Als die kleine Giraffe ihre Punkte verlor Ich mache ein Kinderbuch
Woche 64 - 7.Oktober 2007 Die Druckerei
bekommt meine beiden Probeseiten und ruft mich gleich zu Beginn der Woche an: “Alles in Ordnung. Machen Sie genau so weiter!” Wow! Ich freue mich. Trotzdem mache ich einen Termin für 10 Tage später aus, an dem ich
vorbeifahren werde, um die letzten Fragen sicherheitshalber vor Ort und persönlich zu klären. Bis dahin kann ich die Illustrationen ja schon einscannen und die layouteten Seiten in Ruhe auf ihre Passgenauigkeit
durchgehen.
Zunächst nehme ich aber endlich meine eigene Stimme für die Hör-CD auf, knabbere dann für die nötigen Hintergrundgeräusche schmatzend an Obst und Gemüse, raschel mit Blättern, schnarche laut und
tauche mit dem Gesicht in die Wassertonne im Hof, um zu blubbern. Um eine durchs Wasser laufende Giraffe zu imitieren, muss ich auch noch mit beiden Armen wild in der Tonne herumschlagen und werde dabei ziemlich nass, aber das ist eben der Job. Ich grinse und denke an ein
Lied, das ich von Max Raabe kenne: “Mein Bruder macht beim Tonfilm die Geräusche”. Ein durchgehender Ohrwurm, der immer wieder durch meinen Kopf summt. Ich bin zwar kein Bruder, aber das Erzeugen von
Geräuschen für eine Hör-CD macht total viel Spaß.
Als ich alles aufgenommen habe, setze ich mich an den Computer und bastel die vielen
Geräusche und die verschiedenen Sprecherstimmen zusammen. Das Affenbaby und die Eidechse fehlen immer noch, aber sie haben so kurze Rollen, dass ich sie etwas später problemlos einfügen kann. Ich lache während der Arbeit oft laut los und freue mich über das, was ich höre. Wie
gedacht, dauert es viele Stunden, bis die einzelnen Takes abgehört, ausgewählt und die Stimmen passend zusammengesetzt sind, aber wenn die späteren Hörer nur halb so viel Vergnügen haben werden, wie ich jetzt
bei der Arbeit, hat es sich schon gelohnt. Manchmal gibt es gelungene, lebensechte Dialoge, die in Wahrheit mit zwei Monaten Abstand und 600 Kilometern
Entfernung gemacht wurden. Auf meiner Hör-CD unterhalten sich Leute, die sich in Wahrheit noch niemals begegnet sind! Könnte gruselig sein, ist aber witzig.
Allerdings ist mein Affengekreisch, bei aller Mühe, mehr als kläglich. Wieso kann ich das so überhaupt nicht? Nicht mal mit wohlwollend zugedrücktem Auge - oder Ohr? - kann man mein
mühsames Gekrächze als Affengeräusch identifizieren. Es ist so peinlich schlecht, dass ich es nicht mal irgendwo in eine Affenmenge dazumischen kann, sondern lieber komplett lösche. Zum
Glück habe ich genug Leute, die sich für mich schreiend zum Affen machen - und das auch können.
Und dann die Panne: Trotz mehrmaligem Abhören finde ich nicht den ersten Satz des großen
Makiki. Vermutlich habe ich den einfach in der Vorbereitung übersehen und für das Makiki-Aufnahme-Manuskript nicht abgetippt. Deswegen wurde er nicht gesprochen. Nach
kurzem Überlegen ändere ich die Hör-Aufnahme im Vergleich zum Buch ein wenig ab und beschließe, den Satz nicht nachträglich aufzunehmen. So wichtig ist er nicht. Wahrscheinlich
würde er sich bei einem erneuten Aufnehmen im Klang dann sowieso von den anderen Sätzen des Makiki unterscheiden. Und die ganze, lange Sequenz deswegen neu aufnehmen? Nein, nicht nötig.
