünger aussehen, glaube ich. Die nie veröffentlichte einsame Prinzessin wird also abgeändert und deutlich frecher und energiereicher im neuen Prinzenbuch erscheinen. Ich weiß, dass es sie freut. Und vielleicht ist im Buch sogar Platz für ein ähnliches Bild. Mal sehen.

Mehr als die Hälfte der Geschichte ist geschrieben und mir fällt auf, dass es sehr spannend wird, ich aber gar nicht mehr so viel vom “Glück” schreibe. Es soll ja eigentlich um die Frage “Was ist Glück?” gehen. Aber wenn ich das gewollt immer wieder in den Text einbinde, nervt es. Es geht an vielen Stellen auch gar nicht so witzig abgedreht zu, wie ich es geplant hatte. Ich möchte ja gerne meinen manchmal etwas schrägen Humor einbringen, aber wenn jemandem das Herz vor Angst ganz laut schlägt, macht er keine Witze mehr. Das passt nicht. Aber ich denke, dass ich mich einfach von der Geschichte führen lassen sollte. Vielleicht ist es später genau richtig, dass es nicht immer lustig zugeht und dass es sich nicht immer um das Glück dreht. Am wichtigsten ist mir, dass es eine runde, spannende Geschichte wird, die Kinder von vorne bis hinten lesen und die sie nicht mittendrin gelangweilt aus der Hand legen.

Leider passen die Figuren meiner Geschichte ziemlich in den Trend. Das ist ein bisschen blöd, weil ich einfach weiß, dass es diese Figuren sein müssen und ich den Trend vorher nicht kannte. Einem Bericht zufolge verkaufen sich momentan nämlich Fantasygeschichten für Kinder sehr gut, in denen es Hexen, Zauberer, Könige, Ritter und Drachen gibt. Darum wird der Markt wohl gerade mit Pseudo-Mittelalter- Fantasy- Abenteuergeschichten überschwemmt. Da passe ich auf den ersten Blick gut rein. Bei mir gibt es Prinzen, Prinzessinnen, Burgen, Könige und Drachen. Trotzdem glaube ich, dass sich meine Geschichte von allen anderen unterscheiden und ganz sicher kein Harry Potter- oder Hexe Lillyfee-Aufguss wird. Dabei hilft mir, dass keine meine Figuren zaubern kann und dass ich bisher weder Harry Potter noch Hexe Lillyfee gelesen habe.

Ich weiß aber, dass in meiner Geschichte ein Prinz mitspielen muss und dass ich den nicht gerne modern habe möchte. Dann würde er nämlich ständig auf Partys gehen, trinken, rauchen und öffentlich knutschend mit seiner Freundin fotografiert werden. Wer Geschichten über solche Prinzen lesen möchte, kann sich viele bunte Zeitschriften holen. Bei mir geht es um Vanillepudding, eine geteilte Krone und einen Prinzen, der im Bademantel durch einen Geheimgang läuft. Das ist doch viel spannender.



59 - Sonntag, 14. Juni 2009
So starten Weltkarrieren: Man ist im vierten Schuljahr, spielt mit seiner Grundschule ein Theaterstück, wird von einer Kinderbuchautorin gehört und spontan als Hörspielsprecher engagiert. Für die Hauptrolle. Unglaublich. Ob das mit der Weltkarriere was wird, bleibt abzuwarten, aber der Anfang ist jedenfalls gemacht. Nach dem Kontakt über eine Lehrerin und seine Mutter telefoniere ich mit Prinz Ferdinand König. Ich habe den Sprecher für meine Hauptrolle gefunden! Witzigerweise hatte ich ihn ja noch gar nicht gesucht, aber sofort interessiert die Ohren gespitzt, als ich ihn im Theaterstück reden hörte. So redet Prinz Ferdinand König, dachte ich sofort.

Bei den anderen Sprechrollen mache ich mir bisher nur wenig Gedanken. Die andere Kinderstimme, die Prinzessin, ist schon besetzt, weiß aber gar nichts davon. Ich gehe einfach fest davon aus, dass sie freudig zusagen wird, wenn ich ihr davon erzähle. Für die Erwachsenenrollen kenne ich mehr Leute, die dafür in Frage kämen, als ich überhaupt Rollen anbieten kann. Aber ich kann ja jetzt keine “Menschenmenge” einbauen, nur um viele Sprecher unterzubringen. Obwohl ... wäre vielleicht eine coole Sache. Da könnte ich ja auch endlich Robbie Williams, Meg Ryan und Rowan Atkinson beschäftigen, weil ihr Akzent dann nicht stört. Johlen und grummeln kann man international. Na, ich warte mal ab, ob sie sich rechtzeitig bei mir melden, wenn sie davon hören.

