Als die kleine Giraffe ihre Punkte verlor
Ich mache ein Kinderbuch

Woche 67
- 28.Oktober 2007
Die Hör-CD ist schon zusammengestellt und grob fertig geschnitten, da nehme ich endlich die beiden letzten Stimmen auf. Das Affenbaby muss nur viermal “Mama” und einmal “Oh” sagen. Wir nehmen zweimal auf, so dass die Sprechrolle auf acht “Mamas” und zwei “Ohs” verdoppelt wird. Das Auf- und Abbauen des Aufnahmegerätes dauert trotzdem länger, als die eigentliche Aufnahme. Es ist alles etwas aufwändig, aber mir gefällt die ganze verrückte Aktion mit den vielen verschiedenen Sprechern und ich freue mich.

Die Grille war lange das Problem. Alle Versuche, das Grillengezirpe mit menschlichen Lauten zu imitieren, scheiterten kläglich. Kläglicher als mein Versuch Affengeschrei zu erzeugen. Und einfach eine anonyme akustische Grille aus dem Tierstimmen-Tonarchiv nehmen, die keine Persönlichkeit hat? Nein. Aber eine Grille aus dem Tierhandel ausleihen, die nachher verfüttert wird, ist auch zu brutal. Ich kann doch keinen Mitwirkenden der Hör-CD herzlos seinem Schicksal überlassen! Andererseits würde mich eine nachher liebevoll als Haustier angenommene Hör-Buch- Mitarbeiter-Grille mit ihrem Gezirpe irgendwann wahnsinnig machen.

Die Lösung findet sich in einer Spielkiste: Eine Plastik-Grille, die in Disneys Mulan mitspielte. Also mit Schauspielerfahrung! Wir haben sie aus einer McDonalds-Juniortüte. Am Rücken hat sie einen kleinen Hebel und wenn man den kurz dreht, zirpt sie. Wenn man nicht dreht, bleibt sie stumm. Perfekt. Engagiert!

Am Ende der Woche sind 186 Bücher reserviert. In der Woche danach muss ich mich bei der Druckerei definitiv für eine Auflagenhöhe entscheiden. Ich habe 500 Exemplare geplant. Das könnte dicke ausreichen. Was aber, wenn ich in den nächsten Monaten weiterhin Anfragen habe? Ich möchte genau eine Originalauflage haben. Wenn die weg ist, ist sie weg. Soll ich doch 700 Bücher drucken lassen? Das würde zumindest die Chance erhöhen, dass ich nicht nur 314, sondern bis zu 514 Bücher im Wohnzimmer aufstapeln kann. Oder ist der absolute Wahnsinn mit einer 1000er-Auflage erreicht? Nerve ich dann noch meine Enkel, die später bei jedem Besuch von der Oma ein verstaubtes Giraffen-Kinderbuch vom Stapel in die Hand gedrückt bekommen? Immerhin hätte sich die Oma für das Geld damals auch ein komplett eingerichtetes, tolles Wohnzimmer anschaffen können und müsste nicht inmitten der Bücher auf ihrem wackeligen Holzstuhl im ansonsten leeren Zimmer den Lebensabend verbringen.

Am Ende der Woche gilt das Buch als “fertig” und ich packe die Daten für die Druckerei zusammen. Den Buchumschlag drucke ich mir in Originalgröße aus, um zu kontrollieren, ob er an allen Ecken passt. Gefaltet und geklappt ist er dreidimensional und sieht fast schon wie ein Originalbuch aus. Nur dass kein Inhalt drin ist.

