KINDERBUCH-BLOCK 4   Teil 31-40

Kinderbuchblock Nummer:
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31 - Sonntag, 30. November 2008
Das Buch ist von meiner Seite aus fertig, ich warte nur noch darauf, dass es geliefert wird, und eigentlich könnte es eine ruhige, besinnliche Zeit sein. Aber nichts da. Die Bestellungen zum Apfelquiekerbuch rasseln ins Mailfach, es gibt Giraffenlesungen an Grundschulen und dazu plötzlich viele Anfragen für Lesungen im nächsten Jahr. Ich brauche neue Flyer und neue Stempel und räume einen Platz frei für die großen Kartons mit gepolsterten Umschlägen. Leider besetzen sie jetzt einen Teil des Platzes, den ich für meinen neuen Bücherberg benötige. Ich habe echt keine Ahnung, wo ich die Apfelquiekerbücher unterbringen soll, außer, sie zu den Giraffenbüchern ins Wohnzimmer zu stellen. Da, wo jetzt auch die gepolsterten Umschläge stehen. Vielleicht dekorier ich dann alles mit Tannenzweigen und nehme es als Weihnachtsbaumersatz. Noch sehe ich es lustig.

Der geplante Veröffentlichungstermin ist natürlich nicht zu halten, weil die Binderei kleine Engpässe hatte, aber einen Tag später, am 2. Dezember sollen die Bücher bei mir ankommen. Allerspätestens am 3. Dezember. Dafür, dass ich so spät fertig war, immer noch sensationell schnell. Am Nachmittag des 3. Dezembers wird also der entsetzte Postbeamte große Augen bekommen, wenn ich schon wieder mit einem Wäschekorb voller Büchersendungen an seinen Schalter trete. Leider wird die Poststelle zum Ende des Jahres geschlossen, was sehr befremdlich ist, weil es die Hauptpost der Gegend ist, aber manchmal denke ich, dass ich nicht unschuldig bin. In der Vorweihnachtszeit an den Schalter zu treten und zu sagen: “Bitte 186 mal Büchersendung”, und dann minutenlang dem Rattern der ausgedruckten Wertmarken zu lauschen und zu erleben, dass das Kleberöllchen endet und alles bis dahin Ausgedruckte gezählt und storniert werden muss, einen stöhnenden Postbeamten seufzen zu hören, der dann nochmal mit dem Ausdrucken anfangen muss ... ist auch wirklich eine harte Sache. Kein Wunder, wenn die Kollegen gemeinsam beschlossen hätten, die Sache komplett aufzugeben. Trotzdem schade - ich hätte ich die Poststelle gerne behalten.

Eine nette Sache am Schluß. Bei der letzten Lesung erkundigte sich ein Junge ganz ernsthaft: “Wie viele Millionen hast du mit den Büchern aus deinem Wohnzimmer schon verdient?”



32 - Sonntag, 7. Dezember 2008
Am Mittwoch soll der Apfelquieker um die Mittagszeit geliefert werden. Der Tag ist originell gewählt, denn es schneit am Stück, der Gatte muss geschäftlich unterwegs sein und die Kinder sind bis zum Nachmittag in der Schule. Im schlimmsten Fall werden die Bücher auf Paletten unten an der Straße ausgeladen und ich muss sie stundenlang alleine und portionsweise den rutschigen, schneebedeckten Weg bis zur Türe hochtragen. Vermutlich werde ich ständig ausrutschen und dabei Buchecken und Knie anstoßen, und außerdem werden die Bücher im Schneetreiben so nass, dass ich sie nachher von Hand trocken und glatt bügeln muss.

