KINDERBUCH-BLOCK 8   Teil 71-80

Kinderbuchblock Nummer:
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71 - Sonntag, 6. September 2009
Mir läuft die Zeit weg. Darum bremse ich scharf ab und kümmer mich ab sofort vorwiegend um meine Illustrationen. Bis Ende Oktober möchte ich sie fertig haben und da muss mein kulturelles und gesellschaftliches Leben in den nächsten Wochen etwas leiden. Ich erlaube mir nur wenige private Auswärts- Termine und arbeite auch nur noch an anderen Projekten, die schon fest eingeplant waren. Und Köln-Comedy im Oktober werde ich komplett übersehen müssen. Das ist schade, aber ich muss meinen Prinzen auf seinem Weg begleiten. Für mich heißt das in den nächsten Wochen: Wenig Außenkontakt, viel Aufenthalt im Arbeitszimmer. Hört sich schlimmer an, als es ist, denn ich freue mich richtig auf das konzentrierte Arbeiten und das Alleinsein. Ein bisschen schlechtes Wetter dazu, und ich höre den Regen aufs Dachfenster trommeln, mache mir eine Kanne Tee und fühle mich doppelt wohl. Von mir aus würde es übrigens reichen, wenn der Regen lokal auf mein Dachfenster beschränkt wäre. Würde ich von drinnen nicht merken und es ist nicht nötig, dass alle anderen Leute ebenfalls nasses Wetter haben.

Natürlich breche ich meine knallharten Vorgaben sofort, weil ich in der nächsten Woche nach Berlin fahre und damit wieder zwei Arbeitstage verschenke. Aber 1. war das lange geplant, 2. freue ich mich sehr darauf und 3. komme ich vermutlich mit Schwung und neuen Inspirationen zurück. Danach habe ich gleich eine Lesung - die erste nach den Sommerferien - aber dann ist wirklich Schluß und ich werde mich quasi in meinem Arbeitszimmer einmauern. (Ich hoffe, die Verlagsleiterin liest diesen Satz nicht und setzt ihn wörtlich um. Das würde vermutlich sehr gut in ihr Zeitkonzept passen.)

Auf dem Arbeitstisch häufen sich inzwischen angefangene, halbfertige und fast fertige Illustrationen. Ganz fertig ist noch keine, aber ich gehe am Ende sowieso alle nochmal durch und mache eine Endfassung. Die Kennzeichnung “halbfertig” ist immer schon ein Erfolg und heißt, dass ich mit dem nächsten Bild beginnen darf. Es geht gut voran, aber ich muss jetzt noch aktiver werden.




72 - Sonntag, 13. September 2009
Berlin hat die Giraffe. Ein ganz nettes, kleines Café-Restaurant am Tiergarten. Und dort gibt es tatsächlich das passende Auto mit dem langen Giraffenhals auf dem Dach, das vor zwei Jahren meine eigene, allerdings rein spekulative Idee war.

Natürlich steht bei meinem Berlinaufenthalt ein Besuch bei der Giraffe auf dem Programm. Und natürlich lasse ich ein Giraffenbuch da, weil es so gut passt. Vielleicht kann das Buch dort sogar verkauft werden, mal sehen. Der Service ist total nett, das Essen sehr lecker und die Speisekarte vielversprechend. Im nächsten Jahr würde ich gerne eine Lesewoche in Berlin machen. Jeden Vormittag eine Lesung an einer anderen Grundschule. Ich sollte das so organisieren, dass ich danach immer in der ‘Giraffe’ essen gehen kann.

