KINDERBUCH-BLOCK 3   Teil 21-30

Kinderbuchblock Nummer:
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21 - Sonntag, 21. September 2008
Vor zwei Wochen habe ich die Entscheidung getroffen, dass ich ab jetzt verstärkt als Kinderbuchautorin arbeiten will. Nicht mehr hin und wieder nebenbei, sondern mit mehr Zeitaufwand und Energie. Seitdem läuft immer wieder neue Arbeit an, ständig ist jemand am Telefon, die Zettel auf meinem Tisch häufen sich, ich schneide Videos, habe Termine und fahre herum, aber es bleibt keine Zeit für die Arbeit am Kinderbuch. Dabei wollte ich Ende September mit allen Illustrationen fertig sein. Das kann gar nicht mehr klappen. Aber anstatt mich frustrieren zu lassen, anstatt zu vermuten, dass das Schicksal mich von meinem großen Plan abhalten will, werde ich nur noch entschlossener. Durch diese Phase muss ich einfach durch. Vielleicht will das Schicksal nur mal testen, wie ernst es mir mit meinem Entschluß ist und wirft mir ein paar Brocken vor die Füße, um zu sehen, ob ich mich sofort hinsetze und aufgebe. Tu ich aber nicht. Ich räume unermüdlich und gut gelaunt große und kleine Brocken zur Seite und weiß, dass der Weg demnächst freier ist. Was bedeutet eine Verzögerung? Im schlimmsten Fall wird das neue Kinderbuch nicht vor Weihnachten fertig. Na und?

Gegen Ende der Woche zwinge ich mir einige freie Stunden heraus. Ich müsste eigentlich spülen, einkaufen, Anrufe machen, DVDs nach Köln bringen und bei der Post vorbeifahren, aber ich räume den Tisch frei und illustriere. Geht doch. Am besten wäre es, wenn ich mir mindestens zwei Vormittage in der Woche ganz fest zum Illustrieren reservieren würde. Da geht dann gar nichts anderes. Ich habe Arbeitszeit und bin nicht zu erreichen. Wenn ich stundenweise in einem Büro wäre, würden das alle akzeptieren. Ich muss hinbekommen, dass auch meine Schreib- und Illustrationsarbeit als richtige Arbeit akzeptiert wird, bei der ich nicht gestört werden sollte und keine anderen Dinge erledigen kann. Das geht wohl am einfachsten, wenn ich sie selber auch für mich als ernsthafte Arbeitszeit deklariere und den Plan einfach durchziehe.

Also gut: Montags- und Donnerstagsvormittags bin ich ab jetzt von 8 bis 13 Uhr in meinem Kinderbuchverlag beschäftigt und kann keine anderen Sachen mehr machen. Sollte ich eine Lesung haben, muss ich stattdessen an einem anderen Vormittag meine kreative Arbeitszeit ableisten. Über Urlaubstage rede ich noch mit mir, grobe Vertragsvereinbarung sind 15 Stunden Schreib- und Illustrationsarbeit in der Woche, aufgeteilt auf zwei Vormittage à 5 Stunden und diverse eingeschobene Einzelstunden. Lesungen, Postversand und Verwaltungsarbeit werden zu anderen Zeiten, also zusätzlich erledigt. Mein Gehalt beträgt 0 Euro. Das durch Bücherverkauf eingenommene Geld geht komplett in den nächsten Druck.

Ich habe immer geahnt, dass meine Verlegerin knallhart ist und nicht ganz faire Arbeitsverträge macht. Fünfzehn Wochenstunden ohne Gehalt, plus zusätzliche Büroarbeit, kann sie nur verlangen, weil sie weiß, dass ich mit so viel Begeisterung dabei bin. “Es brennt”, wie ein befreundeter Mensch mit Blick auf mich lächelnd und treffend feststellte.

Zur Demonstration meiner angelaufenen Tätigkeit hier ein Ausschnitt aus einer noch unfertigen Illustration von vermutlich Seite 10 aus “Tim und der Apfelquieker”. Es zeigt eine Raumstation mit Ponyhof. Ehrlich. Wenn das nicht mal verwunderte Blicke auslöst und Neugier auf den Rest der Geschichte macht. “Raumstation mit Ponyhof? Was ist denn jetzt mit ihr los??? Ich dachte, es geht um einen Apfelquieker?” Ja, tut es auch.