Aber sage ich nicht immer, dass ich ein optimistischer Mensch bin? Den ganzen Vormittag über gucke ich immer wieder pfeifend aus dem Fenster und bestaune gut gelaunt das ungewöhnliche Schneetreiben. Am Mittag hört es plötzlich auf zu schneien und weil es viel zu warm ist, schmilzt der pappignasse Restbelag sehr schnell weg. Kurz darauf biegt der Wagen mit den Büchern um die Ecke. Schnee weg, Mann und Kinder als Tragehilfen aber auch. Zufällig ist Volker, mein Nachbar zu Hause und bekommt mit, dass ich auf die Bücher warte. Er bietet sofort seine Hilfe an. Nicht, weil Schleppen sein Hobby wäre, sondern weil er einfach von Grund auf hilfsbereit ist und einfach anpackt, wenn es nötig ist.

Zusammen schaffen wir die Bücherkartons in weniger als einer Stunde nach oben und ich berichte währendessen schweratmend, dass ich jetzt schon nicht weiß, wohin mit den Büchern, dass ich im Frühjahr aber das nächste Buch anfangen werde. Wir stellen die Kartons im Wohnzimmer ab, auf dem Küchentisch und auf der Treppe - überall dort, wo gerade Platz ist - und als wir fertig sind, verabschiedet er sich lässig mit: “Dann bis zum nächsten Jahr!” Toll, solche Nachbarn zu haben!

Kaum sind die Bücher im Haus und alle Verlagsmitarbeiter haben das neue Buch bestaunt, legt die Poststelle los und macht den ersten Stapel postfertig. Es geht los. Der Apfelquieker geht in die Welt. Da hat sie sicher schon lange drauf gewartet.






33 - Sonntag, 14. Dezember 2008
Es läuft alles von alleine. Anstatt dass ich gewaltig die Werbetrommel schlagen muss, damit jemand vom Apfelquieker überhaupt Notiz nimmt, kommen Bestellungen rein und Buchhandlungen rufen an, ob ich ihnen den Apfelquieker und auch noch einige Giraffen vorbeibringen kann. Ich packe und beschrifte, fülle Lieferscheine aus und bringe zur Post, und manchmal finde ich alles unglaublich. Es sind ja keine Riesenmengen, die ich täglich bearbeiten muss, was auch gut ist, denn ich habe gerade dringende andere Sachen zu machen, aber hier 10, da 20, dort 3 und da wieder 20. Es läppert sich. Dazu kommen die Fahrten zu den Buchhandlungen in der Nähe, die auch Zeit kosten. Noch liefert bei meinem Verlag die Autorin ja persönlich aus, wenn der Ort zufällig auf dem Weg liegt, oder wenn ein ganzer Packen Bücher in den Nachbarort muss. Ich nehme an, das Joanne Rowling ihre Harry Potters nicht mehr selber durch die Gegend fährt, aber ich wette, sie hat das früher auch gemacht. Von daher bin ich doch auf einem guten Weg.

Mein Verlags- und Autorenjob bestimmt jetzt sogar die Weihnachtsatmosphäre, denn aus logistischen Gründen ist es nicht möglich, neben den vielen Bücherstapeln und den Kisten voll gepolsterter Briefumschläge, im Wohnzimmer noch Platz für einen Weihnachtsbaum zu finden. Höchstens für einen ganz kleinen, aber in ganz klein finde ich den blöd. Außerdem würde er zwischen den vielen Kisten gar nicht auffallen. Gnadenlos entscheidet die Verlagsleitung darum, dass Weihnachten ausfallen muss, zumindest baummäßig. Zum Glück ist meine Familie ähnlich durchgedreht wie ich und stimmt sofort zu. Vielleicht ist sie auch gar nicht ähnlich durchgedreht, sondern einfach nur realistisch und hat die Kisten gezählt. Ob ich nach dem nächsten Buch das Sofa und den Fernseher rauswerfe, um Platz für weitere Bücher im Wohnzimmer zu haben, entscheide ich, wenn es soweit ist. Ich ahne, dass ich mir da mal eine Lösung überlegen muss. Aber können kreative Menschen durch hohe Bücherstapel, fehlende Weihnachtsbäume und permanentes Slalomlaufen im Wohnzimmer gebremst werden? Nein! Die Komik der Situation erzeugt eher noch mehr krative Schübe.



