KINDERBUCH-BLOCK 13   Teil 121-130

Kinderbuchblock Nummer:
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121 - Sonntag, 22. August 2010
Die Prinzen-CD geht nicht richtig weiter, der seit langem ersehnte Urlaub ist irgendwo am Horizont mit Mühe zu erahnen, aber nicht zu sehen, und ich bin immerzu beschäftigt. Momentan mit dem Theaterstück, das vor Weihnachten auf die Bühne soll - Weihnachtstücke laufen nach Weihnachten vermutlich eher schleppend - und ich muss die Prinzen-CD schon wieder liegen lassen. Das ist blöd, aber beides geht nicht und das Weihnachtsstück ist in dieser Phase dringender. Außerdem ist es mein erstes selbst geschriebenes Theaterstück, und auch wenn ich die Geschichte ziemlich mühelos entwickelt habe und viel Spaß beim Schreiben hatte, ist es jetzt doch spannend, wie es durch Schauspieler lebendig wird. Vor allem ist das Schreiben eines Stückes nur der erste Schritt, ob es dann auch auf der Bühne funktioniert, ist die große Frage. Das kann komplett schief gehen. Sieht aber gut aus, denn schon bei den Proben reagieren alle aufmerksam und oft mit großem Gelächter auf die Szenen.

Inzwischen gibt es auch eine Homepage: 
www.die-weihnachtsfabrik.de

Es liegt aber nicht nur am Theaterstück, den Vorbereitungen und den zwei Proben in der Woche, dass ich mit dem Prinzen nicht weiterkomme, es liegen auch privat extrem viele Termine an, so dass ich ständig unterwegs bin und viel Zeit auf Autobahnen und in anderen Städten verbringe. Manchmal auch bei Freunden, mit denen ich mich endlich mal wieder treffen kann. Es kommt gerade viel zusammen und je lässiger ich es annehme, desto lockerer geht alles. Nur nicht aufregen und Dinge mit Gewalt durchziehen wollen. Nach meiner Burn Out Erfahrung vor drei Jahren kann ich inzwischen gut liegenlassen und mich auf das momentan Wichtigste konzentrieren. Erstaunlicherweise mache ich dabei ziemlich zügig viele Sachen nacheinander fertig.


122 - Sonntag, 29. August 2010
Wenn ich nicht so extrem gut gelaunt wäre, würde ich verzweifeln. Aber bei guter Laune geht das nicht. Fakt ist, die Prinzen-CD kann im August nicht fertig werden und somit kann das Buch im September nicht erscheinen. Es sieht alles nach einer “Irgendwie- wird’s- noch- in- diesem- Jahr- klappen”- Veröffentlichung aus. Ungewollt. Inzwischen werde ich sogar schon gefragt, ob ich das Buch überhaupt noch machen will, aber das ist ja seit Monaten fertig gedruckt. Nur die CD fehlt und muss unbedingt rein. Ohne CD kein Buch. Aber für die CD habe ich momentan viel zu wenig Zeit. Privat stehen immer noch einige dringende Dinge an, die knappe kreative Zeit stecke ich in das Weihnachtsstück. Da müssen so schnell wie möglich die Lieder fertig sein, damit die geprobt werden können.

Die Planungsabteilung des gurkentee-Verlages sollte wegen dieser krassen Fehlplanung eigentlich streng ermahnt werden, aber wie will man streng ermahnen, wenn die Ermahnten grinsen, mit den Schultern zucken und sagen: “Ja, und? Ist doof, aber dafür klappen gerade andere Sachen sehr gut und wir wollen uns ja nicht künstlich verrückt machen.” Und dann zeigen sie noch zwinkernd auf die Skizzen zum nächsten Buch, die tatsächlich schon auf dem Tisch liegen. “Nicht bevor das Prinzenbuch fertig ist!”, versprechen sie mit treuherzigem Blick und setzen hinterher: “Außerdem ist ja auch für das Theaterstück noch so viel zu tun”, aber sie gucken dabei so seltsam.

