KINDERBUCH-BLOCK 5   Teil 41-50

Kinderbuchblock Nummer:
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41 - Sonntag, 8. Februar 2009
Ich habe einen Schrank. Für andere ist das “irgendein alter Schrank”, für mich ist es ein “ganz besonderer Schrank”, denn er gehörte meiner Oma und meinem Opa. Ich habe diesen Schrank als Kind schon geliebt und habe ihn vor etwa 15 Jahren in Einzelteilen bekommen und in einem Schuppen eingelagert. In meiner Wohnung war kein Platz, wo ich ihn hätte aufstellen können. Mühsam ziehe ich jetzt die verstaubten Einzelteile aus dem hintersten Schuppenwinkel hervor und trage sie schnaufend und pustend zwei Etagen und eine schmale Wendeltreppe hoch auf den Dachboden, um dort zu sehen, ob noch alles da ist, ob das Holz die unsachgemäße Lagerung gut überstanden hat und ob der Schrank überhaupt unter die Schräge passt und dabei gut aussieht.


Erstaunlicherweise sind sogar die Glasscheiben noch heil, obwohl ich es damals habe klirren hören, als dem Dachdecker eine Dachpfanne in den Schuppen fiel. Aber die scheint daneben in einen Karton mit leeren Einmachgläsern gefallen zu sein. Was für ein Glück! Das große Holzteilepuzzle “Schrank in 26 Teilen” lässt sich logisch zusammensetzen und wird wirklich zum Schrank. Ein bisschen hilft mir, dass ich noch weiß, wie das Stück am Ende aussehen soll.


Wundersamerweise ist der Schrank zwar etwa so hoch, wie ich ihn in Erinnerung hatte, aber nicht ganz so tief und dafür viel länger. Das bedeutet, er passt wunderbar unter die Schräge und deckt dabei den größten Teil der Wand ab. Wenn ich rechts und links von ihm eine kleine Klappe baue, um an den dahinter liegenden Stauraum zu kommen, reicht das schon. Größere Baumaßnahmen mit Einbauschränken und Verkleidungen sind an dieser Wand nicht mehr erforderlich. Und er bietet Platz für alle Illustrationssachen, Manuskripte und Ideen.


Wie toll! Der Schrank, der mich schon als Baby gesehen hat - mein Gatte fragte mit spöttisch angehobenen Augenbrauen: “Ach, er hat Augen?” - der Schrank, der meine Kindheit begleitet hat, der eine Verbindung zu meinen Großeltern ist und auf dem noch Chico, mein Lieblingsaffe rumsprang (rechts im Bild klettert er 1968 als Babyaffe am Schrank hoch). Genau dieser Schrank wird ruhig und stabil hinter mir stehen, wenn ich Kinderbücher mache, und er wird mir dabei zusehen. Ich freue mich so!



42 - Sonntag, 15. Februar 2009
Renovierphase. Ich dämme, hämmer, säge und schraube, um mein Arbeitszimmer fertig zu machen. Damit ich nicht verzweifel, mache ich bewußt keine Liste, was noch alles zu tun ist und denke vor allem nicht daran, dass ich noch die Giebelfenster austauschen muss. Ich arbeite einfach jeden Tag. Irgendwann wird es fertig sein. Eine simple Taktik, mit der ich auch große Projekte schaffe.

Zuerst graut es mir vor dem späteren Streichen der dann mal holzverkleideten schrägen Wände, denn ich möchte die nicht im Naturton, sondern weiß haben. Das bedeutet, dass ich sie zweimal von Hand anpinseln muss, weil eine Sprühpistole zu viel herumnebeln würde. Aber beim Anbringen der Holzverkleidung merke ich schnell, dass die Vorabeit noch schlimmer ist. Ganz alleine schräge Wände mit Profilholzlatten zu beschrauben zeigt mir, dass ich deutlich zu wenig Hände habe. Mit zweien muss ich die Holzlatte in der richtigen Position halten, mit der dritten die Schraube positionieren und mit der vierten den Akkuschrauber bedienen. Das alles auf einer Leiter stehend, die wegen des Platzmangels halb über der Kreissäge steht. Und natürlich liegen die Schrauben immer am anderen Ende des Arbeitsbereiches. Und die Bohrmaschine zum Vorbohren der Löcher auch. Ich weiß nicht wie, aber irgendwie klappt es trotzdem. Vermutlich ist mein fester Wille stärker als alle Probleme.