Erstmal schreibe ich die Geschichte jetzt fertig und ich denke, dass ich mir dann auch vorstellen kann, wer passend für welche Rolle wäre. Und dann frag ich einfach ganz gezielt. Es müssen nicht nur gute Sprecher, sondern echt nette und motivierte Leute sein, denn ich kann noch immer kein Sprecher-Honorar zahlen und brauche Leute, die mit Spaß an die Sache gehen. Noch muss jeder Cent in den nächsten Buchdruck gesteckt werden und es ist schon erstaunlich, dass alle gurkentee-Mitarbeiter seit mehr als zwei Jahren klag- und völlig gehaltslos arbeiten. Aber irgendwann werde ich ja als erfolgreiche Schriftstellerin  ein wunderbares Landhaus mit eigenem See haben, und da haben meine Hör-CD-Sprecher später natürlich immer die Gästezimmer zur Verfügung. Als Dankeschön für die Unterstützung am Anfang meiner Karriere. Nach dem Motto: “Jetzt sprechen - später relaxen”. Ein verlockendes, sensationelles Angebot mit einem  - nun ja - Restrisiko.

Für die Geschichte ist mir übrigens ein Frosch eingefallen, der sich verzweifelt gegen den Kuss einer Prinzessin wehrt. Rechts die schnell hingekritzelte Skizze. Ich weiß noch nicht, ob ich den unterbringen kann, aber ich lass ihn mal auf meinem Schreibtisch sitzen und hoffe, dass er eine passende Stelle findet und reinhüpft.





60 - Sonntag, 21. Juni 2009
Kultur kostet Geld. Das merke ich ganz deutlich, als ich vor Schulkindern in der Bergheimer Stadtbibliothek lese und dabei draußen auf dem Parkplatz meine Parkzeit um ganze 12 Minuten überschreite. Zack! Zettel unterm Scheibenwischer und die Forderung von 5 Euro Verwarnungsgeld. Ich lerne daraus, dass ich demnächst lieber kurz vor Ende der Geschichte abbreche, um rechtzeitig auf dem Parkplatz zu stehen. Zumindest in Bergheim. Aber irgendwann werden sie auf diesem Parkplatz bestimmt eine Bronze-Gedenktafel enthüllen, auf der steht: “Hier parkte die berühmte Kinderbuchautorin Anette Dewitz zwölf Minuten zu lang.” Aber ich weiß noch nicht, ob ich zur Enthüllung kommen möchte.

In der Woche bestimmen Lesungs-Vormittage und die Wise Guys meinen Tagesablauf. Die Lesungen sind lange abgesprochen, und für das Wise Guys Konzert am Kölner Tanzbrunnen muss ich zuhause am Computer einige Sachen vorbereiten. Prinz Ferdinand König stellt sich brav hinten an und ist zufrieden, wenn ich hin und wieder einige Stichworte in seine Geschichte einfüge. Er weiß, dass er ab der nächsten Woche zunehmend zur Hauptperson wird.

Als aber ein Sommernachmittag im Garten lockt, sitze ich dann doch eine Stunde lang draußen und schreibe weiter. Das ist mein Traum vom Bücherschreiben: Mit einem Laptop in einer lauschigen Gartenecke mitten im Vogelgezwitscher zu sitzen, eine Tasse Tee zu haben und von niemandem gestört zu werden. Ich schreibe vier Tanten in die Geschichte, die ich total komisch finde, die aber völlig sinnlos sind. Hin und wieder kommt mir der Gedanke, ob Kinder meinen Humor verstehen, oder ob sie später mit großen Augen fragend blicken und keine Ahnung haben, was diese blöden Tanten da sollen.


Immer noch platze ich fast vor Energie. Ich freu mich aufs Fertigschreiben, aufs Illustrieren und auf die Liedtexte, die ich bald schreiben werde. In meinem Überschwung sehe ich einen schmalen Buchsbaumbusch im Garten, gucke ihn kurz interessiert an und beginne sofort ihn zu einer Spirale zu schneiden. Unten breit, nach oben hin schmaler werdend, mit umlaufender Spiralbahn und einer Blätterkugel ganz oben. Wie in französischen Parks. Ich traue mir gerade einfach alles zu und lege ohne Zögern los. Wenn ich Bücher und Lieder schreiben kann, dann kann ich auch Buchsbäume in Form schneiden.


Die Blätter fliegen, ich kappe kleine Äste - und zurück bleibt ein verstümmelter Buchsbaum, der große kahle Stellen hat und auf keinen Fall nach einer Spirale aussieht. Eher nach Läusebefall. Da ist echt nichts mehr zu retten. Im Herbst werde ich ihn komplett zurückschneiden müssen, damit er die Chance hat, im nächsten Jahr wieder als kleiner Busch zu beginnen. Aber anstatt dass mich das mutlos macht, lache ich vergnügt los und glaube weiterhin fest dran, dass mein Buch und meine selbstgeschriebenen Lieder toll werden. Gegen meinen Optimismus ist gerade nichts zu machen.


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