34 - Sonntag, 21. Dezember 2008
Eine Woche ohne Illustrationen, ohne Lesungen, ohne Weihnachtsbaum. Ich packe täglich einige Giraffen- und Apfelquiekerbücher ein und verschicke sie, aber das läuft nebenbei und beschäftigt mich nicht sehr emotional. Stattdessen wühle ich intensiv im Videoarchiv, um Material für das letzte Wise Guys Konzert im Jahr 2008 zu suchen, das auch das letzte Konzert von Clemens ist. Er verlässt die Gruppe, und ich sehe viele alte Videos an, um ein paar Ausschnitte für das Abschiedskonzert vorzubereiten. Jeden Tag gucke ich so viele Videos, dass ich nachts davon träume und die Szenen im Schlaf weiter bearbeite. Und es sind besonders die früheren Aufnahmen, die in meinem Kopf rumspuken. Ich lebe intensiv in einer anderen Zeit und finde genau die Stimmung wieder, die damals vorhanden war. Aufbruch, erste große Erfolge und eine spannende Zukunft. Es ist eine sehr unreale Atmosphäre, in der ich tagelang lebe, aber ich wundere mich nicht, sondern genieße sie ganz einfach. Freudig lächelnd und ein wenig wehmütig.

Kaum ist das Konzert vorbei, taucht Prinz Ferdinand König auf und winkt heftig. Er wird die Hauptfigur in meinem nächsten Buch und ich werde im nächsten Jahr viel Zeit mit ihm verbringen. Mit ihm, dem Text, den Illustrationen und der Hör-CD. Jetzt ist mein Kopf wieder frei für ihn. Ich packe die Wise Guys Videos in die Kartons zurück und krempel die Ärmel hoch. Bevor es mit dem nächsten Buch losgeht, muss der Dachboden freigeräumt werden, um im Frühjahr ein Arbeitszimmer zu werden, das kleine Filmzimmer soll Bücherablagezimmer werden und überhaupt muss überall mal ein frischer Wind durchpusten. Es ist viel zu tun und ich bin voller Energie.



35 - Sonntag, 28. Dezember 2008
Das Jahr geht dem Ende zu, und ich bin echt froh, dass ich jetzt mal Pause habe. Es liegen einige Sachen an, ich will in den nächsten Monaten viel machen, aber ich habe nur wenige feste Termine vor mir. Abtauchen, eigene Sachen machen und mal sehen, wie sich das nächste Jahr entwickeln wird. Das Arbeitszimmer soll erst ausgeräumt und dann ausgebaut werden, ich will im Frühjahr mit dem nächsten Buch “Prinz Ferdinand König” beginnen und vorher oder parallel dazu ein Weihnachts-Theaterstück schreiben, das Ende nächsten Jahres vor Grundschulkindern gespielt werden soll. Eine ganz neue Herausforderung, auf die ich mich sehr freue, an der ich aber auch grandios scheitern kann. Ein Theaterstück muss anders geschrieben werden als eine Buchgeschichte. Zum Glück kann ich es schreiben, vom Regisseur lesen lassen, und wenn der dann verlegen guckt und vorsichtig ausdrückt, dass es nicht spielbar ist, einpacken und in die Schublade legen. Etwas wahnsinnig ist, dass ich auch noch gerne Musik dazu hätte, ebenso übrigens wie für die geplante Hör-CD von “Prinz Ferdinand König”. Noch gehe ich davon aus, dass ich Liedtexte schreibe, meinen musikalisch fähigen Familiemitgliedern die ungefähre Melodie vorsinge und sie daraus Hits machen. Eventuell sehe ich das zu optimistisch, aber gehört der leichte Wahnsinn nicht inzwischen zu meinem Leben?