Leider ramme ich mir zweimal fest den Kopf an den dicken Balken, die ich aus optischen Gründen nicht entfernen möchte. Meine späteren Besucher tun mir jetzt schon leid - das tut echt weh!


Zwischendurch gehe ich duschen und habe staubfreie Lesungen an Schulen, bei denen inzwischen auch der Apfelquieker im Programm ist. Als ich nach einer zweiten Lesung in den Schulflur komme, hängt eine Lehrerin gerade Apfelquiekerbilder an die Wand. Nach der ersten Lesung haben sich die Kinder gleich hingesetzt und eine ganze Schulstunde lang gemalt. Plötzlich gibt es den Apfelquieker als grünes Tier mit lilafarbenem Schwanz in ganz vielen Variationen zu sehen. Ein ganz seltsames Gefühl für mich. Ich bin richtig gerührt. Bis vor wenigen Wochen war der Apfelquieker ein Produkt meiner Phantasie, und auf einmal ist er für viele Kinder zu einer Persönlichkeit geworden. Bei der Giraffe und den Giraffenbildern war das anders, denn Giraffen gibt es sowieso, aber ein Apfelquieker wurde vorher noch niemals gemalt. Und dann gleich von einer ganzen Schulklasse! Ich finde es total schön.



43 - Sonntag, 22. Februar 2009
Es wird. Langsam, aber stetig. Die Holzdecke ist drin, die ersten Stellräume in den spitzen Winkeln sind geschraubt, nicht nur der Dachboden, sondern die ganze Wohnung ist voller Sägestaub und im Hof türmen sich die noch nicht sortierten Kartons. Jeder Besucher denkt spontan: “Ach, du meine Güte!” und erkennt, dass hier kräftig gearbeitet wird. Oder vermutet, dass wir ausziehen. Ich bau mir aber nur ein Arbeitszimmer. Außerdem schmerzt mein rechtes Schultergelenk. Als ich entdecke, dass das Gelenk beim Draufdrücken noch stärker schmerzt und etwas angeschwollen ist, bin ich gut gelaunt, denn das heißt, dass wirklich was dran ist und ich mir das nicht nur einbilde. Aber Jammern gilt nicht. Ich weiß nicht, ob es überarbeitet ist, wegen der ungewohnten Tätigkeit beleidigt reagiert, abgerieselten Kalk im Knickbereich hat oder morgen sowieso abfällt. Es bekommt eine entzündungshemmende Sportsalbe drauf - Renoviersalbe habe ich nicht - und muss weitermachen. Ehe das jetzt aber zu heroisch wirkt: Es ist unangenehm, aber erträglich. Wenn ich meinen Arm nicht mehr bewegen könnte, würde ich den Akkuschrauber fallenlassen und zum Arzt eilen. Ich bin ja nicht blöd.


Kaum ist die Holzdecke fest, beginne ich von vorne und streiche sie mit Vorstreichfarbe weiß. Ich mag Naturholz gerne, möchte es auf dem Dachboden aber hell haben und mich im Sommer nicht wie in einer aufgeheizten Kiefernholzsauna fühlen. Das Streichen dauert drei Stunden. Danach erinnern mich die Wände an ein altes Holzboot. Ich weiß nicht, ob ich in meinem Leben jemals auf so einem Boot war, denn wenn, dann muss es ein früheres Leben gewesen sein und ich bin vermutlich mit diesem Boot untergegangen. Die Holzlatten sind so angebracht, wie ich immer arbeite: Einfach drauf los - klappt schon. Ich stehe voll hinter dieser nicht ganz exakten Arbeitsweise, denn sie hemmt nicht und ich bleibe offen für spontane Ideen. Egal ob am Grillplatz, auf dem Dachboden oder bei Kinderbüchern. Würde ich exakt arbeiten, wäre ich Schreiner oder Architekt geworden.
(Auf den Fotos sieht alles immer größer und schöner aus, darum mag ich die sehr!)




