Als die kleine Giraffe ihre Punkte verlor
Ich mache ein Kinderbuch

Woche 19
- 5. November 2006
Morgen mache ich mich endlich wieder auf den Weg in den Dschungel, sehe nach, was die kleine Giraffe macht und wie ihr die lange Pause bekommen ist. Vermutlich steht sie noch am See, denn mein Farbkasten liegt seit den letzten Wochen unberührt auf dem Tisch. In der letzten Zeit, aber ganz besonders stark in den letzten beiden Wochen, war ich viel mit Texten, Clips, Vor- und Nachfilmen für die Wise Guys Spezialnacht beschäftigt und hatte einfach nicht genug Zeit für die Giraffenwelt. Die gestrige Show war ein wunderschöner Abschluß der ganzen Arbeit. Emotional muss ich jetzt den Weg von hellen Scheinwerfern, brodelnder Stimmung und lautem Mitgesinge in den Urwald finden, wo das Leben langsamer und ganz anders abläuft. Wenn ich im November nicht einige Termine hätte, würde ich jetzt für zwei Wochen alleine an die Nordsee fahren. Ich hätte kein Problem mich dort zwischen kühler Meeresbrise, heißem Tee, tropischem Urwald und der kleinen Giraffe zu bewegen und die richtige Mischung von Entspannung und Arbeit zu finden. Oder vier Wochen auf einem großen Frachter über einen Ozean zu schippern und jeden Tag am Buch zu arbeiten. Allerdings könnten bei der Frachterfahrt hohe Wellen das Zeichenergebnis ungewollt beeinflußen. Wenn ich Pech habe und eine stürmische Überfahrt erwische, schwappt mir ständig das Wasser aus dem Glas und ich habe Mühe mit dem Pinsel die richtige Farbe zu treffen. Dann doch lieber die Nordseeküste. Da schwappt einem nur das Wasser ins Glas, wenn man bei Flut zu nah am Ufer sitzt. Aber geht ja wieder mal alles nicht.

Vielleicht mache ich dafür im Dezember oder Januar wieder meinen “Spanien-Trick”, der im Sommer so gut geklappt hat. Ich suche mir ein schönes Ziel aus und verabschiede mich offiziell für vier Wochen. In Wahrheit bleibe ich zu Hause und habe viel Zeit, weil alle denken, ich wäre weg. Spanien kenne ich ja jetzt schon, da will ich mal was Neues kennenlernen. Finnland? Aber während Spanien im August widerspruchslos, ja, fast neidisch hingenommen wurde, wird Finnland im Dezember zumindest erstaunte Blicke auslösen, wenn nicht sogar besorgte Nachfragen. Was macht man im Dezember in Finnland? Einschneien lassen?

Auf der Suche nach winterlichen Beschäftigungsmöglichkeiten in Finnland stoße ich im Internet auf einen Finnisch-Sprachkurs. Einer der ersten Sätze ist: “Schneit es hier oft im Juni?” = “Sataako täällä usein lunta kesäkuussa?” Das finde ich schon sehr bedenklich. Braucht man dann im Dezember Sätze wie: “Wird man uns hier finden?” oder: “Wie lange dauert es, bis die Vier-Meter-Schneedecke über uns weggetaut ist?” oder: “Ich weiß auch nicht, warum ich im Dezember nach Finnland wollte!”

Wieso komme ich bei Planungen über die kleine Giraffe immer wieder an Schnee?
Kann ich mich jetzt sofort auf den Weg in den Urwald machen, oder sollte ich vorher lieber mal zwei Tage lang auf dem Sofa ausspannen?
Und was passiert sonst noch?



Woche 20 - 12. November 2006
Mein Auto macht jetzt effektive Werbung auf Straßen und Autobahnen, auf Feldwegen und in Parkhäusern. Effektiv ist die Werbung allerdings nur für Leute, die HINTER mir sind, denn der dicke Schriftzug steht auf der Heckscheibe. Je idiotischer ich fahre, desto tiefer prägt er sich ein. Mal sehen, ob ich jemals erfahre, dass Bücher verkauft wurden, weil ich an der Ampel vor jemandem stand. Wäre doch klasse! Mich stört allerdings, dass ich jetzt auch besser überwacht werden kann. Promisichtungen wie: “Habe sie gestern um 17:03 Uhr die Luxemburger Straße, Richtung Neufelder Bach fahren sehen, Schokolade kauend und ungekämmt” kann ich nämlich überhaupt nicht leiden. Und sollte ich jetzt mal einen Lastwagen in den Graben drängen und nachher drei Zeugen übereinstimmend “war was mit Gurkentee drauf” aussagen, werde ich mich wohl kaum mit einem Hinweis auf die vielen anderen Gurkentees herausreden können.

Ganz kurz überlege ich, ob ich nicht auch noch eine Fiberglas- Giraffen- Oberkörper- Attrappe anschaffen kann, die mit dem langen Hals oben aus dem Autodach guckt. Aber abgesehen von den vermutlich schwindelerregend hohen Kosten dafür, würde ich der Giraffe sicher mehrfach bei Einfahrten in Parkhäuser den Kopf abschlagen, was nur durch einen geänderten Schriftzug auf dem Auto auszugleichen wäre: “Als die kleine Giraffe den Kopf verlor.”