Die Verlagsleiterin läuft durch die Gänge, hat wenig Zeit und delegiert Textschreiben, Bestellung der Versandtaschen für das Prinzenbuch, Homepagebetreuung, Theaterproben und sogar Rasenmähen an die Mitarbeiterinnen. Zum Glück gibt es so viele. Wäre ja heftig, wenn nur eine Person ganz alleine zuständig wäre und nebenbei auch noch alle privaten Termine der Belegschaft wahrnehmen müsste. Die gute Laune und fröhliche Betriebsamkeit darfjedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sowohl Verlagsleiterin als auch alle Angestellten seit über einem Jahr keinen Urlaub hatten. Von daher ist es gut, wenn die Prinzen-CD demnächst mal fertig bearbeitet ins Presswerk wandern kann, beim Theaterstück nur noch die Proben anstehen und sich ansonsten alle entspannt zurücklegen können. “Entspannt zurücklegen” - Hauptsache ich hab Humor. Im Kalender stehen bis Mitte Dezember nämlich noch ein paar kleinere zugesagte Sachen, die ein Zurücklehnen ganz sicher verhindern werden.


123 - Sonntag, 5. September 2010
Nein, immer noch nichts Neues beim Prinzen. Stattdessen beruhigt sich die Lage im privaten Terminbereich ab jetzt aber vermutlich erheblich und wichtige Vorbereitungen für das Weihnachts-Theaterstück sind erledigt. Die Proben laufen und es ist faszinierend, wie das geschriebene Stück zum Leben erwacht. Inzwischen kann ich mir einige Rollen gar nicht mehr anders als mit den betreffenden Darstellern vorstellen.

Die Regieassistenz macht mir viel Spaß und ich finde, dass der Regisseur Ingo Brückner immer noch  ein i-Tüpfelchen draufsetzt. Der hat einfach einen Inszenierungsblick. Schön ist es aber auch, wenn es durch ein Missverständnis oder ein Versehen plötzlich Bewegungen oder Sätze gibt, die gar nicht vorgesehen waren, dann aber so viel Gelächter auslösen, dass sie fest in die Szene eingebaut werden.

Das Jahr 2010 entwickelt sich für den gurkentee-Verlag zu einem der kreativsten, bei dem es ganz neue Wege gibt. Neben dem Prinzen-Kinderbuch (60 Seiten, viele Illustrationen), habe ich mit einem Partner ein Schreibprojekt fertiggestellt (350 Seiten ohne eine einzige Illustration) und außerdem kommt das Weihnachts- Theaterstück “Die Weihnachtsfabrik” (13 Darsteller, 1. Teil, 2. Teil und Pause) auf die Bühne. Bis jetzt wurde allerdings keines der Projekte veröffentlicht und man könnte meinen, ich kann viel erzählen und liege stattdessen im Freibad auf der Wiese. Aber zum einen ist das Wetter zu blöd, zum anderen würde ich eher an einem See liegen und außerdem werden alle Sachen in den nächsten drei Monaten kurz nacheinander erscheinen. Die Stunde der Wahrheit rückt näher, beziehungsweise die Stunden der Wahrheit, denn es sind ja mehrere Sachen.

Und vielleicht schaff ich ja sogar das neue Bilderbuch bis zum Ende des Jahres, dann käme ein Buch (vermutlich 20 Seiten, fast nur Illustrationen, kaum Text) dazu. Aufgegeben habe ich die Idee jedenfalls noch nicht. Mmmh, bei diesem Arbeitsaufkommen sollte ich noch mehr Leute im gurkentee-Verlag einstellen, aber ich habe das dumpfe Gefühl, dass das nicht die Lösung sein kann.


124 - Sonntag, 12. September 2010
Schreibe ich im nächsten Frühjahr immer noch jede Woche, dass es mit der Prinzen-CD leider nicht weitergeht? Die Möglichkeit besteht, weil der Prinz gut weggepackt ist und ich immer noch viel anderes zu tun habe. “Ach, für zwei Tage dransetzen? Da warte ich doch lieber bis nächste Woche, wenn ich mehr Zeit habe.” Natürlich habe ich die Zeit auch in der nächsten Woche nicht, denn mit den Theaterproben und vielen anderen Sachen sind die Tage voll. Aber da jetzt einige Dinge erledigt sind und es spürbar weniger stressig für mich wird, hole ich den Prinzen ganz bewusst wieder hervor und mache mir eine Liste, welche Geräusche immer noch fehlen und was noch zu machen ist.

Jetzt mal ein bisschen Druck machen und Ende September als festen Termin für die Abgabe ins Presswerk festlegen, dann wird es schon klappen. Leider müssen auch die Lieder für das Theaterstück ihren endgültigen Klang bekommen, und ganz nebenbei bin ich gerade häufig Gast bei Ikea, transportiere Schränke und bringe alte Sofas zum Sperrmüll. Nach einem konzentrierten Arbeiten nur am Prinzen sieht das vorerst nicht aus. Vor allem nicht, da mein Ferienhund wieder für zwei Monate kommt und ich mich dann täglich auch mit körperlicher Bewegung, Sauerstoffaufnahme und dem Zustand der umliegenden Feldwege beschäftigen werde.