Der Prinz kommt in der Woche nicht viel weiter, weil ich wenig da bin oder anderes zu tun  habe. Er liegt geduldig auf dem Tisch im Arbeitszimmer und freut sich, wenn ich mal für ein oder zwei Stunden vorbeikomme. Und ich freue mich auf die nächste Woche, wenn es endlich wieder richtig mit den Illustrationen weitergeht. Mindestens zehn Stück will ich schaffen. In der Bücherei habe ich mir die 10 CD-Box von Thomas Manns “Zauberberg” ausgeliehen. Ich habe vor, täglich in meinem Arbeitszimmer zu sitzen, den Zauberberg zu hören und das Gefühl zu haben, abgeschieden von der Welt in einem Schweizer Sanatorium zu sein. Genau das brauche ich jetzt. Schade nur, dass ich zum Essen nicht einfach in den Speisesaal gehen kann. Es wäre ja schön, wenn ich eine meiner Mitarbeiterinnen zum Kochen in die Küche schicken könnte, aber die weigern sich immer und am Ende der Diskussion muss ich dann selber Nudeln aufsetzen. Ach, Kleinverlage haben es nicht immer leicht. Aber sie haben Spaß.



73 - Sonntag, 20. September 2009
Der König ist wieder dick und groß. Vor drei Wochen habe ich spontan entschieden, ihn zu einem mageren Regentlein zu machen, aber nach der ersten Freude darüber, bleibt ein komisches Gefühl im Bauch. Als ich mich an einem Morgen an die Illustrationen setze, weiß ich plötzlich, dass er anders aussieht. Ich weiß nicht warum, aber ich lasse mich in solchen Fällen gerne von dubiosen Gefühlen leiten. Also ändere ich den König in älter, größer und dicker und das komische Gefühl im Bauch ist weg. Bei mir muss die Illustratorin nicht nur auf die Verlagsleiterin, sondern auch auf ihren Bauch hören.



Im Gegensatz zum wieder rückveränderten König bleibt der vorher spontan jünger gewordene Professor im neuen Aussehen. Dem tut die Änderung gut und ich merke, dass er richtig ist. Na, noch habe ich die Zeit für solche Extrawünsche.

In dieser Woche ist es an einem Morgen so kalt im Arbeitszimmer, dass ich mit heißem Tee, dicken Socken und einer warmen Weste am Tisch sitze. Der Herbst kommt. Richtig winterlich kalt ist es noch nicht, aber für heißen Tee reicht es und ich finde es total gemütlich. Ist nicht ganz normal, dass ich lieber im Winter mit vier Pullis übereinander arbeite, als zu überlegen, ob ich eine Heizung einbauen möchte. Vermutlich brauche ich eine Portion Abenteuergeist und Überlebenskampf in meinem Alltag. Hier gibt’s übrigens Frühstück für die Prinzessin (im Buch später auf Seite 24):




74 - Sonntag, 27. September 2009
Momentan arbeite ich Seite für Seite ab. Wie groß wird die Illustration, was soll zu sehen sein? Vorzeichnen, ausmalen und sobald sie einigermaßen bunt ist, weiter zur nächsten Seite. Ich schließe nicht aus, dass ich später die ein oder andere Zeichnung neu anfertige und will darum nicht jetzt schon stundenlang an allen Einzelheiten arbeiten. Vielleicht fällt mir noch etwas Wichtiges ein oder jemand ändert sein Aussehen entscheidend. Kann bei mir ja vorkommen.

Außerdem ist es Ende September und ich muss zur eigenen Beruhigung möglichst viele Illustrationen herumliegen haben. Wenn ich es einmal quer durchs Buch geschafft habe, kann ich an die Feinheiten gehen. Immer noch komme ich nicht so häufig ans Arbeiten am Kinderbuch, wie ich das möchte. Aber immer, wenn ich arbeite, klappt es auch. Das ist ein großes Glück. Und eigentlich ist es so besser, als stundenlang mit viel Zeit zu illustrieren und nachher alles kopfschüttelnd auf den “Nee,- so- nicht” -Stapel zu legen.