44 - Sonntag, 1. März 2009
Noch ist viel zu tun, aber langsam blinzelt die Autorin hinter der staubigen Handwerkerin hervor. Ich überlege tatsächlich schon an den ersten Szenen des Theater-Weihnachtstücks, das ich bald schreiben will. Das muss ja im Frühjahr fertig werden, damit kritisch überlegt werden kann, ob es überhaupt zu gebrauchen ist oder lieber ein “bewährtes Stück” genommen wird. Noch in der letzten Woche hatte ich keinen Gedanken dafür frei, aber je weiter die Arbeiten auf dem Dachboden voranschreiten, desto eher kann ich mich dort am Tisch sitzen und arbeiten sehen. Und darum hämmer, säge und streiche ich jeden Tag mit Energie und Ausdauer weiter. Gegen Unlust, Müdigkeit und schmerzende Schultern. Je schneller ich arbeite, desto eher ist es fertig. Wenn mir etwas wichtig erscheint, ziehe ich es durch. Außerdem macht es trotzdem Spaß, auch wenn ich merke, dass ich bald mal einen Gang zurückschalten muss.

Ich werde ziemlich sicher noch im März mit dem Renovieren fertig sein. Es ist fast unglaublich. Der April bekommt jetzt schon von mir einen Sperrvermerk, damit ich dort nicht viele andere Termine annehme, sondern vorwiegend in meinem Arbeitszimmer sitze und intensiv schreibe. Zuerst das Theaterstück, falls ich das nicht schon im März schaffe, und dann Prinz Ferdinand König. Außerdem habe ich noch vier Videos mit persönlichem Dringlichkeitsvermerk auf dem Rechner, die ich schon lange fertig haben wollte. Da werde ich im nächsten Monat auch wieder viel zügiger arbeiten können, damit ich die endlich mal beende.

(Selbstgetesteter)
Expertentipp: Die Zeit, die man einspart, wenn man spontan ein Kantholz an der Kreissäge kürzen will, sich aber vorher nicht umziehen möchte, weil einem die zwei Minuten dafür zu lang erscheinen, muss man anschließend mehrfach draufgeben, um den guten Fleecepulli mithilfe einer Klebe-Fusselrolle von vielen kleinen, sehr hartnäckigen Holzfasern zu befreien, die man bei einem einzigen Kantholzschnitt abbekommen hat und die man von einem vorher übergezogenen Baumwollhemd einfach hätte abklopfen können. In Kurzform: Niemals mit Fleecepulli vor die Kreissäge!

Meine Marketingabteilung hat während des Streichens übrigens eine Werbeaktion entwickelt, was einerseits für die Kreativität der Marketingabteilung spricht, andererseits aber auch zeigt, dass eintönige körperliche Arbeit die Aktivität von gelangweilten Hirnzellen fördern kann. Nicht immer mit grandiosem Ergebnis, aber wenigstens die Marketingabteilung ist begeistert. (Das Ergebnis “Zum Sonderpreis kaufen - 2 Euro bar auf die Hand!” ist auf
www.gurkentee.de zu sehen.)



45 - Sonntag, 8. März 2009
Die flüssige Holzbeize im Farbton “Palisander” sieht in ihrer Dose milchig und lilafarben aus. Das würde noch fehlen, dass ich meine dunkelbraunen Balken in kräftigem Lila streiche! Dass es ein Produktfehler war und ich mich auf den Aufdruck auf der Dose verlassen habe, würde mir ganz bestimmt keiner glauben. Etwas skeptisch streiche ich los und siehe da: Beim Trocknen wird das Holz vorschriftsmäßig dunkelbraun. Allerdings saugen die trockenen Balken die Farbe fast hörbar auf und die kleine Dose ist blitzschnell leer. Ich hätte lieber sofort den Fünf-Liter-Eimer holen sollen.