Aber obwohl mir klar ist, dass ich auch in den nächsten Wochen noch viel Arbeit haben werde, sehe ich freudig auf jeden Tag. Der gemeinsam geschriebene Roman, das eigene Kinderbuch und das Theaterstück werden jetzt nacheinander veröffentlicht, und überall konnte ich sehr frei kreativ arbeiten und meinen eigenen Stil einbringen. Energie und Ideen in Sachen zu stecken, die dann auch fertig werden, ergibt ein gutes Gefühl und macht Lust, noch mehr zu machen.


125 - Sonntag, 19. September 2010
Mein Ferienhund ist da und macht mir vor, wie gut er ein Eisbärenfell szenisch darstellen kann. Jetzt nur noch einen Kamin neben ihn stellen, dann ist er vom Original kaum zu unterscheiden. Ich vermute, er will eine Rolle im Weihnachts- Theaterstück bekommen, aber er müht sich vergebens. Ein Eisbärenfell ist nicht vorgesehen und ich schreibe es nicht extra für ihn rein. Sollte ich ihm zusagen, wollen meine Kaninchen womöglich auch noch mitmachen. Und als was? Als Weihnachtsessen- Darsteller? Ich glaube nicht, dass ihre schauspielerischen Fähigkeiten so weit reichen, dass sie ihre Ohren im Topf ruhig halten können.

Beim Prinzen geht’s weiter, wenn auch nicht ganz so schnell, wie ich es gerne hätte. Immerhin singe ich die drei Lieder ein und entwickel sogar noch eine zweite Nebenstimme beim Prinzessinenlied. Als ich das Ergebnis freudig meinem Gatten vorspiele, zuckt er an zwei Stellen kräftig zusammen. Ja, ich finde auch, dass sich das musikalisch gewagt anhört, aber ich find’s nicht schlecht.

Richtig gut singen kann ich übrigens immer noch nicht, aber da ich die Hammerstimme vermutlich auch in den nächsten vier Wochen nicht bekomme, muss ich eben mit dem arbeiten, was zur Verfügung steht. Leider werden die Hörer-Kommentare später nicht lauten: “Wow!! Dass die so singen kann!!!”, sondern eher: “Hihi, hier singt sie”, was irgendwie tragisch, aber dann doch egal ist. Es geht mir ums Prinzip und ums Gesamtkunstwerk. Einfach MACHEN und sich nicht vom Perfektionismus- Anspruch einschränken lassen. Das Hören ist später freiwillig, und wer es nicht will, schaltet ab. Ich bin ja als manchmal harte Kritikerin bekannt und kann beim Hören meiner eigenen Sachen sehr sicher sagen: Außer als eine von vielen Chorstimmen, sollte ich von einer großen sängerischen Karriere ganz einfach absehen.


126 - Sonntag, 26. September 2010
Der Titel “Als die kleine Giraffe ihre Punkte verlor” besteht aus sieben Wörtern und ist damit ungewöhnlich lang. Die meisten Verlage hätten gesagt, dass ich ihn kürzen muss. Zum Glück habe ich den gurkentee- Verlag mit seiner Verlagsleiterin, die bei solchen Ideen nur lacht und zustimmend nickt. Darum ist es auch überhaupt kein Problem, als der Texterin auf einem Spaziergang mit dem Ferienhund plötzlich der Titel des geplanten neuen Bilderbuches einfällt. Er besteht aus 16 Wörtern. Nicht wenig für ein Bilderbuch mit etwa 20 Seiten. Die ebenfalls mit dem Ferienhund spazierende Verlagsleiterin lacht laut los und findet, dass er genau passt. Genehmigt. Wenn nur alle Autoren so viel Glück mit ihren Verlagsleiterinnen hätten!

So lange ich nicht aktiv am Buch arbeite - und dazu habe ich momentan ja wirklich keine Zeit - möchte ich den Titel noch nicht verraten, darum zeige ich nur beispielhaft, wie lang ein 16-Wörter-Buchtitel ist:
“Als die kleine Giraffe ihre Punkte verlor als die kleine Giraffe ihre Punkte verlor als die.” Es geht übrigens nicht darum immer längere Titel zu machen, sondern den richtigen zu nehmen. Manchmal ist mit zwei Wörtern alles gesagt und manchmal müssen es 16 sein.