Da ich den Kinderbuch-Block auch im nächsten Jahr weiterführen werde, können Ergebnisse, Erfolge und kleinlaute Abbrüche zeitnah mitverfolgt werden. Es ist dann rechtzeitig klar, ob es sich lohnen könnte, frühzeitig Karten für die sensationellen Theateraufführungen mit Musicalcharakter zu ordern, Bewerbungen für die noch freien Sprech- und Singrollen bei Prinz Ferdinand König zu schicken oder sich sicherheitshalber für alle angesagten Termine schon etwas anderes vorzunehmen.

Bei den Giraffenbüchern gehe ich nach einem Jahr Verkauf auf die Nummer 2000 zu - was ich für “ohne Verlag” ziemlich sensationell finde -, die ersten Apfelquieker-Kartons sind leer, das Wohnzimmer ist mit eingelagerten Büchern vollgestellt, und ich habe keine Ahnung, wo ich das nächste Buch unterbringen soll, wenn es tatsächlich Ende des nächsten Jahres fertig sein sollte, denn bis dahin werden die beiden ersten nicht ausverkauft sein. Aber ich finde alles wunderbar. So chaotisch und ungeregelt und improvisiert muss es einfach am Anfang einer Karriere sein, in der Kinderbücher, Theaterstücke und Musicalhits geschrieben werden. So chaotisch, ungeregelt und improvisiert bleibt es übrigens auch bis zum Ende, wenn ich niemals Karriere mache, sondern einfach nur Spaß habe und mit dem Erlös des einen Produktes so eben die Finanzierung des nächsten ermöglichen kann. Na und? Ich warte einfach mal ab, wie sich alles entwickeln wird. Vielleicht schule ich auch in zwei Jahren zur Automechanikerin um und betreue Rennautos auf Malta. Nun ja, es ist viel möglich, aber ausgerechnet das wohl nicht.



36 - Sonntag, 4. Januar 2009
Es gab eine dicke Neujahrsfeier mit der gesamten Belegschaft des Gurkentee-Verlages. Gefeiert wurde in der betriebseigenen Kantine, und die Stimmung war prima.

Von vorne links im Uhrzeigersinn: Layouterin Anette Dewitz, Messe-Double Anette Dewitz (winkend), Verlagsleiterin Anette Dewitz, Sekretärin Anette Dewitz, zufällige Passantin Anette Dewitz (hinten), Büroleiterin Anette Dewitz, Buchhalterin Anette Dewitz, Poststelle Anette Dewitz (stehend), Kantinenleitung Anette Dewitz, Texterin Anette Dewitz, Illustratorin Anette Dewitz und Ablage Anette Dewitz (abgelegt).



Alle Mitarbeiter und die Verlagsleitung des Gurkentee-Verlages freuen sich auf die kommende Zeit mit Prinz Ferdinand König und wünschen ein gesundes, glückliches und spannendes Jahr 2009!



37 - Sonntag, 11. Januar 2009
Draußen liegt eine Schneeschicht über der Landschaft, und auch der Gurkentee-Verlag scheint zu ruhen. Es sieht fast wie Winterschlaf aus, aber unter der Oberfläche rumort es gewaltig. Ein neues Jahr ist angebrochen, trotz des Schnees rieche ich beinahe schon den kommenden Frühling in der Luft, und ich freue mich. Es ist noch ziemlich unklar, was kommt und was meine Schwerpunkte in diesem Jahr und vielleicht der weiteren Zukunft werden. Fest steht, dass ich mehr Möglichkeiten und Interessen habe, als ich arbeiten kann. Gleichzeitig mit vollem Einsatz Videos filmen, Theater spielen, Bücher schreiben, illustrieren, den Garten zum Paradies ausbauen, Veranstaltungen besuchen und Zeit zum Bücherlesen und Teetrinken haben, geht einfach nicht. Vor allem nicht, wenn ich weiterhin weder Spülmaschine noch Haushaltshilfe habe und meine Halbtagsstelle als Kinderbuchautorin behalte, mit Büroarbeit, neuen Büchern und Lesungen. Ich muss einige schwere Entscheidungen treffen und liebgewonnene Sachen reduzieren oder nur noch selten machen. Das ist schwierig, weil ich alles so gerne mache.