Zur Fein-Bearbeitung der Hör-CD habe ich jetzt noch eine Woche Zeit, dann möchte ich auch sie fertig haben. Da muss ich mir aber keinen Stress machen, denn wenn es dann doch ein paar Tage länger dauert, ist das zeitlich auch noch drin. Hauptsache, es ist alles am Ende des nächsten Monats gedruckt, gepresst und nummeriert. Mein Büro zeigt sich etwas überfordert und reserviert durchaus mal zwei Bücher, wenn drei bestellt sind, oder nennt den Preis von zwei Büchern, wenn nur eins verlangt wird. Die Verlagsleiterin ist sauer, drängt auf mehr Zeit und Konzentration bei der Verwaltungsarbeit, besteht auf Kontrollen und deutlichen Häkchen bei allen erledigten Teilschritten, und ab da wird es besser.

Ich habe immer groß getönt, dass ich überschaubare Auflagenhöhen locker alleine bearbeiten kann, aber es geht unerwartet viel Zeit drauf, wenn ich wirklich die Kontrolle und den Überblick behalten will. Nummern vergeben, Adressen nachfragen, Postgebühren nennen, Übergabeorte absprechen und bei jeder Bestellung notieren, wie es genau in diesem Fall gemacht wird, ob das Geld vorher überwiesen wird, ob Portogebühren dazu kommen oder ob bei der Übergabe bezahlt wird. Es gibt erstaunlich viele Bestellungen aus Österreich und der Schweiz, bei denen ich mit der Angabe des Portos und damit des kompletten Preises abwarten muss, bis ich die verpackten Bücher bei der Post abwiegen lassen kann. Bis dahin bleibt die Häkchenleiste offen und der Vorgang stockt. Ich hoffe, dass es günstige Versendemöglichkeiten gibt, denn bei zu hohem Porto wird die ganze Sache unsinnig. Wichtig ist mir auch eine zurückgeschickte Bestätigungsmail bei jedem Geldeingang, damit der Besteller beruhigt ist und als Gegenwert zumindest eine Mail auf dem Rechner hat. Es gibt also richtig viel Büroarbeit.

Ist es nicht toll, dass es tatsächlich Besteller gibt, die mich gar nicht persönlich kennen?
Wäre es für mein Büro insgesamt besser, wenn nur 200 Bücher zu verwalten wären?
Und was passiert sonst noch?



Woche 68 - 4.November 2007
Das Buch geht am Ende der Woche mit der Post an die Druckerei. Eigentlich geht eine CD an die Druckerei, auf der alle Daten sind und aus der in den nächsten Wochen viele Bücher entstehen sollen. Je näher der Absende-Termin rückt, desto zögerlicher werde ich. Sobald der Umschlag in den Briefkasten plumpst, ist entschieden, wie das Buch aussieht, welche Wörter drin stehen und welche Illustrationen ich zeige. Hätte ich nicht die ein oder andere Illu doch noch mal überarbeiten sollen? Oder den Text an einigen Stellen ändern? Das ginge sicher alles noch eine Stufe besser. Will ich das Buch wirklich in diesem Zustand drucken lassen??

Zum Glück weiß ich, dass es vielen Leuten so geht, die eine Arbeit veröffentlichen. Am Ende sind sie unsicher, können nichts mehr beurteilen und fragen sich, warum sie so doof sind, irgendwelche Produkte in einem völlig unlogischen, unfertigen Zustand anderen Menschen zu zeigen, oder sich damit auf eine Bühne zu stellen, oder davon ein Buch drucken zu lassen. So gesehen bin ich jetzt voll in der zweifelnden Künstler-Schiene drin. Ist mir aber egal, denn ich ziehe das Projekt weiter durch. Vor allem, weil mir die Verlegerin im Nacken sitzt, die mit den Zweifeln der Autorin und der Illustratorin nichts am Hut hat.

Ich freue mich allerdings, dass ich einige unerwartete Termine bekomme und damit Gründe finde, das allerletzte Durchsehen des Manuskriptes, das ja sehr konzentriert geschehen muss, hinauszuschieben. Dreimal schiebe ich auf “morgen”, dann ist “morgen”, ich habe Zeit und kann mich nicht mehr drücken. Zu meinem Schrecken finde ich tatsächlich noch mehrere kleine Fehler in der vermeintlich fehlerfreien letzten Version, was mich davon ausgehen lässt, dass es auch in der Endversion noch einige geben wird. Vermutlich ganz dumme, die ich beim ersten Durchsehen sofort entdecken und fassungslos anstarren werde.