Am Ende der Woche erhalte ich ein fertiges Exemplar meines Schreibprojektes. Ich habe ja nun schon mehrere Bücher gemacht, die veröffentlicht wurden, aber es ist doch immer wieder ein schönes Gefühl, wenn aus den Ideen im Kopf nach langer Schreibarbeit ein richtiges Buch wurde, das ganz echt ist und das ich zum ersten Mal in den Händen halte. Ich schlage es vorsichtig auf und blätter lächelnd durch die Seiten. Wenn ich es später durchblätter hört das Lächeln meistens auf, weil ich dann überall sehe, was ich lieber anders hätte machen sollen und welche Formulierungen ich inzwischen nie wieder verwenden würde - hab ich das da überhaupt selber so blöd geschrieben oder hat später noch jemand am Text geändert? Kann ja nicht sein, dass ICH so was geschrieben habe. Oder?, - aber das hindert mich nicht, die erste Begegnung sehr freudig zu erleben. Jetzt kann das Buch auf seine Reise in die Charts gehen. Oder in die Verrisse der Kritiker. Mal sehen, was kommt. Im ersten Fall wäre es schade, dass mein Name nicht groß auf dem Titel prangt, im zweiten ein Glück.

Der Prinz muss in der ganzen Woche zurückstehen hinter Ikea-Besuchen, Rumfahrerei, viel zu vielen Terminen, dem Weihnachtstheaterstück und Auf-den-Telekom-Mann-warten. Aber da die Lieder für das Theaterstück jetzt in den Arbeitsversionen fertig und probebereit sind, ist das Aufnahmegerät frei für die Prinzen- Hintergrundmusik. Die brauche ich, um alles stimmungsvoll und im richtigen Timing aneinanderzusetzen. Es geht wirklich in die Endphase.


127 - Sonntag, 3. Oktober 2010
Warum habe ich mich eigentlich vor einigen Wochen todesmutig mehrfach auf meinen Wohnzimmerboden fallen lassen, um das Geräusch in Ohnmacht fallender Tanten aufzunehmen, wenn ich jetzt die Ton-Aufnahme davon nicht mehr finde? Auch die knallenden Zimmertüren und das geknabberte Knäckebrot sind weg. Das kommt davon, wenn man nicht zügig an den Sachen arbeiten kann und sie zwischendurch ablegt. Aber noch habe ich die Hoffnung, dass ich die Geräusche auf irgendeinem Stick wiederfinde. Meinen Wunschtermin Ende September für die Fertigstellung der CD kann ich aufgrund des vollen Terminkalenders nicht halten, aber ich bin froh, dass es überhaupt weiter geht und langsam überschaubar wird. Das Ende und damit die Fertigstellung kommt in Sicht. Wer jemals ein Hörspiel selber abgemischt hat, weiß, wie unglaublich viel Arbeit das ist, wieviel Spaß das aber auch macht.

Für das Weihnachts-Theaterstück wird ein weiterer Schauspieler gecastet. Er kommt frisch und gestylt zu mir, bekommt für seine Rolle als Teddybär das Fell geschoren, einen Teil der Füllung entfernt und wird schmutzig gemacht. Danach hängt er bemitleidenswert schlapp herum, ist aber bestimmt ganz glücklich, dass er mitspielen darf. Vermutlich ist mein Ferienhund beim Anblick des Bären auch sehr glücklich, dass er nicht auf die Rolle des Eisbärenfells bestanden hat.

Beim Proben geht’s an die Lieder und plötzlich müssen aus Schauspielern Sänger und aus Regisseuren Choreographen werden. Oder in meinem Fall aus der Regiesassistentin eine singende Sekretärin. Das fordert alle, aber die Begeisterung ist da und die Ergebnisse sehen schon vielversprechend aus. Wenn ich mir bei meinem Gesangeinsatz jetzt nicht nur die Schritte, sondern auch den Text merken könnte, wäre es schon ganz gut. Bisher komme ich aber mit: “Oh, ich hätte schon da drüben sein müssen!” und einem fröhlichen “Lalala ...” durch. Bis zur Premiere wird das besser werden.