Die alten Fenster vorne und hinten im Giebel sind seit gestern aus- und die neuen eingebaut, die Seitenwände sind inzwischen tapeziert und gestrichen, die Wandschränke sind fertig - es geht an die Restarbeiten. Bedenklich finde ich, dass sich meine Familie immer mehr für den Dachboden interessiert. Hier mal ein eingeworfener Satz: “Schön hier”, oder: “Ja, da könnte ich auf einer Matratze gut schlafen” dort begehrliche Blicke, die durch den halbfertigen Raum gehen und eigene Einrichtungspläne erkennen lassen. So etwa: “Der Schrank fliegt raus, dafür kommt hier ein Fernseher rein und da mein Schreibtisch hin.” Ich glaube, sie müssen sich nur noch einigen, wer das neue Zimmer bekommt, wenn ich es fertig gemacht habe. Da muss ich einfach schneller sein und drin sitzen, ehe sie sich entschieden haben!


Ich räume den Wendeltreppen-Teil des Zimmers leer und beginne dort Laminat zu legen. Der alte Holzboden ist seit dem Einbau der Treppe nicht mehr vollständig und muss überdeckt werden. Obwohl es ein Dachboden ist, also im Haus weit oben liegt, lege ich Weinkeller-Laminat, das eigentlich nach unten gehört. Ich nenne es so, weil die Bretter wie aus dem Holz alter Weinkisten gesägt aussehen. Etwas ungewohnt und gewöhnungsbedürftig, aber für dieses Zimmer genau richtig. Finde ich. Auch wenn ich eigentlich nur ganz wenig Wein trinke und bei Kinderbüchern möglichst alkoholfrei schreiben sollte. Aber für mich perfekt passendes Teekisten-Laminat habe ich leider nicht gefunden. Witzigerweise hat der Boden eine weitere, ganz unerwartete Wirkung: Mein Sohn sieht ihn an und beschließt: “Jetzt will ich das Zimmer doch nicht mehr haben.”


Ich mag den Boden, ich bin froh, dass die Fenster so hübsch aussehen und fest sitzen, und ich freue mich riesig, dass ich noch im März meine Sachen einräumen und ein voll nutzbares Arbeitszimmer haben werde. Im März! Nur noch ein bisschen die Giebel verputzen, tapezieren und streichen - und die hakeligen Wendeltreppen- Ecken im Laminat sägen. Und dann noch das Restholz runtertragen, die letzten Leisten befestigen, alles entstauben, den Holzboden im anderen Zimmerteil behandeln, und und und. Egal, das schaffe ich.




46 - Sonntag, 15. März 2009
Die Kreissäge hat es nicht überlebt. Im Gegensatz zu mir hat sie schlappgemacht und mit lautem Aufheulen aufgegeben. Aber sie hat in den vergangenen Jahren eine Menge für mich getan und ich bin ihr sehr dankbar. Vor allem dafür, dass sie meine oft nahe am kreisenden Sägeblatt werkelnden Finger mit ihrer zwar knallharten, aber immer zuverlässigen Arbeitsweise verschont hat.

Eigentlich sollte ich durch die letzten Restarbeiten fast fliegen, denn mein Zimmer nähert sich wirklich rasant der Fertigstellung. Aber natürlich gibt es plötzlich mal wieder viele andere Termine. Lesungen, Besprechungen für kommende Lesewochen, Vorbesuche, um Veranstalter und Orte für die Lesungen der kommenden Lesewochen kennenzulernen, ein steigender Zettelberg mit Notizen über die Sachen, die ich dringend erledigen sollte - und mein Ferienhund ist wieder da und möchte zwischendurch mit mir über matschige Wege laufen und dann verdreckt zurückkommen. Ich bin mehr mit dem Auto, auf Lesungen oder auf verregneten Feldwegen unterwegs, als auf dem Dachboden. Wobei ich zugeben muss, dass ich es gerade ziemlich gut finde, bei leichtem Nieselregen mit einem Hund über lange, leere Feldwege zu laufen, Schneeglöckchen am Waldrand zu entdecken und frischen Wind ins Gesicht gepustet zu bekommen, der manchmal schon nach Frühling riecht.