Wie gut, dass ich nur einen netten, aber nicht wichtigen ersten Satz, und nicht den letzten, wohlmöglich alles entscheidenden Schlußsatz durch so eine Schusseligkeit wegfallen lassen
muss! Wenn das nun ein Krimi wäre und deswegen die Auflösung mit dem Täternnamen auf der CD fehlen würde!? Das wäre ja doof. “Herr Kommissar, wissen Sie, wer es war?” - Und Schluß.
Werde ich in diesem Monat wirklich komplett fertig?? Was mache ich dann im nächsten Monat??? Und was mache ich sonst noch?????
Woche 65 - 14.Oktober 2007
Mein Plan ist überzeugend: Wenn ich jeden Tag eines der fünf Hörbuch-Kapitel sorgfältig bearbeite, Lautstärken angleiche, Musik und Geräusche dazumische und alles komplett an die
richtigen Stellen rücke, fange ich am Montag mit der Arbeit an und habe am Freitagabend alle fünf Kapitel fertig. Wie super!
Rechtzeitig am Vorabend des ersten Arbeitstages fällt mir ein, dass die Eidechse aus Kapitel 1 noch nicht aufgenommen ist und ich darum am Montag lieber mit Kapitel 2 anfange. Dann fällt
mir ein, dass das Affenbaby aus Kapitel 3 auch noch nicht gesprochen ist. Außerdem brauche ich den Montag dringend, um einige Illus und Probeseiten vorzubereiten, die ich am Dienstag
mit zur Druckerei nehmen muss. OK, dann lass ich am Montag die Hör-CD-Arbeit ausfallen und fange erst am Dienstag an. Vielleicht kann ich das ausgefallene Kapitel an einem der anderen
Tage zusätzlich machen. Prima Idee. Ich bereite also am Montag in Ruhe Illus vor, scanne ein, drucke aus und layoute verschiedene Titelmöglichkeien. Leider kann ich dann auch am Dienstag
nicht an der Hör-CD arbeiten, denn da bin ich ja bei der Druckerei, die 150 km von mir entfernt ist. Mein toller Plan zeigt Lücken.
Trotzdem bin ich gut gelaunt, denn der Besuch bei der Druckerei klärt die letzten Fragen und zeigt, dass keine Hindernisse im Weg liegen. Der Probedruck hat schöne Farben, die layouteten Seiten sehen nach dem Druck genauso aus wie vorher auf meinem Bildschirm und meine 48 Seiten
sind genau so viele, wie die Druckerei als 48 Seiten eingeplant hat.
Auf dem Rückweg fahre ich über hügelige Landstraßen, grinse breit, habe den CD-Player im Auto fast auf Maximum aufgedreht und singe laut mit
Guildo Horn “Guildo hat euch lieb!” und “Wunder gibt es immer wieder” und “Baby, du bist nicht alleine”. Es passt zu meiner Stimmung
und es ist mir egal, dass die Musik aus meinem Auto vermutlich auf 300 Meter Entfernung zu hören ist. Guildo singt mit sanfter, lächelnder Stimme, ich gröle, weil mir die Tonart nicht
liegt, schräg daneben und feiere im Auto eine laute, etwas seltsame, aber sehr gut gelaunte “bald-erscheint-das-Buch” -Party. Am Ende der CD dröhnen meine Ohren und fühlen sich wie
mit Watte ausgestopft an, aber ich grinse immer noch glücklich und denke: Das war’s wert!
Obwohl mein jüngster Plan schnell auffällige Fehler zeigte, mache ich sofort einen weiteren
Plan: Bis zum Ende des Monats will ich sowohl mit dem Buch, als auch mit der Hör-CD fertig
sein. Dann kann alles weg in die Druckerei und ich muss nur noch warten, bis es nach zwei bis drei Wochen fertig zurück kommt. Im Prinzip könnte ich jetzt an allen Ecken gleichzeitig arbeiten. Da einscannen,
dort Text kontrollieren, hier Frösche quaken lassen, dort die Musik leise ausblenden... überall ist was zu tun. Aber schon nur mal eben 20 Illus einzuscannen, dauert relativ lange.