128 - Sonntag, 10. Oktober 2010
Ich werde noch wahnsinnig! Klapperndes Teegeschirr, knallende Türen und lautes Geknabber in unzähligen Variationen. Immer wieder muss ich konzentriert hören, einzelne Stellen auswählen und in die Szenen der Hör-CD bauen. Auf dem Computerbildschirm ist so ein winziges Tonstück im Gewirr der digitalen Tonspuren optisch kaum von den anderen Tonstücken zu unterscheiden, und wenn ich es unterwegs verliere oder irgendwo “vorläufig” ablege, finde ich es oft nicht wieder. Dann klappert, knallt oder knabbert es plötzlich an völlig falschen Stellen.

Aber die “ohnmächtigen Tanten” haben sich wieder gefunden. Leider fehlen mir immer noch die zwitschernden Vögel. Ein Versuch die morgens um 6 Uhr im nahen Wald aufzunehmen, scheiterte im Sommer an zu wenig Vögeln und erstaunlich gut zu hörendem Autolärm. Auch die anschließend hastige Fahrt eine halbe Stunde weit Richtung Eifel, war umsonst, denn dort waren einzelne Autos auf einsamen Landstraßen kilometerweit und überdeutlich in der Stille zu hören. Zuerst lange bevor sie in Sicht kamen, und dann noch lange, wenn sie schon hinter dem nächsten Hügel verschwunden waren. Und kaum war links das eine Auto endlich akustisch verschwunden, kam von weit rechts das nächste. Mit Mikrofon in der Hand merkt man erst, wie laut die Welt ist.

Immerhin arbeite ich meine Geräusche-Liste jetzt Stück für Stück ab. Auch die zwitschernen Vögel in den Varianten “viel Gezwitscher” und “wenig Gezwitscher” werde ich noch irgendwie bekommen. Die CD muss auf jeden Fall im Oktober ins Presswerk gehen, ansonsten könnte es sogar mit der Veröffentlichung in diesem Jahr knapp werden. Und das darf einfach nicht sein. Prinz Ferdinand König MUSS noch im Jahr 2010 erscheinen, da sind sich alle gurkentee-Mitarbeiter völlig einig. Urlaubsverzicht und freiwillige Nachtschichten sind im Notfall selbstverständlich. Betriebsrat? Bei so viel Einigkeit säße der nur tatenlos herum, und was der gurkentee-Verlag jetzt nicht brauchen kann, sind tatenlose Mitarbeiter.

Ansonsten heißt die Woche auch: Supertrampkonzert, Lesung von Thommie Bayer, Ikeabesuch, Fahrt nach Düsseldorf, Fahrt nach Trier, Horst Evers Abend, Theaterprobe, Hundespaziergänge und Filmvorbereitungen für nächste Woche. Kein Wunder, dass es mit der Hör-CD nur in kleinen Schritten weitergeht. Insgesamt habe ich zu viel zu tun, aber ich weiß, dass Mitte Dezember alles vorbei sein wird und ich dann perfekt für den Betriebsrat des gurkentee-Verlages geeignet wäre. Tatenlos in der Ecke sitzend.



129 - Sonntag, 17. Oktober 2010
Inzwischen finde ich es hochinteressant die Vorgänge zu beobachten: Was für ein Termin drängt sich diesmal dazwischen, wenn ich Zeit hätte, um an der Hör-CD weiterzuarbeiten? Es kann ja kein Zufall sein, dass sich kurz vorher immer etwas anderes in die Freiräume drängt. Diesmal waren es kleine Videoaufnahmen, die wir für das Theaterstück brauchen und die schnell mal gedreht und dann geschnitten werden mussten. Irgendeine höhere Macht möchte anscheinend, dass die CD in diesem Jahr nicht mehr fertig wird und haut mir ständig wichtige Termine, lange Autofahrten und dringende Arbeiten rein. Aber warum? Was hat sie davon? 
- Und warum sollte ich diese höhere-Macht-Entscheidung einfach hinnehmen? Wenn sie gedacht hat, ich gebe klein bei, hat sie sich geirrt. Vielleicht will sie aber auch, dass ich nicht aufgebe und mich durch alle Probleme kämpfe, die sie mir ständig vor die Füße wirft. So als Herausforderung.