22 - Sonntag, 28. September 2008
Mein Halbtagsjob als Kinderbuchautorin beginnt mit einer viertägigen Kurzreise, bei der mein Arbeitsmontag für die Hin- und mein Arbeitsdonnerstag für die Rückreise draufgehen. Dazwischen bleibt leider auch keine Zeit für mein Buch. Ich finde, ich bin auf einem guten Weg: Freiberufliche Autorin und immer in der Welt unterwegs. Wie so oft, sieht das nur von außen gut aus. In Wahrheit kriege ich bald die Krise, weil ich das Buch immer noch in diesem Jahr fertig bekommen will und inzwischen weit hinter meinem Arbeitsplan zurückliege. Als ich mich gerade auf die nächste, ziemlich terminfreie Woche freue, fällt mir ein, dass dann sowohl meine Kinder Herbstferien, als auch mein Gatte Urlaub haben. Eigentlich ja schön, aber konzentriertes Arbeiten kann ich vergessen, wenn immer wieder jemand an mir vorbeiläuft oder fragt, ob ich heute vorhabe, etwas zu kochen. Ich brauche ein ruhiges Arbeitszimmer! Der Küchentisch ist zwar wunderbar, aber nur, wenn ich alleine zuhause bin.

Schon vor Jahren sollte der Dachboden mein Arbeitszimmer werden, was daran scheiterte, dass ich zu wenig Zeit zum Ausbau hatte, und dass wir dort seit Jahren alle gerade nicht benötigten Sachen stapeln. Und wir haben viele nicht benötigte Sachen. Gestapelt wurde immer mit dem festen Ziel, demnächst mal auszusortieren. Kurz gesagt: Der Dachboden ist voll. Weihnachtskugeln, Karnevalskostüme, alte Schulsachen, Spielzeug, Bilder, Bücher, Kinderkleidung, Kisten voll mit Erinnerungen und völlig überflüssigem Kram. Das dauert einige Wochen, bis das aussortiert und übersichtlich ist. Und nun? Kinderbuch mit Störungen in der Küche fertig machen oder erstmal das Arbeitszimmer bauen?

Ich entscheide mich für einen guten Kompromiss. Mein Plan: Zwei Quadratmeter Dachboden durch Umstapeln der Kisten freimachen, Tisch, Stuhl, Lampe und CD-Player aufbauen, nicht auf das Chaos drumherum gucken und erstmal den ‘Apfelquieker’ fertigmachen. Im nächsten Jahr dann den restlichen Teil des Dachbodens freiräumen und ein komplettes Arbeitszimmer renovieren.

Ich kann ja vorerst so tun, als wäre ein Schreibtisch zwischen hohen Kistenstapeln meine bevorzugte Arbeitsatmophäre. Es hat ja auch etwas Kreativkünstlerisches, wenn man im absoluten Durcheinander einen Tisch aufbaut und damit eine Oase der Ruhe schafft. Mitten in einer verstörenden Umgebung in die heile Welt der Kinderbücher versinken. Wäre ein kultiges Titelbild für ein Literaturmagazin. Oder eine wunderbare Story für “Psychologie aktuell - Was sucht und findet der Künstler im Chaos?”



23 - Sonntag, 5. Oktober 2008
Mein vorläufiges Arbeitszimmer wird im jetzigen Zustand keinen Preis bei “Schöner wohnen” bekommen, aber ich kann es nutzen und dort wunderbar arbeiten. Was stören mich die aufgestapelten Kisten hinter meinem Rücken, wenn vor mir ein Dachfenster den Blick in den Himmel erlaubt? Der “Blick nach vorne”, den ich gerade sehr ausgeprägt habe, bekommt hier eine ganz praktische Bedeutung.

Zum Glück bin ich ja sowieso mit der Gabe des selektiven Blickes ausgestattet, so dass ich meinen Arbeitstisch ansehen kann, drumherum alle Kisten, den Staub und die unverputzten Rigipsplatten ausblende und jetzt schon weiß, wie toll der komplett ausgebaute und aufgeräumte Arbeitsraum mal aussehen wird. Für mich hat er schon weiße Holzwände, einen satt dunkelbraun gebeizten Holzfußboden, ziemlich viel Platz und sehr viel Ruhe. Wobei er die Ruhe ja jetzt schon hat.