Mehrfach am Tag wechsel ich meine Kleidung, um die jeweiligen Bereiche meines Lebens passend gekleidet anzugehen. Ich habe dazu staubig-weiße Verputzklamotten, matschig-besprenkelte Feldspaziergangsachen, lässig-bequeme Hauskleidung und meine normale Bekleidung für Lesungen und öffentliche Aufenthalte mit Personenverkehr. Die Dame von Welt - immer im perfekt passenden Outfit! Natürlich trage ich weiß-staubige Schuhe zu den Verputzklamotten und matschig-besprenkelte zu den Feldspaziergängen. Wenn schon, denn schon.





Bis auf die noch ungedämmte und unverputzte Giebelwand rund um das Fenster sieht der Wendeltreppenteil schon ziemlich gut aus.













Bis auf das herumliegende Werkzeug, den Staub, denn Müll, die vielen Kisten und die noch ungedämmte und unverputzte Giebelwand rund um das Fenster, sieht auch der Arbeitsteil schon ziemlich gut aus.











Nach dem Dämmen und Verputzen sieht dann auch die Giebelwand ziemlich gut aus.





Ich finde, für mich und mein Arbeitszimmer sieht es insgesamt ziemlich gut aus!





47 - Sonntag, 22. März 2009
Es ist nicht mehr wahnsinnig viel zu tun, aber ausgerechnet in dieser Woche habe ich zuerst unerwartet Handwerker da, die mich immer wieder vom Streichen und den vielen kleinen Restarbeiten abhalten, und in den Tagen danach fahre ich selber jeden Tag arbeiten. Natürlich mache ich zwischendurch immer auf dem Dachboden weiter - manchmal sogar spät abends - aber damit schaffe ich trotzdem deutlich weniger, als wenn ich jeden Tag mehrere Stunden geräumt und entstaubt hätte. Aber nicht schlimm. Ich habe mal wieder bei einem schönen Projekt gefilmt, was ich nicht mehr oft, aber trotzdem total gerne mache. Hat vermutlich was mit Gestalten und Kreativität zu tun, denn wie beim Illustrieren suche ich nach Bildausschnitten und überlege, was ich zeigen möchte.


Kreativ zeige ich mich auch bei meinen Fensterbrettern. Bunte kleine Fliesen sollen es sein. Beim Kaufen im Baumarkt grinst mein Gatte: “Das passt zu dir”. Am nächsten Tag sieht mein Sohn das Fensterbrett und grinst: “Das passt zu dir”. Na also.


Die letzten großen Aktionen sind jetzt noch das Entfernen der Werkzeugkisten und Bretterreste, das Entstauben des gesamten Raumes - und der ist sehr staubig! - und das Behandeln und Streichen des Holzbodens im Arbeitsbereich. Danach kann ich einziehen! Die letzte Märzwoche wird also entsprechend arbeitsreich werden, denn ich will unbedingt bis zum Ende des Monats fertig sein. Bis ich mal alle Kisten im Hof und im Wohnzimmer aussortiert habe, wird es noch etwas länger dauern, aber das Arbeitszimmer wird noch im März eingeweiht.


Der April wird meine Kreativ-Auszeit werden, in der ich mich ziemlich zurückziehe und nur sehr wenige Termine habe. Es muss nach den vollen letzten Wochen unbedingt mal etwas ruhiger werden, und ich möchte konzentriert am Weihnachts- Theaterstück und am neuen Buch schreiben. Da ich in meinem Arbeitszimmer ja weder Telefon-, noch Türklingel höre, ist das dann wirklich ein Abtauchen. Zwar auf dem Dachboden, aber selbst in solchen Höhen kann man tauchen.


Wenn ich die Arbeit als Kinderbuchautorin ernst nehme, werde ich vermutlich öfter im Jahr Kreativ-Auszeiten brauchen, in denen ich mich intensiv um ein Projekt kümmern kann, ohne durch andere Sachen und zu viele Lesungen immer wieder rausgerissen zu werden. Mal sehen, wie sich das durchhalten lässt. Im April versuche ich es mal.




48 - Sonntag, 29. März 2009
Nachdem der Fußboden zweimal lasiert wurde, räume ich das Werkzeug und die Holzreste weg und entstaube den großen Schrank. Den Schreibtisch hingestellt, kleine Rollschränke dazu und ein warmer Teppich, damit beim Illustrieren die Füße nicht kalt werden, - und ich habe ein Arbeitszimmer. Nicht groß - auf den Fotos sieht es weiträumiger aus, als es ist -, aber trotzdem eine große Freude. Es ist meine private Insel. Mein ruhiges, abgelegenes Robinsonreich mit Wendeltreppe zur belebten Welt.