Aber dann ist es soweit: Ich bringe den Brief zur Post. Am Schalter gibt es eine Briefmarke drauf und einen Stempelabdruck, dann wandert das Giraffenbuch in einen gelben Plastikkasten. Fertig. Trotzdem ist mir nicht nach Sekt zumute. Ich bin erleichtert, dass ich jetzt die Arbeit am Buch abgeschlossen habe, warte aber lieber ab, ob noch Fehler gefunden werden, die korrigiert werden müssen. Aber irgendwie ist es schon toll, dass alles eventuell reibungslos in die Druckmaschine geht und mir erst wieder als fertiges Buch begegnet. 

Damit ich nicht untätig herumsitze und doch an Sekt denke, wartet die Endarbeit an der Hör-CD auf mich. Das bedeutet viel Einstellerei an einem Computerprogramm, mit dem die Tonspuren kombiniert werden. Als ich die Hörversion als “eigentlich fertig” bezeichne, bekomme ich von meinem technisch versierten Gatten eine CD mit dem Ergebnis gebrannt. Die muss kritisch angehört werden. Kann man die Erzählstimme immer gut verstehen? Sind die Hintergrundgeräusche zu leise oder quaken die Frösche zu laut? Sind die Stimmen gut und logisch im Raum verteilt, so dass beim Stereo-Ton die Dialogpartner rechts und links stehen? Hört es sich auch in der Mono-Version gut an?

Die Hör-CD macht unglaublich viel Arbeit, aber auch total viel Spaß. Vielleicht sollte ich in Zukunft auf ein passendes Buch verzichten und stattdessen nur noch Hörbücher machen? Ich überlege, dass ein Hörbeispiel viel besser erklärt, was ich gerade mache und wie sich die Hör-CD ungefähr anhören wird und mache ein...

...HÖR-BEISPIEL
Das Tonsymbol mit der rechten Maustaste anklicken und mit “Ziel speichern unter...” auf den eigenen Computer laden. Dann von dort aus starten und anhören. Viel Spaß!

Wird es Leute geben, die lieber Hör-CDs als Bilder-Bücher von mir haben möchten?
Kann man unruhigen Kindern auf Autofahrten drohen, dass sie endlich ruhig sein sollen, sonst würde man die CD mit den schrecklichen Affen wieder einlegen??
Und was passiert sonst noch?



Woche 69 - 11.November 2007
Die Flut der Bestellungen per Mail nimmt deutlich ab und ich denke, dass das an zwei Gründen liegt: 1. habe ich ein neues Spam-Programm vor meinem E-Mail-Eingang, das vermutlich “Giraffe” als Spamwort klassifiziert und darum mindestens 100 Bestellungen pro Tag nicht durchkommen lässt, und 2. habe ich mich für die gewaltige Menge von 1000 gedruckten Exemplaren entschieden.

Ich überlege, ob ich den Spam-Filter wieder entferne, finde es aber bei der demnächst ankommenden Menge von Büchern viel spannender, wenn mir der Schweiß ausbricht und ich nervös und blass überlege, wo ich das ganze Zeug die nächsten Jahre einlagern soll, wenn niemand bestellen kann.

Insgeheim finde ich alles aber gar nicht so schlimm, denn ich bin fest davon überzeugt, dass ich im Laufe der Zeit alle Bücher verkaufen werde. Ich habe keine Ahnung, warum ich das denke, aber ich bin da total optimistisch. Bis jetzt sind auch schon 230 Bücher reserviert, was bei einer 500er-Auflage ja fast schon die Hälfte wäre. Dass ich bei der 1000er-Auflage dann noch 770 Bücher übrig habe, will ich gar nicht erst ausrechnen, um mich nicht doch noch nervös zu machen. Lieber denke ich daran, dass ich bei einer 230er-Auflage jetzt schon ausverkauft wäre!