Ich strahle zufrieden und glückselig vor mich hin, als ich mich zum ersten Mal für eine Stunde an meinen eigenen Arbeitsplatz setzen kann, eine CD einlege und völlig ungestört illustriere. Es ist wunderbar! Ich habe eine Insel unter dem Dach, auf der es kein Telefon gibt und nicht mal die Türklingel zu hören ist. Es gibt einen Tisch, gutes Licht und meine Lieblings-CDs. Na gut, ich muss für jedes Glas frisches Zeichenwasser zwei Stockwerke nach unten laufen, aber das ist es wert.

Während ich vor Freude unentwegt vor mich hin grinse und in der Arbeit immer wieder aufblicke und begeistert einen Blick nach oben durch mein Dachfenster werfe, sehe ich auf der Innenscheibe plötzlich einen Marienkäfer laufen. Es ist der 1. Oktober und kurz vorher hat es draußen noch herbstlich grau geregnet. Hinter dem krabbelnden Käfer ist blauer Himmel mit weißen Wölkchen zu sehen. Ich nehme das Bild als Zeichen, dass mein improvisierter Arbeitstisch eine glückliche Entscheidung ist und dass noch wunderbare Sachen auf mich zukommen werden. Wenn es schon so hübsch anfängt!






24 - Sonntag, 12. Oktober 2008
Endlich geht es voran. Allerdings liegt das nicht nur am eigenen Arbeitsplatz, sondern auch an meiner Konsequenz. Ich möchte Ende Oktober alle Illustrationen fertig haben - was ein ziemlich heftiges Vorhaben ist - und das bedeutet, dass ich in diesem Monat andere Arbeiten in den Hintergrund stellen muss. Mal ein wenig an einem Video schneiden ist dabei genauso erlaubt, wie mal ins Theater zu gehen, aber nur, weil ich sowieso nicht ununterbrochen zeichnen kann. Alle irgendwie verschiebbaren Termine kommen in den nächsten Monat. Wichtig ist jetzt, dass ich intensiv dran bleibe. Ich als meine Verlegerin mache mir also Druck. Und ich als Illustratorin weiß, dass meine Verlegerin sehr ungemütlich werden kann.


Ein richtiger Arbeitsmonat ist angesagt, und so wie Bühnenkünstler sich zurückziehen, um ihr neues Programm zu erarbeiten, sitze ich jetzt viel auf meiner Dachbodeninsel und mache mein neues Buch fertig. Da weder Tür- noch Telefonklingel zu mir dringen und ich mein Handy nicht mitnehme, bin ich ungewohnt schwer zu erreichen. Außerdem habe ich immer noch meinen Pflegehund, mit dem ich dreimal am Tag draußen unterwegs bin. Ebenfalls ohne Handy.

Jetzt wäre es natürlich praktisch, ein rund um die Uhr besetztes Sekretariat zu haben, das Anfragen, Lesungstermine und Buchbestellungen bearbeitet. Leider sitzt die Sekretärin auch oft auf dem Dachboden oder läuft mit dem Hund draußen rum. Sie ruft aber regelmäßig die Mails ab. Immerhin. Vielleicht muss der Verlag mal umstrukturiert werden.


Das ungestörte Arbeiten bringt sichtbare Ergebnisse und die Anzahl der fertigen oder begonnenen Illustrationen steigt. Allerdings bin ich immer wieder erstaunt, wenn ich eine ganze CD-Länge an nur einer Illustration arbeite und die dann immer noch viele unfertige Stellen hat. Geschrieben ist so ein Buch viel schneller und einfacher, als illustriert. Ich möchte gar nicht daran denken, dass ich erst etwa ein Viertel der Illustrationen gemacht habe. Und ich denk da auch nicht dran. Ich werf mir einfach die nächste CD ein und lege wieder los.



25 - Sonntag, 19. Oktober 2008
Ich bin so blöd! Es ist Buchmesse in Frankfurt und ich fahre nicht hin. Abgesehen davon, dass ich andere Termine habe und dass ich nicht genau weiß, was ich auf der Buchmesse eigentlich soll, wo ich doch gar keinen Verlag suche, wäre alleine die Meldung, dass ich auf der Messe war, großartig gewesen. Kommentarlos: “Oktober 2008, Frankfurter Buchmesse”. Punkt. Viele Leser hätten gestaunt: “Wow! Was für ein Erfolg. Hat sie es jetzt tatsächlich bis zur Frankfurter Buchmesse geschafft. Respekt.” Dass ich nur als Besucher im Gedränge herumgeirrt wäre, hätte ich ja nicht erwähnen müssen. Ich glaube, ich muss an meiner Erfolgs- und Öffentlichkeitsarbeit noch ziemlich arbeiten. Da liegen die guten Meldungen in der Luft und ich atme nicht ein.