In der Geschichte gibt es eine Szene, in der die Kinder bei Regen unterwegs sind. Den Regen habe ich erfunden, als die Prinzessin in Zimmer stürmte, die Fenster aufriss und rief: “Los, komm! Die Sonne scheint!” In diesem Moment regte sich mein Widerspruchsgeist und es regnete. Und jetzt sitze ich vor grauen Bildern und muss Pfützen malen. Das habe ich von meiner Originalität. Zum Glück wird’s später wieder sonnig. Ehrlich gesagt finde ich die Regenszenen aber immer noch total gut und freue mich, dass sie drin sind.

Gerade jetzt, wo ich viel illustrieren muss, sitze ich oft auch noch vor dem Computer und schneide Videos, die ich “schnell mal machen” will, die dann aber doch immer viel länger dauern, als ich vorher denke. Das liegt vermutlich daran, dass ich mit viel persönlichem Einsatz daran arbeite und nichts einfach nur wegarbeite. Es dauert dann manchmal länger, bis es so ist, wie ich es haben möchte. Die Zeit fließt weg. An diesem Samstag verbringe ich sogar den halben Tag im Kölner Tanzbrunnen, um am Abend ein Konzert zu filmen. Das werde ich allerdings erst im nächsten Jahr schneiden. Alles geht einfach nicht. Mein Prinz wartet.



75 - Sonntag, 4. Oktober 2009
Ab jetzt muss ich an jedem Tag zwei Illustrationen schaffen. Und wenn ich an einem Tag keine Zeit habe, müssen es am nächsten Tag vier sein. Die Verlagsleiterin passt scharf auf. Ende des Monats müssen alle Illustrationen fertig sein. Ich habe sie nicht gezählt, aber es werden etwas mehr als 60 Stück sein. Manche sind groß, manche klein, die meisten mittelgroß. Es ist noch richtig viel Arbeit. Aber es geht voran und ich arbeite gerne daran. Es dauert nur leider so ewig.

Tatsächlich sitze ich jetzt oft im Arbeitszimmer unter dem Dach, die grauen Wolken ziehen über dem kleinen Dachfenster vorbei, und ich höre die Hör-CDs vom “Zauberberg”. Gerade beim Illustrieren bleiben die Ohren offen und ich kann gleichzeitig meine Prinzenwelt bunt malen und den CDs aufmerksam zuhören. Dann bin ich so weit vom täglichen Leben weg, dass es wie eine Rückkehr erscheint, wenn ich die Treppe herunterlaufe, um neuen Tee aufzusetzen oder das Pinselwasser zu wechseln. Wunderbar. Wenn ich keine Familie hätte, würde ich die nächsten Wochen vermutlich ohne Uhr und ohne Tagesrhythmus verbringen. Immer im Wechsel arbeiten, essen und schlafen, wie es mir gerade passt. Egal, ob es Tag oder Nacht ist. Und nur ans Telefon gehen, wenn ich es zufällig klingeln höre. Je nachdem, wie knapp es am Ende wird, werde ich das vielleicht noch durchziehen. Wäre mal spannend.

Der Oktober wird mein Illustrations-Monat sein und der November kann dann der Bearbeitungs- und Layoutmonat werden. Wäre nicht schlecht, wenn ich auch mal mit der Druckerei reden würde, ob ich das Buch im Dezember dort überhaupt abgeben kann. Die wissen noch gar nichts von meinen Plänen. Dabei sind die Zeitabschnitte genau durchdacht. Während das Buch im Dezember gedruckt und gebunden wird, ist im Januar und Februar die Hör-CD dran. Aufnehmen, mischen, ins Presswerk geben. Hört sich jetzt schneller an, als es klappen wird, aber ich gehe optimistisch ran. Der komplette “Prinz Ferdinand König” kann dann vermutlich im März veröffentlicht werden. Das wäre zwar deutlich am Weihnachtsgeschäft vorbei, aber wer will am 24.12. schon ein halbgedrucktes Buch ohne Hör-CD haben?