Es ist Ende März und noch nicht April und ich räume ein! Wenn ich die noch nötigen kleinen Restarbeiten einfach übersehe - Farbe auf einige Stellen tupfen, Fußleisten kaufen, Gardinen nähen, ... - kann mein Arbeitszimmer als fertig gelten. Oder so gut wie, was aber das Gleiche bedeutet: Ich kann ab jetzt darin arbeiten. Für diese sensationelle Leistung muss ich nicht mal extra gelobt werden, denn ich bin auch so total stolz auf mich und könnte vor Freude fast platzen. Für mich bedeutet das nicht nur ein eigenes Arbeitszimmer, sondern auch eine wichtige Erkenntnis: Wenn ich in so kurzer Zeit einen vollgemüllten Dachboden zum Arbeitszimmer umbauen kann, dann sind auch noch ganz andere Sachen drin. Zum Beispiel ein neues Buch bis zum Ende des Jahres. Und davor ein Weihnachtstheaterstück. Und warum nicht wirklich Musik dazu? Alles ist möglich, und ich starte gerade durch.


Ich weiß nicht mal, ob ich im nächsten Frühjahr überhaupt Zeit für alle Preisverleihungen und die Einladungen zu Shows und in die großen Fernsehsendungen habe, die ja zwangsläufig kommen werden, wenn ich jetzt nach der Giraffe und dem Apfelquieker einen weiteren zukünftigen Kinderbuch-Klassiker veröffentlichen werde, aber egal. Ich schreibe erstmal, und meine Sekretärin kümmert sich später um die Auswahl der Termine.

Natürlich wird es noch mindestens den ganzen April dauern, bis alle Kisten im Wohnzimmer und im Keller leergeräumt und alle Zeichensachen aus diversen Schränken der Wohnung ihren Platz im Arbeitszimmer gefunden haben, aber in der nächsten Woche werde ich mit dem Schreiben loslegen können. Es geht endlich kreativ weiter! Ich freue mich sehr!



















Das erste Buch habe ich noch am Küchentisch gemacht, das zweite an einem Tisch mitten zwischen gestapelten Kisten auf der Dachboden-Baustelle und das dritte wird im eigenen Arbeitszimmer entstehen. Da kann ich mir ja fast ausrechnen, in wie vielen Büchern ich in der Villa mit Pool an der Cote d’azur sitze. Oder in meinem englischen Landhaus. Wahnsinn! Aber vielleicht finde ich es gerade reizvoll, alle meine zukünftigen Bestseller in meinem kleinen Dachbodenzimmer entstehen zu lassen. Mal sehen.



49 - Sonntag, 5. April 2009
Über 2000 Giraffenbücher sind verkauft und jetzt der Schock: Die sind nichts!  - Erfahren habe ich das, als ich mein Giraffenbuch auf Anraten einer Lehrerin in einer Bonner Kinderbuchhandlung vorstelle. Frohgemut packe ich ein Buch aus und reiche es der dort sitzenden Buchhändlerin. Sie schlägt es in der Mitte auf, blättert eine Seite weiter und sagt sofort: “Das ist nichts. Das kann ich Ihnen gleich sagen. Die Bilder gefallen mir nicht, die sind nicht ansprechend, und der Text in seiner grafischen Anordnung sieht auch nicht gut aus. Inhaltlich kann ich natürlich nichts dazu sagen, aber unsere Kunden wollen so etwas nicht haben.” Ich bin verblüfft und merke kurz an, dass das Buch bei Lesungen sehr gut ankommt, woraufhin sie freundlich erklärt, dass man auch schlechte Bücher bei guten Lesungen an Kinder verkaufen kann. Ich gucke durchaus amüsiert und denke, dass ich mir unter “wir suchen die Bücher für unsere Kunden sorgfältig aus” etwas anderes vorgestellt hatte. Aber anscheinend kann die Dame ihr Urteil sehr selbstsicher, in weniger als fünf Sekunden mit Blick auf nur zwei Buchseiten treffen. Beeindruckend. Ihr etwas herablassendes Angebot, ich könne das Buch ja mal da lassen, dann können ihre Kolleginnen es mal ansehen und vielleicht (ein ganz dickes vielleicht) würden die anders entscheiden, lehne ich lächelnd ab. Nein danke. In so einem Laden lasse ich mein Buch ganz sicher nicht.