Ansonsten läuft es recht gut. Ich bin in dieser Woche nicht so viele Stunden an meinem Arbeitstisch, wie ich es gerne hätte, aber wenn ich dort bin, geht es zügig voran. Da alles liegen bleiben kann, gehe ich auch zwischendurch einfach mal für eine halbe oder ganze Stunde nach oben und mache ansatzlos weiter. Wie wohl ich mich auf dem Dachboden fühle, kann ich gar nicht beschreiben. Schon das Hochgehen auf der schmalen Wendeltreppe erzeugt das Gefühl, in das abgelegene Turmzimmer einer Burg zu steigen. Der Blick aus dem kleinen Giebelfenster scheint das dann zu bestätigen. Ich bin einfach weit weg aus der Welt.

Bei einem meiner Auswärtstermine blätter ich während der Wartezeit in einem Buch und lese zufällig von einem Jungen, der sich im Farmhaus seiner Eltern ein winziges Zimmer unter dem Dach eingerichtet hat. Ungefähres Zitat: “Im Winter stand der Atem als eiskalte Fahne vor seinem Gesicht und im Sommer staute sich die Hitze und zog nicht ab.  Für ihn war es das Paradies.” Ich lese den Abschnitt zweimal und grinse selig. Ich weiß, wie er sich fühlt. Auch bei mir wird es die eiskalte Fahne und die Hitze geben und es ist trotzdem das Paradies.

Bis zum Ende des Monats möchte ich die Illustrationen fertig haben. Wie ich das schaffen soll, ist mir ein Rätsel, aber wenn ich mir was vorgenommen habe, ziehe ich das durch. Oder ich versuche es wenigstens. Wenn mein Kalender blinken könnte, würde der 31. Oktober ständig grell aufleuchten und bei mir Beklemmungen verursachen. Zum Glück hängt er blinkunfähig an der Wand und ich vermeide einfach den Blick auf sein unteres Ende. Das ist der Versuch, mich selber reinzulegen. Manchmal klappt das. Blöd ist, dass ich gar nicht weiß, ob die Druckerei überhaupt noch Termine vor Weihnachten hat. Es kann sein, dass ich mich jetzt völlig abarbeite und alles umsonst ist, weil der nächste Drucktermin erst im Januar frei ist. Aber ich trau mich nicht bei der Druckerei zu fragen. Das mache ich erst, wenn ich absehen kann, wann ich etwa fertig sein werde. Zu fragen: “Haben Sie noch einen Termin im November, ist das Buch dann Mitte Dezember fertig, kann ich mich darauf verlassen? Ich weiß aber nicht, ob ich bis dahin alles fertig habe”, finde ich peinlich.

Halb fertig und ohne Kommentar:



26 - Sonntag, 26. Oktober 2008
Am liebsten würde ich mich aufteilen. Das intensive Arbeiten am Kinderbuch macht viel Spaß und ich fühle mich momentan wirklich wie eine hauptberufliche Kinderbuchautorin und -illustratorin, weil ich jeden Tag mehrere Stunden an meinem Tisch sitze und Apfelquiekerbilder male. Gleichzeitig hätte ich aber gerne weitere Kapazitäten fürs Videoschneiden frei und außerdem noch die Möglichkeit, parallel dazu mein Arbeitszimmer auszubauen. Und wo ich gerade dabei bin, aufs ‘Einfach-mal-rumsitzen’ und ‘Tee-trinken-und-ein-Buch-lesen’ hätte ich auch mal wieder Lust. Mir war schon klar, dass ich einige Sachen, die ich sehr gerne mache, stark einschränken muss, wenn ich Zeit für Kinderbücher haben möchte, aber es fällt mir trotzdem nicht leicht. Gerade die von mir sehr geliebten, aber auch sehr zeitaufwändigen Videoarbeiten werde ich wohl auf wenige Projekte im Jahr beschränken müssen.