Und natürlich: In den nächsten Monaten habe ich wenig Zeit für andere Sachen, weil mein Buch fertig werden soll, und jetzt trudeln verstärkt Lesungs- und sehr interessante Filmanfragen rein. Ist ja immer so. Und ein anderes Buchprojekt steht ebenfalls vor der Tür und wird im Frühjahr vermutlich einige Zeit in Anspruch nehmen. Habe ich schon gesagt, dass ich meine Küche renovieren möchte? Ich verschieb es auf den Sommer. Oder Herbst?



76 - Sonntag, 11. Oktober 2009
Mein klug ausgetüftelter Zeitplan hat ein neues Problem ergeben. Im Dezember möchte ich das Buch in die Druckerei geben und erst danach, im Januar und Februar, intensiv an der Hör-CD arbeiten. Eine im Prinzip gute Idee. Der Haken: Ich weiß bis zum Drucktermin nicht, ob es Lieder auf der CD geben wird. Geplant sind welche, aber ob das mit dem Textschreiben klappt, wer die singt und ob die nachher überhaupt mein OK für eine Veröffentlichung bekommen, kann ich Anfang Dezember nicht wissen. Ich behalte mir ja vor, dass ich mich mutig an zwei, drei oder vier Lieder begebe, aber bis zum letzten Moment stoppen und alles verlegen lächelnd (oder laut lachend) in die Schublade stecken kann. Dann gäbe es eine Hörspiel-CD ohne Lieder, was völlig in Odnung wäre.

Was schreib ich nun aber Anfang Dezember als Information ins Buch? “Auf der CD gibt es vielleicht Lieder”. “Wenn es Lieder gibt, sind die gesungen von X. Oder von Y. Vielleicht aber auch von jemand anderem”. “Sollte es keine Lieder auf der CD geben, waren die großer Mist.” Oder soll ich die Lieder sicherheitshalber gar nicht erwähnen, was später aber ein verwundertes Durchblättern des Buches auf der Suche nach Informationen dazu auslösen könnte. “Wer singt denn hier so schräg?” Ganz abgesehen von der Problematik, wenn die Lieder die Charts stürmen und dann nie herausgefunden wird, von wem die sind! Wer nimmt dann den Tony-Award für die schönsten Hörspiel-Lieder entgegen?

Die einzige Möglichkeit aus diesem Dilemma herauszukommen, wäre ein intensives Liedtextschreiben noch im Oktober. Die Texte sind der Knackpunkt und in meinen Augen das Schwierigste.Wenn schon die Texte nicht gut sind, kann ich meine Idee sofort komplett vergessen. Nicht seicht und außerdem hinten reimend zu schreiben, halte ich für überhaupt nicht einfach. Wenn es einfach wäre, gäbe es weit mehr gute Liedtexte. Aber kann ich es schaffen, in den nächsten, sowieso übervollen Wochen, noch Zeit zum Texten zu finden? Vielleicht fällt mir ein guter Text in der Badewanne ein? Bei manchen Künstlern ist das so. Schade nur, dass ich keine habe, weil ich lieber dusche.

Meine Situation verschärft sich, als mir einfällt, dass nicht nur die Lieder, sondern auch alle Mitwirkenden der Hör-CD schon beim Druck im Buch stehen müssen. Ich habe mir aber noch keine genauen Gedanken gemacht, wer welche Rolle sprechen könnte. Bis auf die beiden Kinderstimmen ist noch alles offen. Gut, es gibt erste Wunschvorstellungen, aber ich muss ja erstmal nachfragen, ob meine Stimmen im Januar und Februar 2010 mitmachen wollen, ehe ich ihre Namen im Dezember 2009 drucken lasse. Wie viele Leute brauche ich überhaupt?

Ich stehe vor dem Dilemma “Lieder und CD-Sprecher im Buch erwähnen, auch auf die Gefahr hin, dass das später gar nicht stimmt” oder “völlig verschweigen”. Nein, ich habe sogar ein Polylemma, denn ich habe mehr als zwei Auswahlmöglichkeiten. Die dritte ist: “In den nächsten sechs Wochen Lieder schreiben und Sprecher finden”. Der Begriff “Polylemma” befindet sich übrigens nicht in meinem Sprachgebrauch, ab er es gibt ihn tatsächlich. Aber was ist eigentlich, wenn man mehr als EIN Polylemma hat? Sind das dann Polylemmen?  “Ich habe Polylemmen” - “Ach, herrje, warst du schon beim Arzt?”