Was wäre geschehen, wenn ich diese - eigentlich recht nette - Dame im Dezember 2007 mit meinem frisch gedruckten Buch aufgesucht hätte? Als Anfänger. Hätte ich danach überhaupt noch erwogen, jemals Lesungen und irgendwann mal ein zweites Buch zu machen? Wäre ich durch diese “Fachmeinung” nicht sofort geknickt und total unsicher gemacht worden? Es ist ja nicht so, dass das Buch jedem Menschen gefallen muss, aber wer vorsichtig und noch unsicher sein erstes eigenenes Produkt vorstellt, kann ganz sicher nicht so ein radikales 5-Sekunden-Urteil gebrauchen. In meinem Fall kann ich darüber lachen und bezweifel ganz einfach die Urteilskraft der Dame. Hätte sie sorgfältiger geguckt und auch mal eine halbe Seite angelesen, wäre ihre Meinung schwerwiegender und auch ernster zu nehmen. So kann ich nur hoffen, dass sie nicht allzuviele Schriftstellerkarrieren schon in ihren Anfängen zerschlägt, weil sie mit kurzem Blick auf ein Buch “das ist nichts!” kommentiert.

Es zeigt sich mal wieder, dass es gut ist, wenn man - bei allen Zweifeln und mit dem Wissen, dass es hätte besser werden können - trotzdem von seiner Arbeit überzeugt ist und einem ziemlich egal ist, was andere dazu sagen. Dabei habe ich ja noch Glück, weil ich so viel Zuspruch und positive Rückmeldungen bekomme. Wenn der Großteil der Stimmen negativ wäre oder Kinder meine Bücher nicht ein zweites Mal ansehen wollten, würde mir auf Dauer vermutlich die Motivation schwer fallen. Um nur immer für den eigenen Schrank zu schreiben, muss man schon sehr von der eigenen Arbeit überzeugt sein. Aber auch da gibt es ja genug Beispiele von Künstlern, die unermüdlich weitergearbeitet haben und deren Arbeiten erst nach ihrem Tod geschätzt wurden. Ich persönlich finde allerdings “vor dem Tod” erfreulicher.

Im Übrigen ist jetzt April und damit beginnt mein ersehnter Kreativ-Monat. Wenige feste Termine, viel Zeit, um konzentriert an meinen eigenen Sachen zu arbeiten, parallel dazu bei Sonnenwetter kreativ im Garten zu hacken und zwischendurch kreativ Filme zu schneiden. Einen habe ich in der letzten Woche schon fast geschafft, drei weitere sollen bis Mai fertig sein. Ich habe viel vor, aber wenn ich die Zeit gut nutzen kann und locker zwischen den Arbeitbereichen pendel, wird das eine intensive und freudige Zeit werden. Weil in den ersten Apriltagen noch so viel los ist, sitze ich noch nicht an meinem Schreibtisch, sondern beschränke mich auf “Arbeitszimmer weiter einräumen”, “Kartons aussortieren” und “Müll wegbringen”. Erstmal Ruhe reinbringen und ab Montag mit der richtigen Einstellung ans kreative Arbeiten gehen. Am besten eine Zimtkerze auftreiben und mit dem richtigen Duft im Raum an die Weihnachtsgeschichte setzen, während draußen die Osterglocken strahlen.