Schon jetzt teile ich mir das nächste Jahr bis zum Sommer ein und überlege, in welchen Monaten ich freie Zeit für größere andere Projekte habe und für welche Zeiträume ich mir gar nichts vornehmen kann, weil ich zu tun habe. Das ist eine entscheidende Änderung zu früher, als ich meine eigene Arbeit immer hinter anderen Projekten zurückgestellt habe. Dass ich jetzt das Kinderbuchmachen, die Lesungen an Grundschulen und die Zeit, die ich dafür brauche, ernst nehme, ändert mein Leben überraschend stark. Meine Anfang September getroffene Entscheidung, dass ich mich ganz bewusst und mit viel Energie mit Kinderbüchern beschäftigen werde, hat größere Auswirkungen, als ich gedacht hatte. Aber der Weg ist richtig, fühle ich, und die Unabhängigkeit, die ich damit habe, ist mir besonders wichtig.

Immer noch habe ich keine Ahnung, wie sich das alles entwickeln wird. Es passieren so viele überraschende Dinge, dass es ganz spannend bleibt. Ich bin offen und warte gelassen ab, was kommt. Nur, dass ich wirklich Kinderbücher machen will und mit viel Energie daran arbeite, steht fest. Und dass ich im nächsten Jahr eine Arbeitszimmer- Einweihungsparty geben möchte. Aber zuerst muss der Apfelquieker fertig werden.

Es fehlen nicht mehr viele Bilder und ich komme jetzt schon in der Phase, in der ich überlege, welche von den ersten Illustrationen ich lieber nochmal neu zeichnen möchte, weil sich mein Zeichenstil inzwischen leicht geändert hat. Zwei oder drei Bilder werden das wohl werden. Mein Weihnachtstermin scheint wegen solch exzentrischer Einfälle aus der Planung zu fallen, aber das ist jetzt auch egal. Ich mache das Buch nur einmal und in die gedruckten Ausgaben will ich keine Zettel legen, auf denen steht: “Bild 4, 7 und 11 hätte ich lieber nochmal neu gemacht, aber es ging nicht, weil das Buch unbedingt vor Weihnachten fertig sein musste.”

Da ich Mitte November mit drei kleineren Projekten anfange, für die ich Zeit brauche, versuche ich sowieso den Apfelquieker bis dahin druckfertig zu haben. Die Chancen dafür stehen recht gut. Ich glaube, ich kann Ende der nächsten Woche mal bei der Druckerei anfragen, ob und wann die mal einen Apfelquieker einschieben können. Vielleicht klappt das ganz schnell. Oder sie lachen fröhlich und verweisen auf das nächste Frühjahr.



27 - Sonntag, 2. November 2008
Das Buch ist noch nicht fertig, aber die Werbemaßnahmen laufen schon. Momentan noch ins Leere, denn den Apfelquieker kann man jetzt zwar als Internetadresse ( www.apfelquieker.de ) eingeben, landet damit aber bei der Giraffe. Ich muss mich demnächst mal dransetzen und die gurkentee-Seite zur allgemeinen Kinderbuchseite umgestalten. Mit genügend Platz, um auch die nächsten Bücher dort vorstellen zu können, denn das dritte ist ja schon fest für das nächste Jahr geplant. Ist es nicht der Wahnsinn, dass ich schon an das ganze Verlagsprogramm denken muss und nicht mehr an ein einzelnes Buch?

Meine Buchhaltung meint, ich übertreibe es etwas mit den Werbemaßnahmen, aber die Werbeabteilung findet alles völlig in Ordnung und droht der Buchhaltung ausgefallenere Ideen und wesentlich höhere Ausgaben an, wenn die weiter rumnörgelt. Als Verlegerin freue ich mich zwar über gute Werbeideen, bin gleichzeitig aber auch froh, dass die Werbeabteilung nicht den ganzen Tag Zeit hat, um noch intensiver nachzudenken. Das Geld, das die verwerben, muss erstmal wieder reinkommen. “Kommt es ja nur, wenn die Leute auch informiert werden”, argumentiert die Werbeabteilung und entwirft schon die neuen Flyer, während die Buchhaltung die vielen Zahlen mit dem dicken Minuszeichen davor ansieht und sich jammernd die Haare rauft. Aus der Ecke ruft die Poststelle: “Und was ist mit den Giraffenplakaten, die zwar schön sind, aber nur selten verwendet werden und mir seit dem Sommer ständig im Weg liegen?”, woraufhin die Buchhaltung hämisch zur Werbeabteilung grinst und diese der Buchhaltung die Zunge rausstreckt. Manchmal denke ich, wenn ich in diesem Verlag alles alleine machen würde, hätte ich nicht halb so viel Spaß.