Immerhin kann ich jetzt den Buchpreis und das Vorbestelldatum angeben. 18 Euro und 21. Oktober, sind die Zahlen, auf die nicht nur ich lange gewartet habe. Und sogar das ungefähre
Erscheinungsdatum lässt sich abschätzen: 1. Dezember, also rechtzeitig vor Weihnachten. Wer einen Giraffenpfleger aus dem Zoo kennt, oder Leute, die in irgendeiner Art Umgang mit
Punkten haben, oder jemanden, der nachgemachtes Affengelächter toll findet, der könnte ein passendes Geschenk haben! Das nur mal als Tipp. Infos zum Bestellen findet man übrigens hier: www.gurkentee.de ,der “offiziellen” Giraffenbuch-Seite.
Während ich Illustrationen einscanne und am Computer in das Layout bastel - die Arbeit an der Hör-CD verschiebe ich doch lieber auf die nächste Woche -, läuft in Frankfurt die
Buchmesse 2007. Leider muss sie wieder ohne mich stattfinden, weil das Giraffenbuch ja noch nicht fertig ist. Mir ist schon klar, dass das eine Enttäuschung für die Veranstalter ist, aber
andererseits sparen sie eine Menge Trubel, zusätzliches Sicherheitspersonal und Aufwand. Außerdem werden die anderen Autoren mehr beachtet, was mir sehr wichtig ist, denn die sollte
man ja nicht übersehen. Wäre blöd, wenn eine ganze Halle für mich reserviert werden müsste, aufwändig mit Giraffendekos geschmückt, mit viel Platz für die Presseleute und
serpentinenartig aufgebauten Drängelgittern für die Besucher, und ringsherum gäbe es leere Stände und enttäuschte Autoren. Nee, da verschick ich die fertigen Bücher doch lieber unauffällig nach Mail-Bestellungen.
Bin ich auf den Ansturm der Mail-Bestellungen in der nächsten Woche eigentlich vorbereitet?
Soll ich noch ein kleines Giraffen-Computerspiel machen? Und was passiert sonst noch?
Nähere Infos zum Bestellen unter www.gurkentee.de
Woche 66 - 21.Oktober 2007
Es ist auf einmal soweit: Am Mittwoch klappe ich den Deckel des Aquarellkastens zu und räume die Zeichensachen vom Tisch. Fertig. Alle Illustrationen sind gezeichnet. Etwas verwundert
gucke ich schon, denn irgendwie hatte ich damit gerechnet, dass ich etwas übersehen habe und doch noch malen muss, aber ich bin tatsächlich komplett durch. Auf meiner extra angefertigten
Übersichtsliste hake ich jeden weiteren Arbeitsschritt für jede einzelne Illustration ab, von ‘einscannen’ über ‘Ränder weiss versäubern’ bis zu ‘in CMYK-Farben umändern’.
Dann geht es ans endgültige Layout. Achtundvierzig Seiten, mit dem Buchumschlag sogar fünfzig Seiten,
muss ich einzeln bearbeiten, die jeweilige Illustration einfügen, den vorbereiteten Text sauber drumherum bauen und dabei aufpassen, dass ich nicht zufällig einen Satz, ein Wort oder auch nur einen Punkt verliere.
Da ich Meisterin im ‘versehentlich Löschen’ bin, ist das eine Arbeit, die viel Konzentration erfordert. Jeder Fehler wird später
genauso gedruckt, wie ich ihn gemacht habe. Wenn ich jetzt ein Bild auf der falschen Seite einbaue oder eine Textzeile verschwinden lasse, werde ich später die Leser sehr verwirren
und kann die Schuld höchstens auf die blöde Layouterin schieben. Manchmal ist es schon schwer, wenn man die Jobs in der Firma alle selber übernimmt, denn ich als Sekretärin muss
dann ja auch die Beschwerdeflut bearbeiten und den Ärger möglichst von der Verlegerin fernhalten. Gar nicht zu erwähnen, dass sich auch die Autorin über dämliche Satzfehler der Layouterin ärgert.