50 - Sonntag, 12. April 2009
Draußen scheint die warme Frühlingssonne, und ich sitze in meinem hellen Dachbodenzimmer und schreibe vom Christkind. Kann ich überhaupt ein Theaterstück schreiben? Das muss ich ja ganz anders anlegen als eine Buchgeschichte, denn bei einem Theaterstück muss ich nur die Dialoge schreiben und die verbindenden Zwischentexte weglassen. Zuerst denke ich, ich muss mir vorher Weihnachtstee aufgießen, um in die richtige Stimmung zu kommen, aber es geht auch ohne. Ich tippe vor mich hin und kann gar nicht so schnell schreiben, wie mir die Ideen kommen. Keine Ahnung, ob das Ergebnis später spielbar ist, aber das Schreiben macht riesigen Spaß.

In der Woche treffe ich mich mit einem Freund, der selber viele Texte und (aufführbare !) Theaterstücke schreibt. Als ich von meinem Spaß beim Dialogeschreiben berichte, guckt er freudig und bestätigt, dass ihm das auch immer viel Spaß macht. Auch bei ihm geht es ganz schnell, sobald das Konzept steht. Er gibt mir den Tipp, nach dem Entwickeln der Geschichte zuerst die verschiedenen Szenen und Szenenwechsel zu planen und dann mit Dialogen zu füllen. Ich arbeite noch umgekehrt, versuche aber beim Schreiben schon zu beachten, wo was spielt und dass es in einem Spannungsbogen sitzt.

Ich muss sowieso ganz viel beachten. Natürlich muss die Geschichte “rund” und logisch werden. Aber wo spielen die Szenen? Kann man ein Bühnenbild schnell umbauen oder könnte ein kurzer Ortswechsel anders gelöst werden? Wie viele Personen spielen mit? Gibt es genug kleine Rollen, damit alle Mitglieder einer größeren Gruppe mitspielen können? Aber könnten auch einzelne Mitspieler zwei Rollen übernehmen, ohne sich im Verlauf des Stückes selber begegnen zu müssen? Wird das Stück im ersten Teil etwa 50 und im zweiten etwa 40 Minuten lang werden? Finden Grundschulkinder es lustig und spannend, ohne unter- oder überfordert zu sein? Muss das Christkind unbedingt herumfliegen oder auf offener Bühne unsichtbar werden? Muss es echte Rentiere geben, und wenn ja, wie viele?

Weihnachtstheaterstücke für Kinder will ich nicht experimentell, modern oder abgedreht haben, sondern eher traditionell. Im Prinzip muss es wie im Kasperletheater sein. Ein schlauer Held, ein böser Räuber, ein gefährliches Krokodil und eine Prinzessin. Und unbedingt ein Happy end. Natürlich habe ich an die Geschichte auch meine eigenen Ansprüche. Es muss Spannung rein und lautes Gelächter, aber es muss auch ruhige Stellen geben und traurige Momente. Und ganz sicher gibt es bei mir keine Fäkalsprache, die allerdings auf einfache Weise begeistern würde. Ein “da ist ja Kacke im Nikolausstiefel!” würde die Kinderstimmung sofort in gewaltige Höhen bringen, geht für mich aber in die völlig falsche Richtung. Und Pseudo-Jugendsprache setze ich auch nicht ein, denn die ist, schon wenn ich sie schreibe, nicht mehr aktuell. Ich versuche meinen eigenen Humor reinzubringen. Bei mir knallt das Christkind mit dem Schlitten gegen den Schornstein, stürzt ab, knickt sich einen Flügel um und fragt besorgt: “Sind noch alle Schwungfedern drin?” Kann mir natürlich passieren, dass kein Kind grinst, sondern alle auf: “Ach, du Scheiße, ich glaub, mein Handy ist kaputt, Alter!” warten.

Mitten im Schreiben kommen sogar Ideen für passende Lieder. Ich sehe Gesang- und Tanzszenen vor mir und summe in schrägen Tönen die ungefähren Refrains mit. Das hört sich noch schrecklich und eher unmusikalisch an, aber ich habe mir ja auch noch keine näheren Gedanken dazu gemacht. Und im Gegensatz zu Geschichten fliegen mir Melodien eben nicht zu. Aber es ist unglaublich, wie viel kreative Ideen auf einmal da sind, wenn ich ihnen Zeit und Raum biete.


Übrigens haben in meinem Dachbodenzimmer fünf nette Herren ihren Platz gefunden und drehen sich manchmal sanft im Wind. Ich freue mich, dass sie da sind.


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