Draußen ist es kalt geworden, der Winter streckt eisige Fingerspitzen aus und auf meinem Dachboden ist es auch kalt. Ich ziehe dort zwei Pullover, eine Weste und ein Sweatshirt über, habe dicke, klobige, molligwarme Hausschuhe an den Füßen und lege zusätzlich eine Decke über meine Beine. Vermutlich sehe ich wie eine Antarktisforscherin aus, die vor Ort ihre Eismeer-Karten studiert, dabei sitze ich nur unterm Dach und male Kinderbilder. Neben mir dampft der Tee, ich höre Musik, singe hin und wieder leise - oder auch laut - mit und finde es total gemütlich. Das wird vermutlich nicht jeder nachvollziehen können, aber ich glaube, auch die außergewöhnliche Situation macht mir einfach Spaß. Arbeitende Kinderbuchautoren stellt man sich normalerweise auf der frühlingsgrünen Wiese unter Apfelbäumen vor und nicht dick eingemummelt und mit Atemwolke vor dem Gesicht auf einem kalten Dachboden, aber die Realität sieht eben manchmal anders aus.

Den Abgabetermin von “Tim und der Apfelquieker” habe ich im internen Verlagskalender auf den 9. November gesetzt. Bis dahin möchte ich das Buch druckfertig haben. Vorausgesetzt, die Illustratorin bummelt nicht rum, der Scanner funktioniert durchgehend und die Layouterin ist gut drauf. Die ersten beiden Probeseiten mache ich am Computer schon testweise fertig, aber bis alle Illustrationen überarbeitet und alle Seiten druckfertig sind, wird noch eine Menge Arbeit vor mir liegen. Zwei Illustrationen und das Titelbild fehlen sogar noch ganz. Ein Besprechungstermin bei der Druckerei steht auch an und ich hoffe, dass ich bald den Drucktermin erfahre und wie lange es dauern wird, bis das Buch fertig ist. Ob das noch in diesem Jahr sein wird? Kommt vermutlich darauf an, ob die Druckerei kurz nach dem 9. November zufällig noch einen freien Termin hat, in den genau mein Kinderbuch passt.





28 - Sonntag, 9. November 2008
Eine Halbtagsstelle reicht nicht mehr. Die Druckerei kann unerwartet bald drucken, vielleicht schon in der nächsten Woche, und ich möchte das Buch so schnell wie möglich fertig machen. Das bedeutet jeden Tag sehr viel Arbeit. Vorwiegend die Arbeit, die ein normaler Autor an den Verlag abgibt und mit der er nichts zu tun hat. Aber ich bin ja nicht normal. Also scanne ich ein, versäubere am Computer die Bildränder, ändere die Bilder in eine druckfähige Vierfarb-Version plus Schwarz, entwerfe das Titelbild, bastel alles im Layout zusammen, lasse Texte um Bilder laufen und sehe nach, ob ich unterwegs Wörter verloren oder ganze Sätze versehentlich unter eine Illustration gebaut habe. Um alles noch komplizierter zu machen, muss ich das mit einer unbekannten Programm-Version machen und aus dem Nichts und über Nacht ganz viel dazulernen. Viel Gefluche, viel Arbeit, viel Verantwortung und alles, was falsch ist, ist mein eigener Fehler. Aber mich tröstet, dass es dafür auch nichts gibt, was ich gegen meinen Willen streichen, ergänzen oder umändern muss, nur weil jemand von einem Verlag das so haben möchte. Das ist eine ganz große Freiheit, die ich sehr bewusst genieße.