Erstaunlicherweise bin ich sehr gelassen. Etwa zwei bis drei Monate werde ich jetzt mein Arbeitszimmer zuerst mühsam ausräumen und dann hoffentlich schnell  renovieren, dazwischen am Weihnachts- Theaterstück schreiben und einige schon länger wartende Videos fertig machen. Danach geht es mit dem nächsten Kinderbuch los. Ich vermute, dass ich bis dahin auch weiß, was ich ansonsten noch machen kann und machen will und was nur noch hin und wieder stattfinden kann. Es ist alles offen, und ich bin in einer Phase, in der ich sehr neugierig und gespannt darauf bin, wie es weitergeht.

Angefangen hat das Jahr mit einer Giraffenbuch-Lesung in einer Stadtbücherei. Es gab vorher Hinweise bei den Veranstaltungstipps der regionalen Zeitung und bunte Flyer, die nur den kleinen Fehler hatten, dass dort “Anne Dewitz” als Vorleserin angekündigt wurde. Aber das war ja annähernd richtig. Einer vollen Bücherei stand nur im Wege, dass es einer der letzten Tage in den Weihnachtsferien war, an dem dann auch noch unerwartet viel Schnee lag. (In dieser Gegend liegt in vielen Wintern überhaupt kein Schnee!) Und natürlich waren die meisten Kinder zu Hause oder Schlittenfahren. Ein einziges Kind kam zur Lesung, das hatte seinen Opa dabei. Außerdem war eine Bekannte von mir gekommen und die Dame aus der Bücherei setzte sich dazu, als die Lesung begann, denn ich lese auch für ein einziges Kind, wenn sich das durch Schnee und Ferien zu mir gekämpft hat und es ihm nicht peinlich ist, alleine auf den vielen Bodenkissen zu sitzen.

Um es kurz zu machen: Es war eine sehr schöne, ganz private Lesung, die mir und den Zuhören Freude gemacht hat. Die Erwachsenen hörten aufmerksam zu und lachten an den richtigen Stellen, das Kind war mit fünf Jahren fast noch zu klein für die recht komplexe Geschichte, hörte aber ebenfalls gebannt zu und hielt ganz still und konzentriert bis zum Schluß durch. Vor zehn Jahren wäre es mir vermutlich ziemlich peinlich gewesen, mit verstellten Stimmen vor vier Zuhörern eine Geschichte zu lesen, als Affenmädchen zu schreien und das “Dum-di-dum” des Warzenschweins zu singen. Aber inzwischen macht es mir riesigen Spaß. Egal, ob da 90 Kinder sitzen, oder nur eins. Wichtig ist, dass sie nachher eine schöne Veranstaltung hatten und im Kopf eine Geschichte haben, an die sie gerne zurückdenken. Und wichtig ist auch, dass ich es jedesmal so gut wie möglich mache und niemals nur eine Geschichte runterspule. Und toll: Ich kann jetzt ziemlich sicher mit höheren Zuhörerzahlen bei den nächsten Lesungen rechnen, denn viel weniger geht nicht.



38 - Sonntag, 18. Januar 2009
Es könnte glatt sein, dass der Kinderbuch-Block in den nächsten Wochen zum Renovierbericht wird. llustrationen stehen jedenfalls momentan nicht auf meiner Liste. Am wichtigsten ist, dass mein Arbeitszimmer fertig wird. Das Ausbauen und Einrichten ist dabei nicht das Problem, sondern das Leerräumen. Was sich in siebzehn Jahren auf dem Dachboden angesammelt hat, ist nicht in zwei Wochen gesichtet, geordnet und aussortiert. Aber nur, wenn ich mindestens zwei Drittel der dort angesammelten Sachen komplett beseitige, werde ich genug Platz haben.