77 - Sonntag, 18. Oktober 2009
Etwa zwei Drittel der Illustrationen sind grob fertig. Es sieht zeitlich eng, aber trotzdem ganz gut aus. Parallel dazu lege ich am Computer schon alle Seiten des Buches an, so dass ich engültig fertige Bilder einscannen, an den Rändern versäubern, für den Druck in vier Farben aufteilen und dann in die Seite einfügen kann. So kann ich nach einigen anstrengenden Illustrierstunden mit einer anderen Arbeit weitermachen und gut abwechseln. Außerdem bricht das meine strenge Zeitplanung, im Oktober alles zu zeichnen und im November alles zusammenzusetzen. Wenn schon im Oktober ein großer Teil des Buches druckfertig auf dem Computer ist, kann ich die letzten Illustratonen auch erst im November machen. In der nächsten Woche habe ich auch einen Termin in der Druckerei, um dort alles zu besprechen.

Eine Bemerkung von Rainald Grebe geht mir nicht aus dem Kopf. Ich erzähle ihm, dass ich in der Geschichte gerne noch mehr skurrile Situationen hätte, der Platz aber nicht reicht. Mit den vielen Illustrationen und einer Geschichte mit verschiedenen Personen sind die Seiten schnell gefüllt. Er sagt: “Dann wirf doch alle normalen Szenen raus und nimm nur die skurrilen!” Ich lache. Aber der Satz hakt sich fest.

Mein Humor kann schon sehr schräg sein und ich glaube, dass das Buch schon ziemlich viele skurrile Stellen hat. Allerdings bin ich lange nicht so radikal wie Rainald Grebe. Für Kinder muss eine Geschichte bei aller Abgedrehtheit “rund” und nachvollziehbar bleiben, finde ich. Aber lässt sich ein vielleicht etwas braver Ablauf doch noch ein bisschen drehen? Bin ich jetzt vielleicht zu vorsichtig und könnte den Kindern mehr zumuten?

Bei der letzten Textbearbeitung, bei der ich die Korrekturen der Lektorin übertrage und auch selber noch spontan einige Kleinigkeiten ändere - was natürlich ziemlich blöd ist, wenn man vorher hat lektorieren lassen - , lese ich die Geschichte ganz besonders kritisch durch. Und tatsächlich: Ich streiche ein paar Formulierungen und Sätze und es sind immer “normale”. Die, die sowieso klar und damit unnötig und fast langweilig sind. Warum schreibe ich, dass der Vater Farbkleckse an den Fingern hat, wenn man das im nebenstehenden Bild sehen kann? Der Humor ergibt sich sowieso oft aus dem Vergleich von Wort und Bild.

Als Kind hätte mir das Buch gefallen. Ist aber ein blödes Argument, denn da hatte ich vermutlich einen ähnlichen Humor wie jetzt. Ich finde übrigens sehr nett, dass Prinz Ferdinand König und die Prinzessin die halbe Geschichte in Bademänteln und Flauschpantoffeln erleben, weil sie sich kurz vorher die regennasse Kleidung ausziehen mussten. Und dass der Tanzlehrer sagt: “Ein Brunnen ohne Wasser ist kein Brunnen, sondern ein Loch im Boden”. Große Worte im Walzertakt.