Vielleicht wäre es sogar gut, wenn erfahrene Leute ihre Meinung zum Layout sagen und damit neue Impulse und vielleicht wirklich gute Ideen bringen würden. Aber nachdem ich vor einigen Monaten einem Berufsgrafiker erklären musste, dass er Fotos mit fünf Leuten nicht mittig auf eine Doppelseite setzen darf, weil dann das mittlere Gesicht im Falz verschwindet, und ich ihm zeigen musste, wie man das in solchen Fällen macht, ist mein Vertrauen in Experten verstärkt gestört. Also lasse ich mich von meinem Gefühl leiten und mache es so, wie ich es gut finde. Im Zweifelsfall kann ich ja immer noch über die Layouterin motzen und ihr androhen, dass sie zwar sowieso nicht mit Weihnachtsgeld rechnen könne, jetzt aber erst recht nicht.

Je weiter das Buch am Computer aufgebaut wird, desto unwohler fühle ich mich. Einerseits freue ich mich, dass ich schon fast fertig bin, andererseits tauchen die Zweifel auf. Sind das nicht viel zu viele Bilder? Die Geschichte ist doch total blöd. Wer will die denn lesen? Ich sollte besser nochmal ganz neu anfangen! Und wenn das Buch nachher ganz dämlich aussieht, weil ich die Bilder falsch abspeicher und die Druckerei die so druckt? Warum mache ich das alles überhaupt??? - Also die üblichen nervlichen Zusammenbrüche, die der überspannte Künstler vor der Vorstellung seines neuen Programmes hat. Andere treten dann mal eben ein Hotelzimmer zusammen, ich weiß, dass ich nachher selber aufräumen muss und lass es lieber.


Manchmal erwische ich mich aber auch dabei, dass ich beim Korrekturlesen laut loslache, weil ich eine Formulierung so schön blöd finde. Dann denke ich, dass das eben mein Stil ist und dass das Buch - mit allen Fehlern - so sein muss. Entweder gefällt es oder nicht. Ich habe mich nicht verstellt, um eine bestimmte Zielgruppe zu erreichen und ich musste mich auch nicht nach zwingenden Vorgaben richten. Ich bin so.

In der nächsten Woche kann ich vielleicht schon mehr zum vermutlichen Veröffentlichungstermin sagen und auch weitere Infos geben. Zum Beispiel zu Buchgröße, Preis, Ausstattung, Bestellmöglichkeit, Literaturpreisterminen, Hollywoodanfragen und Musicaldarstellercastings.



29 - Sonntag, 16. November 2008
Nach einem ganz durchgearbeiteten Tag und einer halb durchgearbeiteten Nacht - viel korrekturlesen, Illus durchsehen, Zeilen neu umbrechen, neue Fehler finden, neu umbrechen, kontrolllesen - bringe ich den Apfelquieker am Mittwoch in die Druckerei. Seitdem habe ich das Gefühl, ich hätte Urlaub. Sehr verdienten Urlaub, denn die letzten Wochen waren arbeitsreich und ich merke jetzt, dass ich viel Zeit und Energie in das Buch gesteckt habe und jetzt erstmal einen Liegestuhl verdient hätte. Leider kann ich den Urlaub knicken, denn jetzt muss ich die Sachen erledigen, die in den vergangenen Wochen liegenbleiben mussten, weil mir der Apfelquieker wichtiger war. Ich tue also so, als hätte ich Urlaub, arbeite dabei aber weiter.

Am Freitag kommen schon die Kontrollausdrucke aus der Druckerei - die Daten haben sich öffnen und verarbeiten lassen und das Buch ist druckfertig. Sobald ich mein OK gebe, kann der Druck losgehen. Es ist ein etwas unwirkliches Gefühl. Der Apfelquieker ist tatsächlich fertig? Ich fühle mich von 100 auf 0 gebracht. Aber der verdrängte Prinz Ferdinand König, der Hauptdarsteller des nächsten Buches, winkt schon freudig von der nächsten Ecke. Aber den fange ich nicht sofort an. Bis Ende des Jahres habe ich einige kleine und größere Videosachen zu schneiden, eine Serie von Illustrationen für einen Freund zu machen und noch mehrere Lesungen mit dem Giraffenbuch vor mir. Außerdem spiele ich Theater und beginne den Dachboden freizuräumen, um ihn im nächsten Jahr als Arbeitszimmer auszubauen. Das reicht.