Schön finde ich, wenn ich mir vorstelle, dass diese Geschichte, die bisher auf einen ganz kleinen Leser- und Hörerkreis beschränkt war, auf viele Zuhörer und Leser trifft und vielleicht einige Kinder ein Stück durch ihre Kindheit begleiten wird. Kann natürlich auch passieren, dass ich demnächst Mails bekomme mit: “Das blöde Buch mit der dämlichen CD ist ja wohl totaler Schrott. Wie kann ich meine 18 Euro wiederkriegen?” Vielleicht ist es doch ganz gut, wenn ich den Spam-Filter drin lasse?

Meine Entscheidung, alles im Selbstverlag zu machen, hat ebenfalls zwei Gründe: 1. will mich vermutlich kein Verlag, weil nicht sicher ist, dass ich ihnen genug Geld einbringe. Bei den Kosten für ein vollfarbiges Kinderbuch und der Flut von Kinderbüchern auf dem Buchmarkt, kann ich das sogar verstehen. Ich habe allerdings das Giraffen-Manuskript im Vorfeld auch keinem Verlag angeboten, weil hier der 2. Grund ansetzt: Ich will gar keinen Verlag mehr haben. Ich möchte nicht, dass mir jemand in den Inhalt und in die Gestaltung reinredet und ich will überhaupt keine Rechte an meinen Sachen abgeben, an denen andere dann verdienen. Wenn ich Schrott produziere, ist das mein eigenes Problem und ich kann die Schuld nicht auf andere schieben, aber ich muss andererseits auch nicht Dinge in Kauf nehmen, die mir vielleicht nicht so passen. Ganz unabhängig arbeiten und die vollen Rechte am eigenen Werk behalten, ist mir sehr wichtig, auch wenn das mehr Arbeit und mehr Risiko bedeutet.

Bei Wikipedia steht zum Thema “Selbstverlag”: “Auflagen im Selbstverlag sind typischerweise recht klein. Der Absatz leidet unter den beschränkten Marketing-Möglichkeiten eines Selbstverlegers und häufig auch unter der Qualität des Werks.” 
Na, das lässt ja hoffen.

Von der Druckerei höre ich nichts. Das kann bedeuten, dass sie dort schon mittendrin sind und in der nächsten Woche kommentarlos das Kontrollexemplar schicken, oder dass sie immer noch verzweifelt versuchen die seltsamen Dateien auf ihrem Computer zu öffnen und in Buchform zu bringen, oder dass sie noch gar nicht angefangen haben, weil sie viel Anderes zu tun haben. Ich frag aber nicht nach, sondern warte entspannt ab.

Die Hör-CD ist nach den letzten Lautstärke- und Hall-Korrekturen fertig und muss nur noch ein allerletztes Mal probegehört werden. Wenn dann nichts mehr als Änderungsgrund auffällt, kann auch sie zum Pressen fertig gemacht werden. Es wird jetzt auch Zeit, denn so langsam geht mir das tägliche Geschrei und Gequake auf die Ohren. Außerdem kann ich schon auswendig mitsprechen, was zeigt, wie sehr sich die Sätze in mein Gehörzentrum gebrannt haben. Die Mitwirkenden bei der Hör-CD stehen inzwischen übrigens namentlich auf www.gurkentee.de
, aber ich verrate dort noch nicht, wer was sagt, grunzt oder pfeift.

Muss ich die Sessel aus meinem Wohnzimmer entfernen, um Platz für die Bücherstapel zu bekommen?
Kann ich nicht einfach eine Tischdecke über die Bücher breiten und so tun, als wären sie mein Wohnzimmertisch?
Und was passiert sonst noch?


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Infos über das Buch, die CD und die Bestellmöglichkeit unter:
www.gurkentee.de

HÖRBEISPIEL
(hier klicken, dann geht’s zur richtigen Stelle im Text!)




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