Eigentlich will ich diese Woche ja zumindest zum Teil wieder der Giraffe widmen, aber so richtig intensiv wird das nicht. Es sind noch einige liegengebliebene Sachen zu erledigen, eine eilige Kurzdemo kommt dazu, und ich will auf keinen Fall rumstressen, sondern nach der Arbeit der letzten Wochen lieber eine Stufe zurückschalten. Außerdem muss ich die nächste Woche vorbereiten. Da werde ich einige Tage unterwegs sein und zu Hause soll alles problemlos laufen. Ich sehe, wie aufmerksame Leser jetzt verschmitzt grinsen und denken, dass das einer meiner vorgeschobenen Urlaube ist. Nein, ich bin wirklich weg und dann sogar, um zu arbeiten. Ist aber eine extrem nette Arbeit, die schon fast als Urlaub gelten kann.

Immerhin gibt es in dieser Woche neue Vorzeichnungen, die die kreative Hauptarbeit an den Bildern sind und mir zu meiner Beruhigung zeigen, dass ich ganz schnell wieder in der Geschichte drin bin. Und wie man auf den Bleistift-Zeichnungen sehen kann: Die kleine Giraffe hat endlich ihren Platz am Ufer verlassen und badet im See, was sie sichtlich erfreut.

Etwas unruhig macht mich nur, dass ich den Text inzwischen wieder überarbeitet und dabei an wenigen Stellen Wörter gestrichen, aber an mehreren Stellen kurze Sätze eingeschoben habe. Wenn mehr Text da ist, wird das natürlich mit den vorher ausgerechneten Freiräumen für die Bilder knapp.

Momentan zweifel ich auch, ob ich die bisher favorisierte Schriftart ‘Jester’ wirklich nehmen soll. Da habe ich tagelang mit Mühe originelle, nicht zu steife, aber trotzdem gut lesbare Schriften getestet und mich am Ende für die passendste entschieden, aber eigentlich gefällt mir die ganz normale ‘Comic Sans’ immer noch viel besser. Wenn ich jetzt eine andere Schrift wähle, verändert sich der Platzbedarf für den Text durch die geänderte Laufweite auch wieder. Da wäre es wohl am sinnvollsten, wenn ich mich endlich definitiv auf eine Schriftart und Schriftgröße festlege und die gesamte Text- und Bildverteilung noch einmal durchgehe. Vorausgesetzt, ich habe keine größeren Textänderungen mehr geplant. Wieder mal ist es schön, dass ich keinen Verlag habe, denn die für das Layout zuständige Person würde wohl genervt den Kopf schütteln und darauf bestehen, dass es so gemacht wird, wie es vorher festgelegt wurde. Ich selber darf aber noch hundertmal ändern und kann, wenn ich will, selber den Kopf schütteln!

Wird das Ändern des Layouts ein neues Hobby von mir?
Wie sinnvoll ist es, auf dem Auto Werbung für ein Buch zu machen, an dem schon wieder eine Woche lang nicht weitergearbeitet wird?
Und was passiert sonst noch?



Woche 21 - 19. November 2006
Die einzige Giraffe, die ich in dieser Woche sehe, steht groß in Hamburg am Straßenrand und macht Werbung für den Tierpark Hagenbeck. Während ich an ihr vorbeifahre, grinse ich breit und erkenne, dass mir damit ein Wink gegeben wird, weil meine Giraffe ab jetzt auch wieder dran ist. In der ganzen Woche bin ich allerdings unterwegs von Bremen über Troisdorf nach Bielefeld, Bad Schwartau und Hamburg, sehe und höre Purple Schulz & Pe Werner, die Wise Guys, Bodo Wartke, nochmal Bodo Wartke und dann die Premiere von Bodo Wartke und kann mich nicht aktiv um die Giraffe kümmern. Wegen Bodo muss die Giraffe wartken. (Sorry. Die Wortspielereien von Bodo inspirieren, ohne dass das Ergebnis zwangsläufig gut werden muss! Aber ich bin ja auch Kinderbuchmacherin und muss keine intelligenten Wortspielerei-Texte am Klavier singen.) 

Zwischendurch unterhalte ich mich in dieser vollen Woche zwar manchmal über das Giraffenbuch und schaffe es auch in einem Hotelzimmer zwei Stunden am Laptop den Text zu überarbeiten, aber als ich am nächsten Tag nochmal für eine halbe Freistunde dran will, ist der Akku leer und keine Steckdose in der Nähe. Pech. Trotzdem entscheiden sich in diesen Tagen während langer Autofahrten und bei einem Spaziergang am Timmendorfer Strand einige Sachen im Bezug auf das Buch und ich weiß, dass meine Entscheidungen richtig sind. Ein beruhigendes Gefühl, auch wenn sich ’richtig’ nur auf meine eigene Meinung bezieht und nicht sagt, dass es das wirklich ist. Aber es ist wichtig, dass ich ganz genau zu dem stehe, was ich mache und davon überzeugt bin. Und ich bin jetzt völlig überzeugt, dass das Giraffenbuch total nett und auch die Hör-CD dazu klasse wird. Also ICH würde es kaufen! Wenn ich richtig überlege, tue ich das ja sowieso und zwar die komplette Auflage! Es kommt also auch ein wenig darauf an, wer mir die Einzelexemplare dann wieder abkauft und ebenfalls überzeugt ist.

Halte ich meinen Timmendorfer-Strand-Vorsatz Nr.1 durch: Eine Stunde am Tag halte ich mir für die Giraffe frei?
Wo sind eigentlich die Zeichenfedern, die ich letztens gekauft und griffbereit weggelegt habe?
Und was passiert sonst noch?


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