Ich habe noch zwei Wochen, bis die CD komplett abgemischt ins Presswerk gehen muss. Das ist knapp, wenn mir auch weiterhin plötzliche Termine vor die Füße geworfen werden. Aber ich arbeite mit einem Trick: Immer, wenn ein neuer, dringender Termin vor mir steht, nicke ich brav und erledige ihn. Danach mache ich sofort an der CD weiter. So schnell kann sich niemand neue Sachen ausdenken, wie ich arbeite. Ob ich es mit dieser Taktik schaffe, die CD rechtzeitig fertig zu haben, ist noch etwas fraglich. Mehr Zeit habe ich aber nicht, wenn ich die gepressten CDs noch vor Weihnachten in die Bücher einkleben und verschicken will. Da heißt es Daumen drücken. Kann ich nur leider nicht, denn die brauche ich zum Arbeiten.

Zum Glück geht’s da aber gut weiter. Inzwischen habe ich das Geräusch “Vogelgezwitscher” gefunden und sogar die benötigte Explosion, ohne selber etwas in die Luft zu sprengen. Jetzt muss ich nur noch irgendwie Spinettmusik machen können. Und die knallenden Türen zuordnen. Ich glaube, es liegt eine arbeitsreiche Woche vor mir.


130 - Sonntag, 24. Oktober 2010
Der Prinz bestimmt wieder mein Leben. Nachdem er monatelang an den Rand rücken musste, weil ich intensiv mit anderen Sachen beschäftigt war, ist er jetzt wieder umsorgter und geliebter Mittelpunkt. Ich hatte schon Sorge, dass ich mich jetzt lieber mit einer neuen Geschichte beschäftigen möchte und die letzten Arbeiten an ihm als lästig empfinden könnte, aber das ist überhaupt nicht so. Dass am Ende des Monats die CD abgabefertig sein muss, macht gesunden Druck und ich verschiebe alle aufschiebbaren Termine, um möglichst viel Zeit mit dem Prinzen zu verbringen.

Mitten in der Arbeit fällt mir plötzlich auf, dass CDs eine maximale Lauflänge von etwa 74 Minuten haben. Ein überschlagsmäßiger Blick auf mein Arbeitsprojekt zeigt, dass meine Geschichte vermutlich länger ist. Spontan wird es mir ziemlich heiß und ich starre mit entsetztem Blick auf den Bildschirm. Dann beruhige ich mich und setze eine lilafarbene Spur von genau 74 Minuten Lauflänge über das Projekt. Der entsetzte Blick darf wiederkommen: Der Hör-Prinz ist mindestens 6 Minuten länger. Und jetzt? Sonderlängen bei CDs erfragen und damit höhere Kosten haben und den Termin vielleicht nicht halten können? Oder das Hörspiel kürzen? Aber wo kürzen? Die Antwort fällt mir sofort ein: Zuerst mal die drei Lieder rauswerfen, die nur Zusatz sind und nicht zur Geschichte gehören. Die Sängerin singt sie sowieso nicht so, dass es sich wirklich lohnen würde. Das ist eine vernüftige Lösung, die sofort drei wertvolle Minuten einsparen würde, auch wenn sie an meiner Ehre als Sängerin kratzt. Aber immerhin kann ich noch realistisch hören und klar urteilen.

Aber bin ich vernünftig? Nein. Es sind meine ersten Liedtexte, meine ersten, mit einem Finger am Keyboard komponierten Melodien, und die Stücke passen ganz speziell nur zu “Prinz Ferdinand König”. Wenn ich sie hier nicht unterbringe, landen sie für immer in der Schublade. Nein, ich will sie nicht einfach rauswerfen, dafür steckt viel zu viel von mir darin. Aber geht es überhaupt, stattdessen sechs Minuten im Text zu kürzen, ohne wichtige Teile der Geschichte zu beschädigen? Da steckt ja auch viel von mir drin.

Ich muss es ganz schnell entscheiden, denn nicht nur die CD muss fertig werden, sondern auch die Vorlage zur Bedruckung. Damit die CD nachher nicht am Stück abläuft, muss ich einige Trackmarker wählen, die ähnlich wie Kapitel funktionieren. Drei der anwählbaren Tracks sollen die Lieder sein. Nicht, damit man sie gezielt anwählen kann, sondern damit sie absichtlich übersprungen werden können. Ich bin da realistisch.

Aber so blöd es wäre, die Lieder jetzt wieder rauszuwerfen, noch blöder wäre es, wenn sie nicht dabei wären, aber noch als Anwählpunkte auf der CD stehen würden. Da hilft nur eins: So schnell wie möglich kleine Sätze und Passagen löschen und sehen, ob ich auf diese Weise genügend Zeit einsparen kann. Zum Glück ist mir die Überlänge der CD immerhin noch vor der Abgabe im Presswerk aufgefallen. Hätte schlimmer kommen können.


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