78 - Sonntag, 25. Oktober 2009
Die am Computer angelegten Seiten vermehren sich. Ich freue mich besonders, wenn Text und Bild problemlos auf eine Seite passen. Bei mir ist alles möglich. Auch, dass ich mich vermesse und fröhlich eine zu große Illustration male, die dann nicht auf die Seite passt. Dass die ersten beiden ganzseitigen Illustrationen nach der Fertigstellung nur sehr knapp auf meinen Scanner passen, weil ich nicht bedacht habe, dass der eine begrenzte Auflagefläche hat, ist schon blöd genug. Die fünf Millimeter, die ich ringsherum als Sicherheitsrand gemalt habe, damit beim Druck nicht versehentlich ein weißer Rand durchblitzt, muss ich vor dem Einscannen wieder abschneiden.

Auf meinem Dachboden fühle ich mich wie ins letzte Jahr versetzt. Es ist oft kalt, ich trage drei Jacken übereinander, habe eine Decke über den Beinen und neben mir dampft heißer Tee. Meistens flackert eine Kerze, die aus der kalten feuchten Luft kalte trockene macht. Haben die Verantwortlichen für das Verbot der Glühbirnen schon mal an Kinderbuchautorinnen auf heizungslosen Dachböden gedacht? Meine Stehlampe erwärmt den Arbeitsbereich am Tisch und ist neben der Kerze die einzige Heizquelle. Je länger ich arbeite, desto angenehmer wird das Klima. Ich glaube, ich muss tatsächlich Glühbirnen horten, damit ich die in den nächsten Wintern weiterhin bewusst einsetzen kann. Nicht überall geht es nur um das Licht. Erfrorene Illustratorinnen sind auf Dauer problematischer als Glühbirnen.

Trotz der niedrigen Arbeitstemperaturen fühle ich mich total wohl. Ich höre Radio oder CD, mein Kopf ist klar und ich kann konzentriert arbeiten. Auf dem Dachboden hängen die schon fertigen Illustrationen aufgereiht und wenn ich sehe, wie viele es sind, könnte ich fast mein Arbeitstempo verringern und mich beruhigt zurücklehnen. Aber ich weiß, dass noch mehrere kleine Projekte in diesem Jahr auf mich warten und dass es stressig wird, wenn die plötzlich vor der Tür stehen und ich außerdem noch am Buch arbeiten muss. Darum: Ab auf den Dachboden!

So wie es aussieht, wird der Tanzlehrer noch seinen Schnurrbart verlieren. Ich glaube, dass er mir ohne besser gefällt. Ist natürlich blöd, weil ich ihn schon auf drei Illustrationen mit Bart im Gesicht habe. Da muss ich wohl mit einem Bildbearbeitungsprogramm rangehen und den mühsam wegretuschieren. Warum habe ich eigentlich eine Stilberaterin in meinem Team, wenn ich nachher doch so viel ändern muss?






Was hier passiert, verrate ich noch nicht.
Sieht aber spannend aus, oder?










79 - Sonntag, 1. November 2009
Fünfzig Illustrationen sind fertig, ich muss noch ungefähr zehn Stück machen, zwei davon sind sehr groß. Plus etwa zehn sehr winzige und plus ein Titelbild, von dem ich noch nicht weiß, wie es werden soll. Und so kurz vor Schluß geht es wieder los: Ich sehe die fertigen Bilder kritisch an und denke bei mindestens zwanzig, dass ich die unbedingt nochmal machen muss. Und bei zehn weiteren, dass die auch noch sehr stark überarbeitet werden müssen. Ich kenne es ja schon. Je näher der Drucktermin rückt, desto fraglicher erscheint mir das ganze Unternehmen und ich zweifel, ob “so was” überhaupt veröffentlicht werden darf.

Wenn ich mir jetzt noch sechs Monate Zeit geben würde, würde ich glatt von vorne beginnen. Zum Glück macht jetzt die Verlagsleiterin Druck und auch andere gurkentee-Mitarbeiterinnen schütteln genervt den Kopf. Es ist tatsächlich immer die Illustratorin, die am Ende Stress macht und rumzickt. Da hilft nur, sie unerschütterlich an die Arbeit zu schicken und ihr einen dicken Abreißkalender vor die Nase zu hängen, nach dem sie noch zwei Wochen Zeit hat. Erfahrungsgemäß schickt sie sich dann in ihr Schicksal und arbeitet noch intensiver.