Wenn ich mir genau überlege, was für eine große Baustelle am Ende der netten Wendeltreppe auf mich wartet, wird es mir schon etwas komisch. Das will ich wirklich in den nächsten drei Monaten schaffen? Entrümpeln, neue Giebelfenster einbauen, verputzen, zum Teil noch dämmen, Schränke einbauen, Fußboden aufbereiten, ... nee, ich hör auf mit der Aufzählerei, sonst schnapp ich mir noch einen Reiseprospekt und fahre stattdessen für einige Wochen in Urlaub. Dass ich “nebenbei” noch einige Videos schneiden möchte, erwähne ich gar nicht erst. Aber ich stelle mich innerlich fest darauf ein, dass ich im April dort oben sitzen und arbeiten werde. Vielleicht sollte ich möglichst bald mal die alten Fenster ausmessen und die neuen bestellen, denn die müssen ja erstmal gemacht werden.


Am besten räume ich auf dem Dachboden zuerst meinen improvisierten Schreibtisch frei, habe dann dort ein wenig freien Platz und lege los. Die guten Sachen in übersichtliche Kisten, alles andere in große Müllsäcke. Und in Gedanken immer schon das fertige Zimmer vor mir sehen, die hellen Wänden, den dunklen Holzfußboden und genug Platz, um viele Kinderbuchhelden herumfliegen zu lassen und dann auf Papier zu bringen. Dafür lohnt es sich doch!


In den nächsten Wochen werde ich also wieder schlechter zu erreichen sein, weil alle Verlagsmitarbeiter das neue Büro ausbauen werden. Ich bin selber gespannt, ob wir uns da nicht alle überschätzt haben. Drei Monate - ich lach mich weg!




39 - Sonntag, 25. Januar 2009
Obwohl die meisten Gurkentee-Mitarbeiter demnächst in den neuen Verlagsräumen unter dem Dach arbeiten werden, entsteht dort jetzt kein unübersichtliches Wirrwarr von einzelnen Büroräumen. Das würde überhaupt nicht dem Konzept des kleinen, bescheidenen Verlages entsprechen, dessen Motto “Klein aussehen, Großes leisten” ist. Außerdem gibt es den Platz dort gar nicht.

Der Dachboden hat schräge Wände, vorne und hinten einen Giebel mit Fenster und wird in der Mitte durch eine Balkenkonstruktion und einen Kamin getrennt. In dem einem Teil gibt es ein Loch im Boden mit Wendeltreppe, die schon viel Platz wegnimmt, im anderen Teil wird demnächst der Arbeitsbereich eingerichtet: Tisch, Stuhl, Lampe, Stereoanlage und einige kleine Einbauschränke für alle Illustrationssachen. Zusätzlich soll es unter der Schräge Stauraum geben für Kisten mit alten Spielsachen, ersten Schulheften, Karnevalskostümen, Kinderbüchern und allem, was ich aus unserem früheren Leben unbedingt aufheben möchte. Das ist eine Herausforderung. Auf wenigen Quadratmetern viel Kram unterbringen und trotzdem noch Platz haben.

Die Planungsleiterin und Innenarchitektin (Anette Dewitz), die netterweise honorarfrei den Ausbau übernimmt und den Mitarbeiterstab des Gurkentee-Verlages damit bis zum Frühjahr erweitert, bemüht sich, den vorhandenen Raum so gut wie möglich zu nutzen. Dabei legt sie Wert auf originelle Details. Um von der Wendeltreppe in den Arbeitsbereich zu gelangen, muss man unter einem dicken Balken den Kopf einziehen, aber gleichzeitig auch auf die Füße achten, denn es gibt auf dem Boden einen weiteren dicken Balken. Wer es ein bisschen geschickt anstellt, kann gleichzeitig unten stolpern und sich oben den Kopf anstoßen. Die Konstruktion könnte abgefangen und komfortabel umgebaut werden, aber mir und der Innenarchitektin gefällt sie, darum bleibt sie so. Außerdem kann ich später am Fallgeräusch oder am dumpfen Aufprall der Stirn an den Holzbalken hören, wenn sich überraschend Besucher anschleichen wollen. Spart die Kosten für eine Klingel.