Vor allem muss ich ja auch mit der Flut der Buchbestellungen fertig werden, die Anfang Dezember über mich hereinbrechen wird. Die erste Welle kam schon geschwappt: Ein Apfelquiekerbuch wurde bestellt, bevor es gedruckt wurde und ohne dass der Preis klar ist. Eine Blindbestellung. So soll es sein. “Ein neues Buch von Anette Dewitz? Her damit!” Ich hoffe, die Grundmeinung ändert sich nicht mal in: “Ein neues Buch von Anette Dewitz? Och nee! Hat die eigentlich nichts anderes zu tun?” Aber wie schön, dass ich die erste Buchbestellung noch als “Welle” interpretieren kann. Mein Optimismus ist wirklich vorbildlich.

Erste Informationen über “Tim und der Apfelquieker”:
Das Buch wird wahrscheinlich Ende November fertig sein und ich gehe davon aus, dass ich es ab dem 1. Dezember habe und verschicken kann. Der Apfelquieker ist eine spannende, lustige, liebevolle Geschichte für Kinder von 6-10, also Grundschulkinder. Format 21 x 21 cm, 36 Seiten mit vielen Illustrationen, aber diesmal ein biegsamer Umschlag, also ein Softcover, und keine Hör-CD. Der Preis wird auf jeden Fall unter 10 Euro liegen. Genauer gesagt zwischen 8,00 und 9,99 Euro. Genau bestimmen kann ich den in einigen Tagen, sobald ich alles durchgerechnet habe.

In den nächsten Tagen geht die neue gurkentee-Homepage an den Start, auf der es mehr Informationen zum Buch geben wird. Wer ganz neugierig ist, kann dann da schon mal gucken.





30 - Sonntag, 23. November 2008
Als das Titelbild und der erste Druckbogen gedruckt werden, bin ich in der Druckerei dabei. Die Farben gefallen mir sehr gut, und ich fühle mich plötzlich wie in der Vergangenheit. Habe ich nicht im letzten Jahr bei dem gleichen Krach an der gleichen Maschine gestanden, die gleichen großen Druckbögen unter einen hellen Lampe angesehen und das alles schon mal erlebt? Die fast identische Situation lässt die Bilder in meinem Kopf übereinanderlaufen, auch wenn ich diesmal mit einem anderen Buch in einer anderen Druckerei stehe. Einen kurzen Momant lang glaube ich, dass ich einfach den Giraffentext mit neuen Bildern versehen und wieder zur alten Druckerei gebracht habe. Eine sehr irreale Situation. Etwas verwundert stelle ich fest, dass wirklich gerade der Apfelquieker gedruckt wird. Mein zweites Buch ist so gut wie fertig.

Seitdem traue ich mich aber nicht mehr, einen Blick auf den Text zu werfen, aus Angst vor Textfehlern, die ich jetzt nicht mehr korrigieren kann. Irgendwo habe ich beim Umbauen bestimmt noch einen dicken Schnitzer eingebaut. Ich kann jetzt schon sagen: Meine Lektorin war es nicht! Wenn Fehler drin sind, habe ich die am Ende selber wieder reingebaut und beim Kontrolllesen zehnmal übersehen. Am besten guck ich gar nicht mehr hin. Was ich nicht weiß, regt mich nicht auf.


Vom Apfelquieker sind schon mehr als 30 Bücher bestellt, obwohl es den ja erst ab dem 1.12. geben soll. Da ich diesmal nicht handnummeriere, gebe ich keinen offiziellen Bestell-Starttermin, denn es ist ja völlig egal, ob man im Dezember einen oben oder unten aus dem Karton bekommt. Drei Geschäfte, in denen es das Giraffenbuch zu kaufen gibt, möchten auch den Apfelquieker haben, und auch beim Giraffenbuch zieht es gerade wieder kräftig an.

Da ich als Sonderaktion im Dezember keine Porto- und Verpackungskosten berechne, erwarte ich am 1. Dezember einen dicken Schwung von Bestellungen. Am besten verordne ich dann einen Urlaubsstop im Verlag, damit es genügend Mitarbeiter gibt, die die Arbeit gemeinsam bewältigen. Als Verlagsleiterin kann ich das gut bestimmen, und es muckt keiner auf, weil alle von mir abhängig sind. Prima Job, würde ich sagen. Gepolsterte Umschläge und Briefmarken sollte ich auch besorgen, fällt mir gerade auf. Und mich in meiner Wohnung umsehen, wohin ich den nächsten Berg von Büchern bauen kann. Demnächst hält wieder ein Lieferwagen vor der Türe. Ich glaube, ich bin wahnsinnig. Aber ziemlich glücklich.


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