Da die meisten Seiten im Layout schon vorbereitet sind, ist es nicht mehr wichtig, dass alle Illustrationen noch im Oktober fertig werden. Die Arbeit mischt sich jetzt etwas. Mal am Zeichentisch, mal vor dem Computer. Druckfertig soll alles am letzten Novembertag sein. Und langsam sollte ich mir auch mal massive Gedanken zu den Sprecherinnen und Sprechern der Hör-CD machen. Die werde ich im Dezember und Januar aufnehmen und das wird schwierig, wenn ich bis dahin nicht weiß, wer dabei sein wird. Ich sollte mal sehen, wer das Organisieren der Sprecher übernehmen kann, denn die Illustratorin ist ja durchgehend beschäftigt und die Verlagsleiterin muss ihr ständig im Nacken sitzen. Aber irgendjemand aus dem Verlag muss ja mal Zeit haben.



80 - Sonntag, 8. November 2009
Bei den Bildern geht es auf das Happy End zu. Noch fehlt das Titelbild und auch zwischendurch gibt es noch freie Stellen, in die noch kleine Illus kommen sollen, aber wenn ich schon an den Bildern der letzten Seiten zeichne, ist das Ende der Arbeit nicht mehr weit. Jetzt könnte alles in einem Rutsch gehen und schnell fertig werden. Leider wird der Rutsch mal wieder empfindlich gestört, weil ich in der nächsten Woche neben mehreren kleinen, auch drei ganztägige Termine habe.

Dabei geht es um völlig andere Projekte und es ist ein bisschen blöd, dass das jetzt alles zusammen kommt. Ich fahre nicht nur zwei-, sondern mehrgleisig. Kinderbuch, Videofilm, Buchprojekt und Theaterspielen. Alles in einer Woche. Wenn das mal kein Beleg für Abwechslung und ein sehr kreatives Leben ist. Oder der Beweis für eine chaotische Terminplanung. Zum Glück ist es für meinen Kopf kein Problem, hin und her zu switchen. Ich kann konzentriert und selektiv arbeiten, ohne dass mir die anderen Sachen aktuell im Kopf herumgehen. Es wäre nur schöner, wenn ich mein Buch mal fertig bekäme.

Immerhin habe ich dort jetzt den “Ordner”-Stand erreicht. Das heißt, ich drucke fertig layoutete Seiten aus, hefte sie in einen Ordner und bekomme einen Eindruck vom späteren Buch. Damit habe ich zum ersten Mal Text und Bild auf Doppelseiten vor mir und das finde ich immer wieder beeindruckend. Natürlich habe ich mir vorher Gedanken gemacht, wie ich es haben möchte und wie es ungefähr aussehen soll, aber das endgültige Aussehen wird für mich erst in dieser Version fassbar.

Wenn ich mit der Hör-CD auch so weit wäre, wäre alles super. Aber die steckt nicht mal in den Startlöchern. Auch die immer noch geplanten Lieder sind ganz weit weg. Manchmal fallen mir tolle Melodieteile oder schöne Textzeilen ein, die ich sofort notiere. Kurz danach gesungen oder mit einem Finger auf dem Klavier zusammengetippt, hören sie sich immer blöd an. Aber ich lasse mich nicht mutlos machen. In zwei Wochen will ich mit dem Buch so gut wie fertig sein und dann nehme ich mir Zeit, setze mich ganz gezielt hin und schreibe Lieder. Ich hoffe fest, dass sich in meinem Unterbewusstsein seit Wochen gute Ideen gesammelt haben, die dann hervorsprudeln werden und umwerfend gut sind. Und dass mir dann nicht wieder passiert, dass ich meinem Sohn eine tolle Textzeile mit einer “na - so ungefähr soll es klingen” -Melodie vorsinge und er danach freundlich vorschlägt: “Vielleicht solltest du die Lieder ganz weglassen.”


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