Zwischendurch denke ich, dass es ein Buch mit 14 Seiten ja auch getan hätte.
Dann säße ich nicht so ewig lange am Layout. Aber bei 14 Seiten hätte die Geschichte nicht komplett rein gepasst. Außerdem ist es für solche Überlegungen sowieso zu spät. Als ich alles fertig habe und die Ausdrucke zu
einer letzten Kontrolle in einem Ordner abhefte, kann ich die Druckerfarbe fast schon riechen.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag, genau um Mitternacht, startet die
Vorbestellmöglichkeit. Das Buch ist noch nicht in der Druckerei und die Hör-CD ist noch nicht fertig, aber da alles in etwa 5 Wochen versendebereit bei mir liegen soll, kann ich auch schon
Bücher reservieren. Es wird eine limitierte, handnummerierte Auflage geben und wer früh bestellt, bekommt eine niedrige Nummer. Am Inhalt ändert sich bis zur letzten Buchnummer allerdings nichts.
Eine gute Idee wäre es ja, das Postfach um Mitternacht künstlich zu blockieren, um damit den Anschein zu erwecken, der Andrang wäre gewaltig, und dann 15 Minuten später ein
“Ausverkauft!” auf die Seite zu setzen. Ich würde einen sensationellen Achtungserfolg erringen, leider aber in der Folge auf allen Büchern sitzen bleiben, weil dann ja keiner mehr
bestellt. Im Prinzip also eine gute Idee mit großem Schwachpunkt. So wie viele meiner Ideen.
Samstagnacht gehe ich extra von einer Feier früher nach Hause, um zu sehen, ob es schon um
Mitternacht Vorbestellungen gibt. Zwei oder auch fünf Leute machen das, vermute ich, eventuell auch zehn. Es ist völlig unplanbar, wie das Interesse ist, wie viele Bücher in den
nächsten Monaten gekauft werden und ob jemals die gesamte Auflage weg ist. Ärgere ich mich irgendwann, dass die Auflage viel zu klein war, oder denke ich ernüchtert, dass ich mit 100 Büchern mehr als genug gehabt hätte?
Um Punkt 00:00 Uhr treffen die ersten Bestellmails ein. Erstaunlicherweise keine einzige früher! Sie ordnen sich nach für mich unerfindlichen Gründen in meiner Mail-Liste ordentlich
hintereinander ein - vermutlich ging es um Bruchteile von Sekunden und mein Mail-Programm musste die Zeitlupenkamera vom Zieleinlauf zur Bewertung hinzuziehen - und ich sitze davor
und grinse breit. Wie toll! Es ist spannend und lustig und irgendwie eine total abgedrehte Sache. Ich sitze nachts vor dem Computer und freue mich über die Mails von Leuten, die mein Kinderbuch haben wollen.
Bis 1 Uhr morgens übertrage ich die Bestellungen sehr sorgfältig in der
richtigen Reihenfolge mit Uhrzeit, Name und den vergebenen Buchnummern in ein extra dafür angelegtes Heft und schicke den ersten Bestellern schon die Antwortmails. Nummer für Nummer wird vergeben
und damit ist das jeweilige Buch fest auf einen Namen reserviert. Da einige Besteller mehrere Bücher haben möchten, sind schon in der Nacht die ersten 50 Bücher weg. Boah! Wenn es in diesem Tempo
weitergeht, bin ich in 9 Tagen ausverkauft! Allerdings ist mir klar, dass es in diesem Tempo nicht weitergehen wird. Sollte ich aber vielleicht nicht laut sagen, damit unentschlossene
Besteller sich lieber beeilen, um noch eines der ‘blitzschnell ausverkauften’ Bücher zu bekommen.
Bin ich mental darauf vorbereitet, dass ich am nächsten Wochenende voraussichtlich mit der Arbeit fertig bin? Ist mein vorbereitetes Giraffen-Buch-Bestell-Heft so idiotensicher, dass ich keine
Nummer doppelt vergeben kann? Und was passiert sonst noch?
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