Leider gibt es beim aktiven Aufräumen Phasen, in denen es erstmal schlimmer als vorher aussieht. Inzwischen sind viele der zuvor hochgestapelten Kartons auf dem Boden verteilt, damit ich besser sortieren kann. Dazwischen stehen, liegen und quetschen sich leere Kartons, volle Altkleidersäcke, hohe Altpapierstapel und gefüllte Müllsäcke. Ich weiß überhaupt nicht, wohin mit dem ganzen Zeug. Ins Wohnzimmer, neben die Bücherstapel? Die Mülltonnen sind jedenfalls schon voll. Ich glaube, ich muss eine Logistikexpertin einstellen, die sich um die ordnungsgemäße und zeitnahe Müllentsorgung kümmert und sich die Zeit nimmt, Altpapier und Altkleider zu den entsprechenden Containern zu fahren, während ich weiter aufräume. Wow! Immer mehr Mitarbeiter. Mein Verlag wächst und wächst.



40 - Sonntag, 1. Februar 2009
Das Leben einer Kinderbuchautorin kann sehr ungewöhnlich sein. Sie ist viel unterwegs, lernt ständig neue Leute kennen, bekommt Inspirationen und schreibt zwischendurch. Ich muss da nur mich ansehen. Beim Renovieren meines Dachboden-Arbeitszimmers muss ich ständig die Treppen hoch und runter laufen und bin so unterwegs wie selten. Auf der Müllkippe habe ich inzwischen schon nette Leute kennengelernt, die mir den Weg zum Hausmüll-Abladeplatz zeigen, mein Auto vor und nach dem Abladen wiegen, Geld kassieren und mit mir übers Wetter und überquellende Schränke reden. Immer wieder greife ich zu einem Stift und schreibe in großen Buchstaben “Weihnachten”, “Playmobil”, “Erinnerungskram” auf gepackte Kisten. Und bei all diesen Erlebnissen und dem Herumfahren bekomme ich nicht nur Inspirationen, sondern auch Transpirationen. Was für ein Leben! Ich sollte diese Hintergrundinformationen zum Berufsbild einer Kinderbuchautorin mal im Berufsinformationszentrum einreichen. Das überrascht die Sachbearbeiter bestimmt.

Aber es geht vorwärts. Die eine Hälfte des Dachbodens wird immer leerer. Oder sollte ich freier sagen? Ich glaube ‘frei’ passt besser, weil es für mich ein Ort der Freiheit und Unabhängigkeit ist. Ich sortiere und schleppe und spüre meine Umzugsmuskeln - das sind die, die immer nur nach Umzügen schmerzen und sonst bei mir nicht benutzt werden. Und ich verbrauche etwas mehr Kraft als ich sollte, weil ich einfach zu viele Stunden arbeite. Aber ich bin so voll Energie und Vorfreude, dass ich mich nicht bremsen kann. Vor allem weiß ich, dass ich mit ‘Prinz Ferdinand König’ erst anfangen werde, wenn ich das in meinem Arbeitszimmer tun kann. Und ich will den bald anfangen! Spätestens im April. Falls ich dann nicht völlig entkräftet im fertigen Arbeitszimmer auf den Boden sinke und erstmal zwei Wochen durchschlafe.

Und ehe die erste Zeile vom Prinzen überhaupt geschrieben ist, können sich interessierte Beobachter der Szene jetzt schon mit ihrer mail-Adresse anmelden, um rechtzeitig vor einer Veröffentlichung informiert zu werden. Unverbindlich. Die Angabe der mail-Adresse ist keine automatische Bestellung - obwohl das ja auch eine schöne Idee wäre. (Ich blicke meine spontan strahlende Buchhalterin gerade tadelnd an.) Ein Info-Brief ist aber auch ganz praktisch für Leute, die keine Lust haben monatelang die Berichte zu lesen, und denen es reicht, am Ende zu wissen, wie es ausgeht.

Mit dem Betreff “Info-Brief” eine kurze Mail an 
post@gurkentee.de  reicht.
Oder
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